Politisch bis protzig: Freiburgs Motorradclubs stehen in den Startlöchern STADTGEPLAUDER | 25.03.2022 | Philip Thomas

Männergruppe mit Motorrad „Wir sind Außenseiter“: Daniel „Mattu“ Mattuscheck mit seinen City Cobras auf einer Harley-Davidson FXE Shovelhead Bj. 1979

Harte Kerle, laute Motoren, viel Leder und Nähe zum kriminellen Milieu: Das ist das Bild eines Motorradclubs (MC) in Deutschland. Freiburgs MCs könnten unterschiedlicher kaum sein: MC Kuhle Wampe und City Cobras MC Freiburg. Beide sagen: Die Szene leidet unter den Stereotypen.

Dienstagabend im Freiburger Industriegebiet Haid im Westen der Stadt. Vor dem Clubheim des Motorradclubs City Cobras MC Freiburg stehen die abgestellten Bikes wie an einer Schnur. Im Laternenlicht leuchtet das Chrom. Drinnen ist die Stimmung ausgelassen: Bar in der Mitte, Tischkicker in der Ecke, Poster an der Wand. Im Hintergrund läuft Rockmusik. Der President des MC, Alexander Schmidl, zündet eine Zigarette an und macht eine Spezi auf.

Jedes Mitglied der City Cobras trägt die schwarze Lederkutte mit dem Dreiteiler aus Top- beziehungsweise Bottom Rocker und Center Patch. „Wir sind ein MC und keine Fahrgemeinschaft“, kommentiert der 48-Jährige. Mit der Kluft kommen szenetypische Regeln und Rituale: Mit der Polizei wird nicht gesprochen, die Partnerin eines Clubmitglieds ist tabu, der Motorradführerschein ist ein Muss.

Gefahren werden damit vorzugsweise Bikes von Harley-Davidson. Achim Fischer besitzt gleich zwei der Maschinen mit dem berühmten 45-Grad-Motor. Was die Faszination ausmacht? Auch nach 20 Jahren im Sattel könne der Secretary des MC „das überwältigende Gefühl“ nicht recht in Worte fassen. Im Gegensatz zu anderen Motorradclubs sei ein Bike dieser Marke jedoch keine Voraussetzung: „Bei uns kann jeder fahren, was er will“, sagt Schmidl.

Auch sonst unterscheiden sich die City Cobras von anderen Motorradclubs: Trotz Titeln wie President, Road Captain oder Secretary gebe es im Freiburger MC keine strenge Hierarchie. „Wir sind kein elitärer Verein“, sagt Schmidl. In den Kreis der Cobras aufgenommen wird trotzdem nicht jeder. „Ein Prospect muss sich erst bewähren, zuverlässig sein und zu seinem Wort stehen“, sagt Vice President Daniel „Mattu“ Mattuscheck. 50 Mitglieder zählt der 2009 gegründete City Cobras MC Freiburg aktuell.

Alexander Schmidl, Daniel Mattuscheck, Achim Fischer von City Cobras Freiburg (v.l.n.r)

Benzin im Blut: Alexander Schmidl, Daniel Mattuscheck, Achim Fischer von City Cobras Freiburg (v.l.n.r).

Wie jeder Weste tragende MC seien aber auch die Cobras ihrer Region – gewissermaßen ihrem Territorium – verpflichtet. „Das hat mit Respekt zu tun“, erklärt der 44-Jährige. Der Breisgau sei „befriedetes Gebiet“. Es gelte, eine gewisse Form zu wahren: Vor den geplanten Ausfahrten nach Schweden im Mai oder an die Côte d’Azur im August müssen zuerst die hiesigen Motorradclubs über die Durchfahrt informiert werden.

„Wichtig ist außerdem, dass man sich nicht aufführt wie ein Berserker“, betont Mattuscheck, der seit 20 Jahren vor der Tür des Freiburger Crash-Clubs für Ordnung sorgt. „Es gibt Idioten, die zu viele Dokus gucken, zu uns kommen und dann denken, sie könnten hier große Geschäfte machen und kostenlos in jede Disko kommen“, sagt er. „Manchmal bekommt man so etwas erst später mit, aber grundsätzlich haben wir für solche Dinge keinen Nerv“, macht Schmidl deutlich.

Den Umgang mit Waffen, Drogen und Prostitution untersagen sich die Cobras laut ihrem Präsidenten. „Das ist bei uns sogar im Mietvertrag geregelt“, lacht Mattuscheck. Anders habe der MC das Clubheim im Industriegebiet Haid nicht beziehen können. „An so etwas haben wir uns gewöhnt“, so Schmidl. Er beklagt Sicherheitsabfragen im Beruf und Zuverlässigkeitsprüfungen seitens der Behörden.

„Wir sind auch nichts anderes als ein Faschingsverein. Wir haben halt das ganze Jahr Fasching“, sagt Schmidl. Die Cobras distanzieren sich vom Mainstream: „Wir sind Außenseiter, vielleicht sind wir auch ein bisschen hängengeblieben“, scherzt Mattuscheck. Cowboy-Stiefel und knatternde Motoren gehörten eben zur Show. Der Name City Cobras ist einem Action-Streifen aus den 80er-Jahren entliehen. „Das ist eben unser Ding“, so der 44-Jährige.

Die City Cobras, ein Knabenchor? Die Freiburger Polizei hält sich bedeckt. Präsidiumssprecher Johannes Saiger möchte keine Aussage zu Motorradclubs treffen, verweist lediglich auf den aktuellen Sicherheitsbericht des Landesinnenministeriums. Drei Seiten darin sind sogenannter „Rockerkriminalität“ gewidmet. 100 Ortsgruppen mit rund 1400 Mitgliedern und Supporten zählt die Südwest-Statistik. 33 Verfahren wegen Organisierter Kriminalität liefen landesweit im Jahr 2020. Die City Cobras werden im Bericht nicht erwähnt.

Volker Rehder, Pedro Lopez, Bernd Obrecht von Kuhle Wampe (v.l.n.r)

Benzin im Blut: Volker Rehder, Pedro Lopez, Bernd Obrecht von Kuhle Wampe (v.l.n.r)

Trotzdem steht der Freiburger MC unter Beobachtung. Bei lauter Musik im Clubheim stehe die Polizei sofort auf der Matte. „Wir vermeiden Aufmärsche, die Leute bekommen das oft in den falschen Hals“, sagt Schmidl. Auch Corona habe die Cobras geschlaucht: „Die Zeit hat bei uns Narben hinterlassen“, sagt er. Umso mehr freue sich der President nun auf den Frühling und die Ausfahrten: „Wir stehen in den Startlöchern. Mit uns muss man wieder rechnen.“

Der MC Kuhle Wampe Freiburg hat seine Räumlichkeiten samt Werkstatt im Osten der Stadt. Im Gegensatz zu den Cobras zählen die 20 Freiburger auch vier Frauen zu ihrem Motorradclub. Auf Titel verzichtet der MC indes. Der Verein sei streng basisdemokratisch organisiert, ein Motorrad ist keine Voraussetzung für die Mitgliedschaft.

Es ist nicht die einzige Besonderheit. Kuhle Wampe beruft sich auf eine antifaschistische Tradition. „Unser Name geht zurück auf eine 1913 gegründete Obdachlosensiedlung in Berlin, in der auch Motorrad gefahren wurde, bis sie 1933 von den Nazis verboten wurde“, erklärt Bernd Obrecht, der bei der bundesweiten Gründung des Motorradclubs im Jahr 1978 dabei war und seitdem beim Freiburger Ableger mitfährt.

Ausfahrten haben oft politischen Hintergrund. Anfang 2021 fuhr Kuhle Wampe nach Oberndorf am Neckar, um dort die Tore des Waffenproduzenten Heckler und Koch mit ihren Bikes zu blockieren. Ende des Jahres besuchte der Club die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof im Elsass. Zuletzt demonstrierten die Mitglieder gegen AfD und Corona-Maßnahmen-Skeptiker. „Hier kann ich Motorradfahren mit politischer Arbeit verbinden – ohne Altherrenatmosphäre, die man dem Klischee nach in Motorradclubs erwartet“, sagt Mitglied Thomas Näther.

Dazu zählen auch die Rechte anderer Motorradfahrer. Neben fehlenden Parkmöglichkeiten in Freiburg, Fahrverboten für Südbadens schönste Strecken fühlt sich die Szene immer wieder durch pauschale Lärmbeschwerden diskriminiert. „Es wird alles in einen Topf geworfen, über viel lautere Sportwagen spricht in der Debatte niemand“, sagt Obrecht. Er wünscht sich einen offenen Dialog.

Die Szene werde durch Stereotype belastet. „Wir sind keine Rocker“, betont Pedro Lopez von Kuhle Wampe. Das Bild von rund 4,7 Millionen Bikern in Deutschland sei durch Vorurteile, Film und Fernsehen verzerrt. „Ich bin eben lieber drauf als drin“, beschreibt Bernd Obrecht die Faszination Motorrad. Die vorbeiziehende Landschaft mit allen Sinnen wahrzunehmen sei unbezahlbar. Die Art des Zweirads spiele keine Rolle: „Es ist nicht schnell, aber mehr“, sagt er. Ein Motorrad bedeute Freiheit und Unangepasstheit. „Das sind auch Klischees, diese stimmen allerdings.“

Fotos: © City Corbras MC Freiburg, Philip Thomas