Vollgas voraus: Wie chilli-Volontärin Jennifer Patrias eine Tram fuhr STADTGEPLAUDER | 25.08.2022 | Jennifer Patrias

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Mit Vorfreude betrete ich das Foyer der Freiburger Verkehrs AG, denn diese hat zur Journalistenfahrschule eingeladen. VAG-Sprecher Andreas Hildebrandt begrüßt uns mit einem breiten Lächeln und lädt anschließend nicht nur zu einer Führung, sondern auch einer Fahrt mit einer der 72 Bahnen ein.

Unser erster Stopp ist die Betriebsstelle. Diese gleicht mit ihren vielen Monitoren eher einer Überwachungszentrale. Ich stehle mich hinter den anderen Journalisten in den Raum. Begutachte die verschiedenen Haltestellen auf den Bildschirmen und versuche die Livebilder, die aufgrund des Datenschutzes nicht aufgezeichnet werden, den jeweiligen Haltestellen zuzuordnen. 35 dieser Kameras sind an ausgewählten Orten in Freiburg platziert, um bei Notfallsituationen schneller eingreifen zu können. Die Leitstelle ist 24 Stunden an sieben Tagen besetzt und koordiniert nicht nur den gesamten Straßenbahnverkehr, sondern auch die beiden Tunnel der B31.

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Um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren, steht die Zentrale rund um die Uhr unter Bewachung.

Anschließend folgen wir Hildebrandt in die Werkstatt. Die Halle ist riesig, mehrere Straßenbahnen schweben gleichzeitig in der Luft. Beim genaueren Hinschauen wird mir klar, dass nur die äußere Hülle aufgebockt wurde. Die gesamte Elektronik hingegen erstreckt sich vor mir auf dem Boden. Ich gehe näher heran, bestaune die Einzelteile und merke: ich stehe grad unter 50 Tonnen Leergewicht. Mit einem mulmigen Gefühl stolpere ich zurück und fühle mich gleich besser, als ich das Dach der Halle wieder sehen kann.

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Die Bahn wird mitsamt den Schienen aufgebockt, dies soll eine Entgleisung verhindern.

Und dann ist es endlich soweit: Wir verlassen das Gebäude und betreten kurz darauf den großen Hof. In lockere Gespräche vertieft, schlendern wir zu den bereitgestellten Straßenbahnen. Sowohl das etwas ältere Modell GT8N sowie die Combino Advanced, eine der barrierefreien Straßenbahnen, stehen majestätisch nebeneinander auf den Gleisen. Das Gefühl der Aufregung steigt, aber die Vorfreude ist größer.

Wir dürfen uns die Straßenbahn aussuchen – ich entscheide mich für die Combino.

Fahrlehrer Volker Ankelin erklärt uns im Schnelldurchgang die Grundregeln rund ums Straßenbahnfahren, bevor sich nach und nach jeder einzelne von uns auf den Fahrersitz niederlassen darf. Zwei Runden über den Betriebshof sind das Ziel. Was Fahrschüler normalerweise in sechs Wochen Fahrschule lernen und anschließend 23 Tage in der Praxis anwenden, versuche ich in fünf Minuten zu verstehen.

Ich nehme auf dem Sitz Platz, der sich automatisch einstellt. Meine Sicht nach außen ist gut, der linke Fuß tritt das Pedal herunter. Meine linke Hand verweilt ruhig an den Sollwertgeber – dem Hebel, der für das Fahren und Bremsen zuständig ist. Mein rechter Arm liegt locker auf der Armlehne mit den vielen Knöpfen. Ich warte auf das Zeichen, losfahren zu dürfen, dann drücke ich den Sollwertgeber erst nach unten und anschließend nach vorne. Die Straßenbahn setzt sich langsam in Bewegung. So weit, so gut.

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chilli Volontärin Jennifer Patrias beim Selbstversuch.

Problematisch wird es eher bei dem sogenannten „Totmannschalter“. Um die Sicherheit von Personal und Kundschaft zu gewährleisten, gibt es auf der Armlehne einen kleinen, unscheinbaren gelben Knopf. Um Stillstand der Bahn zu vermeiden, muss jeder Fahrer alle sechs Sekunden den kleinen Knopf drücken. Alternativ kann auch das Pedal bewegt werden. So weiß die Straßenbahn, dass der Fahrer konzentriert arbeitet. Wird der Knopf nicht gedrückt, stoppt sie automatisch.

Ich versuche mich zu konzentrieren, drücke das Pedal nach unten und fahre mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 10 Kilometern die Schienen entlang. Doch bei all den neuen Vorgaben passiert es mir gleich zwei Mal, dass ich vergesse, den Schalter zu drücken. Die Folge: Die Straßenbahn ruckelt und bleibt stehen.

Kaum habe ich dieses Problem im Griff, gilt mein Augenmerkt der Geschwindigkeit. Vor allem in den Kurven muss ich stark abbremsen und bedenken, dass nicht nur ich um die Ecke möchte, sondern auch 40-Meter-Bahn hinter mir.

Nach zwei kurzen Runden, Anfangsschwierigkeiten und neuer Erkenntnisse, endet meine Fahrt. Und ich weiß ganz genau: Ich freue mich bereits jetzt auf den nächsten Journalistenfahrschultag.

Fotos: © Jennifer Patrias