FT 1844 und PTSV Jahn pochen auf mehr Platz an der Sportachse – der SC hat eigene Pläne Sport | 11.11.2022 | Philip Thomas

Spielfeld der Sportachse Ost

Am 30. Juni 2023 läuft der Pachtvertrag für das Dreisam­stadion aus. Sowohl die FT 1844 als auch der PTSV Jahn können den Platz an der Sportachse Ost gut gebrauchen: Mehr als 60 Mannschaften teilen sich dort drei Spielfelder. Der SC Freiburg plant derweil ein Kompetenzzentrum und einen Kunstrasenplatz auf dem Gelände. Neben der U23 trainieren mittlerweile auch die Damen an der Dreisam. Direkt nach unserer Veröffentlichung hat das Rathaus heute eine Pressemitteilung zum Thema Nachnutzung des Stadions verschickt (am Ende des Artikels zu finden).

Die Freiburger Turnerschaft von 1844 (FT) ist einer der größten Sportvereine in Südbaden. Viele der knapp 6800 Mitglieder stehen sich an Freiburgs Sportachse Ost allerdings auf den Füßen: Mehr als 700 Athlet·innen teilen sich dort einen einzigen Rasenplatz. „Das sind 23 Mannschaften“, erklärt FT-Geschäftsführer Peter Gerspach. Zeitweise trainierten darauf zusammen vier Fußball- und American-Football-Teams. „Das ist eindeutig zu viel“, betont der 33-Jährige.

Das Grün halte der Dauerbelastung geradeso stand. Um den Rasen zu schonen, gibt die FT regelmäßig Heimspielrechte ab. Regnet es, wird Training abgeblasen. „Wir sind da rigoros“, sagt Gerspach. Die Fußball-C-Jugend der FT trainiert deswegen bereits in Ebnet und Kappel. Die einzige Ausweichmöglichkeit für den Rest der Spielerschaft ist ein Hockey-Kunstrasenplatz an der Achse. Darauf tummeln sich laut Gerspach allerdings auch insgesamt 400 Sportler·innen. „Der Unmut im Verein ist riesig“, betont der Geschäftsführer. Der Ärger zahlreicher Eltern entlade sich bei den Ehrenamtlichen des Vereins: „Die bekommen das ab.“

Bereits 2016 habe sich die FT 1844 we­gen Platzproblemen an das ­Freiburger Rathaus gewendet: „Wir wussten, wohin es bei uns geht, und haben bei der Stadt angemeldet, dass wir Flächen brauchen.“ Die Rückmeldung der damaligen Administration war laut Gerspach positiv – schließlich könnte dem großen Nachbarn SC Freiburg bald ein neues Stadion samt Trainingsflächen hingestellt werden. Das Gelände an der Dreisam, das der Stadt gehört, könnte dann zugänglich werden. „Der Breitensport wird bei der Nachnutzung des Geländes berücksichtigt. So war der Sprachgebrauch“, erinnert sich Gerspach.

Auch der PTSV Jahn mit rund 2400 Mitgliedern in 14 Sportabteilungen for­dert seit Jahren mehr Platz an der Sport­achse. Aktuell zählt das PTSV-Vereinsgelände an der Schwarzwaldstraße neben sechs Tennis- sowie Beachvolleyball­feldern, einer Tartanbahn mit mehreren Leichtathletikanlagen sowie Gaststätte und Kraftraum drei Ballspielfelder. Auf dem Rasenplatz trainieren die Kleinsten der PTSV, die Jugendmannschaften Fußball, Lacrosse sowie Leichtathletik – unter anderem Speerwurf.

Auf den beiden Kunstrasenplätzen proben laut PTSV-Geschäftsführer Ralf Kurz wöchentlich 36 Fußballmannschaften, zwei Lacrosse-Teams und zwei Ultimate Frisbee-Einheiten. Das macht 40 Mannschaften mit 71 Trainingszeiten. Mehr als 500 Kinder und Jugendliche wuseln jede Woche auf den beiden Kunstplätzen. „Es ist offensichtlich, dass die Plätze bei weitem nicht ausreichen, um unseren Bedarf zu decken“, betont der 60-Jährige. Keiner Mannschaft stehe im Training ein ganzer Platz zur Verfügung. Im Schnitt trainieren zweieinhalb Teams pro Platz gleichzeitig.

2 Plätze für mehr als 500 Sportler

Auch Kurz erinnert sich an positive Gespräche mit der Stadtverwaltung: Sollte ein neues Fußballstadion gebaut werden, werde das alte abgerissen. Der dadurch entstehende Platz solle von Breitensportvereinen genutzt werden. „Das wurde uns von der Stadt Freiburg zugesagt“, betont auch Kurz. Rathaussprecher Toni Klein stellt klar: „Wir haben in der Vergangenheit immer wieder betont, dass die Belange der Breitensportvereine mit berücksichtigt werden sollen. Es gab aber keine konkreten Zusicherungen.“

Auch ein Abriss des Dreisamstadions stand im Falle einer neuen Arena zur Debatte. „Als das neue Stadion fertig war, sprach niemand mehr von einem Abriss des alten Stadions, sondern nur noch von einem Rückbau der Tribünen, um ein wenig Platz für neue Sportflächen zu schaffen“, so Kurz. Aus dem Parkplatz auf der Westseite des Stadions möchte der Bundesligist einen Kunstrasenplatz machen. Auf diesen meldet FT-Geschäftsführer Gerspach gar keine Ansprüche. „Wir sind nicht vom Mond“, sagt er.

Offensichtlich möchte sich der SC Freiburg vom liebgewonnenen Dreisam­gelände nämlich nicht trennen, hält sich auf chilli-Anfragen aber bedeckt. Sicher ist, dass die neuen Trainingsplätze am Wolfswinkel der ersten Mannschaft des SC Freiburg vorbehalten sind: Zwei Trainingsfelder und zwei Torwartfelder hat das Streich-Team dort für sich. Für Bundesliga-Verhältnisse ist das knapp kalkuliert: Zwei Plätze sind die Mindestanforderung der Deutschen Fußball Liga (DFL).

Seit dem Umzug trägt die U23-Mannschaft des SC ihre Heimspiele im Dreisamstadion aus. Seit Dezember spielen dort auch die vier Frauenteams des Vereins. Im Februar dieses Jahres zogen die Kickerinnen, die sich zuvor im Schönbergstadion an der Wiesentalstraße vorbereiteten, auch an die Trainingsplätze an der Sportachse. Der attraktivere Standort soll laut Sportvorstand Jochen Saier die zahlreichen Abgänge der SC-Frauen zur Konkurrenz mindern.

Und auch für die Abteilung Gesellschaftliches Engagement möchte der SC Freiburg am Dreisamstadion eine Bleibe finden. Angedacht ist dort seitens SC außerdem ein Fortbildungs- und Kompetenzzentrum. Kurz spricht von „schleichender Inbesitznahme des Stadions und des umliegenden Geländes“.

Kinder auf dem Trainingsgelände der Freiburger Turnerschaft 1844

Dicht an dicht: Auf dem Trainingsgelände der Freiburger Turnerschaft 1844 wirds eng.

Die Stadtverwaltung hat die umliegenden Vereine gebeten, Verständnis für die Bedürfnisse des SCF aufzubringen. Das Entgegenkommen der beiden Breitensportvereine ist in Gemeinderatsdrucksachen aktenkundig. Laut Beschlussvorlage aus dem Februar wurden die beiden Vertragsverlängerungen mit den angrenzenden Vereinen abgeklärt.

Diese stellen demnach ihre Bedarfe auf Flächen auf dem Trainingsgelände des Dreisamstadions zurück – wohlgemerkt für die Dauer der Vertragsverlängerung. Zweimal wurde der Pachtvertrag für das Dreisamstadion durch den Gemeinderat wegen Bauverzögerungen sowie rechtlicher Querelen um Spielzeiten bereits verlängert. Zuletzt bis zum 30. Juni 2023.

Sollten die Nutzungsrechte des Geländes alleinig an den SCF gehen, trainieren dort im Falle des Parkplatzumbaus sechs bis acht Teams auf zwei Plätzen. Auf den drei Plätzen daneben sporteln dann mehr als 60 Mannschaften von FT und PTSV. „Wir hoffen, dass die Einsicht herrscht, dass Sport nicht nur Fußball bedeutet“, sagt Kurz und verweist auf die Lacrosse-Bundesligamannschaft und den aktuellen Deutschen Meister im Ultimate Frisbee des PTSV Jahn. Auch die FT 1844 hat Profi-Kader in ihren Reihen.

Beide Breitensportclubs haben Kompromissbereitschaft gegenüber Stadt und SC signalisiert. Bereits die gemeinsame Nutzung eines weiteren Platzes am Dreisamstadion würde beide Vereine enorm entlasten. Gerspach: „FT und PTSV brauchen gemeinsam zusätzlich 20 Stunden pro Woche – von 18 bis 22 Uhr – auf dem Stadiongelände. Das ist das Mindeste.“

Bislang existiert am Dreisamstadion außerhalb der Tribünen nur ein Trainingsplatz und ein Torwartrasen. Gerspach sieht noch Raum auf dem Gelände. Würde die Nordtribüne des Dreisamstadions – der ehemalige Stammplatz der eingefleischtesten SC-Fans – rückgebaut, könne dort ein kleinerer Sportplatz entstehen. Dieser wäre nicht DIN-konform, würde der FT aber als zusätzliche Trainingsmöglichkeit reichen.

„20 Stunden pro Woche ist das Mindeste“

Laut Gemeinderat-Drucksache aus dem Frühjahr 2021 wird die Neuaufstellung der Sportachse Ost „mit offenem Ausgang behandelt“. Der Prozess schließe die Bedarfe aller anliegenden Vereine und Verbände ein – ebenso wie den Profi- und Breitensport des SCF. Der Bedarf scheint da: Eine für das Freiburger Sportdezernat im November 2021 in Auftrag gegebene Umfrage mit 318 Teilnehmer·innen, deren Ergebnis dem chilli Magazin vorliegt, zeigt, dass Freiburger·innen an der Sportachse Ost vor allem Schwimmbäder sowie Anlagen für Roll-, Eis- und Kraftsport wünschen.

Am 6. Dezember steht das Thema auf der Tagesordnung des Freiburger Gemeinderats. Laut Rathaussprecher Klein wird die „Favoritenfrage“ dann entschieden. Der SC Freiburg könnte dann gerade auf einem Champions-League-Platz überwintern. Noch vor der im WM-Jahr vorgezogenen Winterpause, Mitte November, ist eine Pressekonferenz mit Sportbürgermeister Stefan Breiter, der FT, dem PTSV Jahn sowie SCF anberaumt. Die Leiterin des Freiburger Sportreferats, Ulrike Hegar, weiß um die schwierige Situation. Für den Sport gebe es in Freiburg zu wenig Flächen. Die Ausrichtung der Achse Ost sei daher eine Gratwanderung. Am Ende werde es wohl auch jemanden geben, der nicht zufrieden ist.

FT-Boss Gerspach ist zuversichtlich, dass Freiburgs Gremien den Breitensport nicht vergessen. PTSV-Geschäftsführer Kurz ist weniger optimistisch – und fürchtet vollendete Tatsachen. Für einen anschließenden Gang durch die Gerichte fehle die gesetzliche Grundlage. Kurz spekuliert allerdings, dass sich eine SC-Bevorzugung in den nächsten Freiburger Kommunalwahlen 2024 niederschlagen könnte. Zusammen kommen FT und PTSV auf rund 10.000 Mitglieder. Kurz lässt durchblicken: „Das ist ein hübsches Kontingent an Wählerstimmen.“

Update vom 11. November 2022, 16 Uhr.

Soeben hat das Freiburger Rathaus folgende Pressemitteilung herausgegeben:

Groß-Thema Sportachse Ost Nachnutzung Dreisamstadion

Fotos: © Neithard Schleier, Kilian Kreb