Kult und Kampf: Freiburgs drei letzte Plattenläden STADTGEPLAUDER | 24.03.2018 | Till Neumann

„Das lohnt sich nicht mehr.“ So fasst Frithjof Doderer Anfang Februar das Aus seines Plattenladens „Maikäfer“ in Worte. Drei Vinylshops gibt es nun noch in Freiburg. Jeder setzt auf ein eigenes Konzept. In einem ist man sich jedoch einig: Im MP3-Zeitalter kommt man nur gemeinsam über die Runden (mit chilli-Bildergalerie).  

„Die Kurve ging langsam bergab“, sagt Frithjof Doderer. Der 72-Jährige steht an der „Maikäfer“-Kasse und verscherbelt die Reste seines Bestands. Der Laden unweit vom Schwabentor erinnert an vergangene Zeiten: Gebrauchte CDs stehen neben staubigen Videokassetten, daneben bleischwere Hifi-Geräte. Seine Schallplatten ist Doderer beim Ausverkauf auf einen Schlag losgeworden: Waldemar Seifert vom Record Store hat ihm rund 10.000 Scheiben abgekauft.  

Rentiert sich das Geschäft also doch noch? „Davon kann man leben, mein Laden steht exzellent da“, erzählt Seifert. Er ist Mitte Februar von der Gerberau 2 in die Gerbeau 6 gezogen. Von 20 auf 70 Quadratmeter Fläche ist der Laden gewachsen, erzählt der 62-Jährige zwischen selbstgebauten Holzregalen. Im Hintergrund läuft George Weston, ein von ihm verlegter US-Sänger, der klingt wie Elvis Presley.  

Das Maikäfer-Aus findet Seifert nicht gut. Man müsse zusammenhalten. Deswegen hatte er 2014 den Kollegen der drei anderen Plattenläden vorgeschlagen, einen Flyer zu entwerfen: Alle vier Anbieter auf einen Blick – das sei gut für die Vinyl-Kunden von außerhalb. Ein Grund mehr, nach Freiburg zu kommen. Der Flyer liegt noch heute in den Shops aus.  

Optimistisch: Waldemar Seifert im neu eingerichteten Record Store.

  Jedes Geschäft hat sein Spezialgebiet. Im Record Store sind es Importe, die Seifert von Reisen in die USA mitbringt. Mehrere Tausend Platten verschickt er so von Los Angeles per Schiff nach Deutschland. „Vinyl ist nicht tot“, sagt Seifert. Der Kundenzuspruch sei gestiegen, der Altersdurchschnitt um zwei Jahrzehnte gesunken. Kunden finden bei ihm alles außer Schlager, Volksmusik und Big Bands. 90 Prozent der rund 12.000 LPs im Laden sind Gebrauchtware. Das Angebot will Seifert stetig erweitern – bald sollen 15.000 Platten in seinen Regalen stehen.  

Ein ähnliches Konzept hat der „Mono“ von Gerd Bentheim. In der Gartenstraße 11 bietet der 49-Jährige seit 2005 vor allem gebrauchte LPs an. „Das Geschäft ist schwierig“, sagt er. Das gehe heute allen kleinen Läden so, Leidenschaft sei gefragt. „Es ist ein stetiger Kampf“, sagt Bentheim. Um sich abzuheben, setzt er auf Qualität zu moderaten Preisen. Dafür reinige er Platten aufwendig und wähle sein Repertoire gut aus. Rund 5000 Scheiben stehen in seinen Regalen. Hin und wieder sind echte Raritäten dabei. Seltene Beatles- oder Stonesplatten verkauft er auch mal für 400 Euro. Nur vereinzelt vertreibt er Vinyl im Netz.  

Ganz anders geht das der Flight 13 im Stühlinger an: Rund 80 Prozent des Umsatzes mache man dort mit Online-Versand, berichtet Tobias „Tobi“ Höhn. Er ist einer von sechs Mitarbeitern im Team. Ohne die Mailorder könnte man sich nur bedingt halten, sagt der 35-Jährige in der Sitzecke des gemütlichen Ladens. Die Musikszene treffe sich hier, man pflege Kontakte. Seit 1988 gibt’s das Geschäft von Thomas Haller.  

Mögen es, wenn’s knistert: Tobias Höhn (links) und Danny Neumann vom Flight 13.

  „Vinyl ist eine zweischneidige Sache“, findet Höhn. Auch wenn Platten angesagt sind, müsse man viel tun, um sich zu behaupten. Auch große Elektronikmärkte bieten die schwarzen Scheiben an – neben Waschmaschinen und Toastern. So setzt das Flight-Team auf einen aufwendigen Newsletter mit persönlichen Empfehlungen und Veranstaltungen im Laden. Anfang März war eine Prelistening-Session zum neuen Jack White-Album. Etwa 10.000 Platten stehen in den Regalen. Weitere 15.000 gibt’s per Versand.  

Nichts geht über persönliche Beratung und das Stöbern vor Ort, sagen die Plattendealer der Stadt. Vinyl sei was zum Anfassen und ein Lebensgefühl. Oft ist die Rede vom Boom, als Verkäufer spüre man davon wenig, fasst Tobias Höhn zusammen. Für Gerd Bentheim steht fest: Um zu überleben, muss man sich drehen und wenden – wie eine Platte. Sonst wird’s still.    

Gefüllte Regale: Auch der „Mono“ in der Freiburger Innenstadt bietet zahlreiche Vinyl an.

Fotos: Till Neumann