Segeln für die Seele: Michael Oertel will mit Debütalbum Wellen schlagen STADTGEPLAUDER | 27.03.2018 | Till Neumann

So smooth wie möglich. Mit dem Satz beschreibt Michael Oertel seine Musik. Der 29 Jahre alte Freiburger setzt auf leise Töne, Laidback-Tracks und feinfühlige Texte. Anfang März ist sein Debütalbum „Soul Sailor“ erschienen. Im Proberaum erzählt der Blues-Folk-Pop-Musiker, warum die Produktion eine gefühlte Ewigkeit gedauert hat und er gerne mal in Sydney spielen würde.

Ein Mann. Eine Sonnenbrille. So präsentiert sich Michael „Michi“ Oertel auf dem Cover seiner Platte. Nachdenklich wirkt das, in sich ruhend. Die zehn Tracks des Albums fassen das in Töne: bluesig-folkige Gitarren, entspannte Keys, Selbstreflektion. Musik ist für den Freiburger eine spirituelle Sache. „Was sonst?“, sagt er und lacht.

Wie er Gefühle und Emotionen erzeugen kann, hat Oertel in den vergangenen Jahren intensiv erprobt. Kaum ein Musiker ist in der Region so oft zu sehen wie er. Mit Gitarre und Band spielt er Bühne für Bühne, probiert Songs aus, feilt an Ideen. Schon vor rund einem Jahr stand das Release seines Erstlings im Raum, doch Fans mussten sich gedulden.

„Ich habe kein Millionenbudget“, sagt Oertel beim Besuch in seinem Proberaum in Kappel-Grafenhausen. Ohne großes Geld müsse man eben kleine Schritte machen. Seine Musiker hätten auch andere Engagements. Nicht jeder sei bei „Freundschaftsdiensten“ immer verfügbar. Zudem wollte sich Oertel Zeit nehmen, die Lieder reifen lassen, selbst wachsen. So sind die Tracks der Platte schon drei, vier Jahre alt. Doch Oertel strahlt: „Ich bin happy, die Songs machen was mit mir.“ Sein Gitarrist Ralph Küker ist überzeugt: „Das wird vielen gefallen.“

So offensiv würde der Bandleader das nicht formulieren. Zu bescheiden ist Oertel. „Mein Talent ist hier unten, die Vision da oben“, fasst er zusammen und unterstreicht den Abstand mit einer Handbewegung. Dabei halten nicht wenige große Stücke auf ihn. So auch die Freiburger Blues-­Koryphäe Tino Gonzales. Der 67-jährige Produzent hat Oertel vor rund acht Jahren zum ersten Mal spielen sehen. Seine Reaktion: „Wow, was ein Talent.“ Über die Jahre wurde er Mentor und Weggefährte des Gitarristen. Und stand ihm für „Soul Sailor“ mit Rat und Tat zur Seite.

„Michi is very honest“, betont Gonzales. Neben der Ehrlichkeit schätzt er dessen Virtuosität und Lernfähigkeit. Jetzt, wo das Album da sei, müsse der junge Musiker sich um die Vermarktung kümmern: „It’s publicity now“, betont Gonzales. Oertel weiß, dass er eine Schippe zulegen muss. Zurzeit schaut er sich nach Management und Bookern um. In Sachen Öffentlichkeitsarbeit gibt es Aktivere als ihn. Ein professionelles Video zum Album gab es bisher nicht.

Wichtiger ist Oertel die Balance. „Manchmal musste Tino mich antreiben, dann wieder abbremsen“, sagt er. Er wisse nicht, ob er die goldene Mitte wirklich gefunden hat, es gehe ihm aber gut. Mit diesem Gleichgewicht möchte er sich an die Vermarktung machen: „Ich will mehr ins Business kommen“, sagt der Mann mit dem Fünftagebart. Überregionale Einladungen wären toll, mit den Bandkollegen pushe man sich gegenseitig. Er sei aber vor allem dankbar, schon so weit gekommen zu sein.

Der gebürtige Tuttlinger ist Autodidakt. Nach dem Abi schmiss er erst ein Informatikstudium in Karlsruhe, dann ein Ethnologiestudium in Freiburg. Die Gitarre war wichtiger. Die Eltern meinten, er solle was Gescheites machen. Er wollte jedoch morgens nicht aufwachen und sich sagen: „Wäre ich doch Musiker geworden.“ Eine Weile hielt er sich mit Nebenjobs über Wasser, arbeitete als Hausmeister in der Jazz- und Rockschule Freiburg. Seit rund zwei Jahren verdient er genug, um sich voll auf die Musik zu konzentrieren. In Freiburg fühlt sich dafür bestens aufgehoben: Hier könne er regelmäßig spielen und werde bezahlt. In Berlin sei das nicht möglich.

Auch Blues-Radiomacher Arne Bicker und die Blues Association helfen ihm dabei. „Das war meine erste Anlaufstelle hier in Freiburg“, erinnert sich Oertel. So lernte er Bassist Lukas Steinmeyer kennen, der noch immer für ihn spielt.

Hübsche Tramperin aus der Ukraine inspiriert ihn

Seine Musik passe in keine Schubladen – oder in viele, findet Oertel. Er mache Pop, Blues, Funk, Soul, Folk. Facettenreich zu sein, ist ihm wichtig. Genau wie Tiefgang: Der Titeltrack Soul Sailor erzählt von seiner Selbstsuche auf hoher See, „Natasha“ widmet er einer „reizenden Dame aus der Ostukraine“, die er einst als Tramperin in Italien mitnahm, und „City Lights“ beschreibt Entschleunigung und Zufriedenheit. Die stärkste Message schickt er mit dem Slow-Down-Track „Hope Love will find me“ in die Welt hinaus. Ein Appell für mehr Liebe und Zusammenhalt.

Hätte er die Wahl, würde Michi Oertel gerne mal im Sydney Opera House spielen. Wegen der Location, aber auch wegen Australien. Da war er drei Mal und ist begeistert: Man kann am Strand einfach ein bisschen laufen, schon ist man alleine.

Von dort aus könnte er auch in See stechen. Segeln für die ­Seele. Wohin es geht, entscheidet der Wind.

Verlosung

Michael Oertel feiert am Freitag, 13. April, Releaseparty im Kulturaggregat. Dafür verlost das chilli drei „Soul Sailor“-Alben. Wer gewinnen will, schickt bis zum 2. April eine Mail mit dem Betreff „Soul Sailor“ an redaktion@chilli-freiburg.de. Die Gewinner werden per Mail benachrichtigt.

Foto: © David Hulik