Wegen Netflix und Amazon: Gucken Freiburgs Kinomacher bald in die Röhre? STADTGEPLAUDER | 20.06.2018 | Philip Thomas

Mit jährlich über fünf Besuchen pro Kopf ist Freiburg Kinohauptstadt. Aber auch Streaming-Angebote locken immer mehr Filmfans. Fällt für die Freiburger Lichtspielhäuser bald der Vorhang?

Netflix und Amazon haben Sehgewohnheiten verändert und gehen zum Kino auf Konfrontationskurs: Acht Milliarden Dollar investiert Netflix in diesem Jahr in Produktionen, die nicht im Kinosessel, sondern nur auf der Couch zu sehen sein werden. Die Filmbranche in Cannes hat schon reagiert und setzt Filme des Streaming-Giganten vor die Pforte.

Für den Preis einer Kinokarte bieten Netflix und Co. einen Monat lang unzählige Filme und Serien. Koki-Leiterin Neriman Bayram spürt davon aber wenig: „Freiburg ist kinobegeistert. Ich stelle das immer wieder fest, wenn ich mich mit Kollegen im Bundesgebiet austausche.“ Der Mehrwert liegt für die 51-Jährige auf der Hand: „Kino bietet Gemeinschaftlichkeit ohne Ablenkung. Es schult Wahrnehmung und ist unglaublich wichtig für das Seherlebnis.“

Das KoKi setzt seine Filme mit anderen Medien wie Musik oder Kunstausstellungen in einen Kontext. „Das kann Netflix nicht bieten“, sagt Bayram. Es sei auch nicht der erste Ausruf der Kino-Krise: „Als in den 80ern die VHS-Kassette aufkam, wurde bereits das große Kinosterben prophezeit“, amüsiert sie sich. Auf VHS folgte DVD. Und bald darauf Streaming: Betrug der Umsatz mit den silbernen Scheiben in Deutschland 2004 noch 1,3 Milliarden Euro, waren es 2017 nur noch 610 Millionen. „Es ist eher so, dass Streaming die DVD verdrängt, nicht das Kino“, sagt Ludwig Ammann, einer der Geschäftsführer der Kinos Harmonie, Friedrichsbau und Kandelhof.

Das Konkurrenzverhältnis zwischen Netflix und Kino gibt es dennoch – aber auf einer ganz anderen Bühne: „Es werden gute Autoren weggekauft“, sagt der 56-Jährige, „und es gibt Filme, da muss man froh sein, wenn ein Major wie Fox die Filme kauft und dann ins Kino bringt.“

Kleines Kulturzentrum: Das Kommunale Kino in der Wiehre

Die Kinos brauchen neben dem Kartenverkauf auch andere Einnahmen. „Überspitzt formuliert ist ein Multiplexkino eigentlich ein Gastrobetrieb“, sagt Ammann. Mit Popcorn und XXL-Cola sei man zusätzlich zur Kinokarte schnell 7,50 Euro los. „Bei uns im Kandelhof liegt dieser Betrag nur bei 80 Cent, XXL will bei uns niemand.“ Nastassja Schön, Leiterin des Freiburger Cinemaxx, legt gerade darauf großen Wert: „Service muss an den Gewohnheiten, Bedürfnissen und Interessen der Konsumenten ausgerichtet sein.“ Weniger auskunftsfreudig ist sie bei den Besucherzahlen.

Ammann hat damit kein Problem. In den letzten sechs Jahren hätten sich in seinen drei Kinos im Schnitt 400.000 Besucher in die Sessel gesetzt. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass sich Freiburger vom Kino abwenden: „Streamingdienste stehen in Konkurrenz zum Fernsehen, nicht zu uns.“ Ein entscheidender Indikator sei die Zahl der Leinwände, die im Bundesgebiet seit 2013 um 193 auf 4803 angestiegen ist.

Allerdings schätzen auch er und Bayram den Komfort, den Filmverleiher bieten und nutzen eine Art Netflix speziell für Kinobetreiber: Beide bekommen von den Verleihern spezielle Links zugeschickt, mit denen sie sich Filme vor einem Kinostart ansehen können. „Das hat vieles vereinfacht“, sagt Bayram. Ein Ersatz ist das für Ammann nicht: „Wenn ich etwas wirklich sehen will, sehe ich’s bei mir im Kino.“

Im Gegensatz zu Ammann und Bayram hat Cinemaxx-Chefin Schön ein Netflix-Abo. Das schließt sich nicht aus: Nach einer aktuellen Studie der Filmförderungsanstalt FAA gehen Netflix-Nutzer überdurchschnittlich oft ins Kino.

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