Ein steiles Stück Schwarzwald: Das Glottertal Freiburg geht aus | 11.04.2019 | Anita Fertl

Eine Schwarzwaldlandschaft mit sattgrünen Matten und dunklen Wäldern, gefaltet in Berg und Tal, mittendrin eine prächtige Klinik, gezeigt in schwindelerregender Kamerafahrt aus allen Winkeln – diese Schwarzwaldklinik-Szenerie machte das Glottertal in den 1980er-Jahren weltberühmt. Den Ort aber darauf zu reduzieren, ist fast schon frech.

Zugegeben: Natürlich ist es vor allem die Landschaft, die das 14 Kilometer nördlich von Freiburg liegende Glottertal auszeichnet. Am Übergang vom mittleren zum südlichen Schwarzwald zieht sich das Tal acht Kilometer weit ostwärts bis in luftige Berghöhen, Ausläufer des 1241 Meter hohen Kandels. Diese vielfältige Landschaft lässt sich am besten aktiv erleben, sei es per Rad oder mit gut geschnürten Wanderschuhen.

Im Ort selbst macht der Entdeckerpfad seinem Namen alle Ehre. Wer die 6,5 Kilometer unter die Sohlen nimmt, bekommt einen genussvollen Glottertal-Crashkurs in Sachen Kultur und Geschichte, Kulinarik und Natur. Karten und Flyer gibt’s auf der Glottertäler Homepage. Als wahres Wanderparadies entpuppt sich die Gemeinde dank eines 100 Kilometer umfassenden Wegenetzes – aussichtsreiche Touren und zünftige Einkehrmöglichkeiten inklusive. Mutige treiben es für (fast) grenzenloses Vergnügen auf die Spitze und segeln mit dem Gleitschirm vom Kandel bis ins Glottertal hinunter. Immer im Blick haben sie dabei das Gemeindegebiet, das sich auf fast 1000 Höhenmeter erstreckt und dessen gut 30 Quadratkilometer für so manche Überraschungen gut sind.

Apropos Überraschung: Am westlichen Taleingang tut sich die erste unweit des Orts­schilds auf: Ein mächtiger Schwarzwaldhof steht dort am Fuße des Hangs, einer wie aus dem Bilderbuch. Anno 1713 wurde der Flammhof erbaut und seit gut 300 Jahren ist der Gebäudegrundriss weitgehend unverändert geblieben. Und noch heute ist das tief heruntergezogene Walmdach in alter Manier mit Reet bedeckt.

Weinberge oder Flammhof – die Sehenswürdigkeiten des Glottertals.

Unter urigem Strohpelz sitzen geranienbehängte Fenster, eine darunter sauber gestapelte Holzbeige macht die Idylle perfekt. Kühe grasen am Hang hinterm Haus, eine feine Stall-Heu-Mischung steigt in die Nase. Der Flammhof ist einer von rund 70 Bauernhöfen, die weit verstreut liegen und bis in idyllische Seitentäler hinein für den Erhalt der Kulturlandschaft sorgen.

Schwarzwald-kultig gibt sich auch der Ort selbst: Sanft plätschert die Glotter, daneben reiht sich ein herausgeputztes Haus an das nächste, mal mit Fachwerk, mal nach Schwarzwälder Art, allesamt mit Blumen vor den Fenstern, und an der ein oder anderen Hausfassade hängt stolz ein Kruzifix. Mitten im Ort reckt die stattliche Blasiuskirche, erbaut 1893 bis 1895 nach den Plänen Max Meckels, ihren Turm weit in den Himmel hinauf. Ein Gang hinein lohnt, alleine schon wegen der prachtvollen drei Altäre im neugotischen Stil.

Und noch etwas fällt beim Bummel durch den Ort auf: die hohe Gasthausdichte. Rund 2000 Sitzplätze stehen in den ortseigenen Gaststätten bereit – eine beachtliche Anzahl für die knapp 3300 Einwohner zählende Gemeinde. „Unsere Schlemmermeile“, nennen die Glottertäler deshalb gerne die Talstraße, denn dort finden sich viele der rund 20 Restaurants, Gasthöfe, Cafés, Vesperstuben und Hofwirtschaften, die teils auf eine jahrhundertealte Tradition blicken können. Diese fußt auch darauf, dass die Glottertäler Wirte früh über den Tellerrand blickten und neben ausgewiesenen Gourmets auch finanzschwache Freiburger Studenten bedienten: Schnitzel samt Weinviertele für gerade mal 2,50 Mark tischten sie damals auf. Legendär ist seither das Studentenschnitzel – und auch die weinselige Radfahrt über die Hügel zurück nach Freiburg.

Ebenfalls alteingesessen ist der Weinbau im Schwarzwaldort, der vermutlich bis in die Römerzeit zurückreicht. Die Tradition wurde im 18. Jahrhundert wiederbelebt. Man mag sich nun verwundert fragen, wie Weinreben und der Schwarzwald zusammenpassen. Diese Frage beantwortet Johannes Huober vom „Roten Bur“, wie sich die Genossenschaft der rund 100 Glottertäler Winzer nennt: „Wir sind in einer begnadeten Situation: Durch den Ober­rheingraben und die Burgundische Pforte strömt tagsüber Warmluft ins Tal. Abends dreht sich der Wind, dann kommt die kalte Luft vom Schwarzwald.“ Das sei gut. Denn: „Ein Weinstock braucht nicht nur Hitze, sondern auch mal nachts wie wir Menschen etwas Kühle zum Durchschnaufen“, erklärt Huober. Außerdem sorgt der Schwarzwald für die nötige Feuchtigkeit: „Der Rebstock hat gerne die Füße im Wasser und das Gesicht in der Sonne.“

Die Glottertäler Weinberge zählen mit rund 500 Höhenmetern nicht nur zu den höchsten, sondern mit bis zu 70 Grad Neigung auch zu den steilsten Weinlagen Deutschlands. Das ist gut für den Wein: „Die extreme Steillage sorgt für direkte Sonneneinstrahlung“, so der Fachmann, der auf Voranmeldung durch den Weinberg führt, Weinproben leitet und Geschichten rund um den „Roten Bur“ preisgibt. Denn August Ganter vom Roteburehof, den alle nur den Roten Bur riefen, war es, der die Toplage 1820 anpflanzte.

Vom Winzerhaus aus sind es nur zwei Kilometer bis zur nächsten Sehenswürdigkeit, die ab 1984 den als „Schwarzwaldklinik“ betitelten Carls­bau weltweit in Millionen Wohnzimmer brachte. Vielen unbekannt sein dürfte aber die Geschichte der ehe­maligen Kureinrichtung Glotterbad, wo ein Katzensprung vom heutigen Carlsbau entfernt ab Mitte des 16. Jahrhunderts lokale Berühmtheiten kurten und schon lange vor der Schwarzwaldklinik einen Hauch von Glamour ins ländliche Tal brachten. Längst sind Professor Brinkmann und Co. wieder abgezogen, und in der Klinik werden heute psychosomatische Leiden behandelt. Doch eines ist geblieben: Die idyllische Szenerie mit ihren urigen Höfen und einer filmreif schönen Schwarzwaldkulisse.

Ortsinfos

Lage: Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, zwischen den Berghöhen des Kandel und des Flaunser; mit dem Auto 20 Minuten von Freiburg
Gründung: Erstmals erwähnt 1112 in einer Güterbeschreibung des Klosters St. Peter
Ortsteile: 1970 wurden die früher selbstständigen Gemeinden Unterglottertal, Oberglottertal, Ohrensbach und Föhrental zur Gemeinde Glottertal zusammengeschlossen.
Bevölkerung: 3281 Einwohner

Fotos: © Tourist-Info Glottertal