Jenseits von Freiburg: Neue archäologische Ausstellung im Colombischlössle Kulturtipp | 01.10.2020 | Julian Bindi

Geschossspitzen aus Rentierknochen

Was hat sich bei Freiburg vor der offiziellen Stadtgründung im Jahr 1120 abgespielt? Dieser Frage geht nun die Ausstellung „Leben vor der Stadt“ im Archäologischen Museum Colombischlössle nach. Die Fundstücke belegen: Schon vor tausenden von Jahren war der südliche Breisgau von Migrationsbewegungen geprägt.

1057 Fundstellen im Umkreis von 15 Kilometern um Freiburg wurden für die Ausstellung ausgewertet, die aussagekräftigsten Stücke befinden sich nun im Museum. Zu den ältesten Fundstücken gehören Geschossspitzen, die in Munzingen ausgegraben wurden. Sie zeigen, dass es sich bei den „ältesten Freiburgern“ um Jäger handelt, die vor 16.000 Jahren auf der Suche nach Rentieren und Wollnashörnern die Gegend durchstreift haben.

„Die Ausstellung ist ein Schaufenster für die regionale Archäologie, dabei geht der Blick auch über Freiburg hinaus, denn die heutigen Stadtgrenzen hat es damals natürlich noch nicht gegeben“, sagt Hans Oelze, der die Ausstellung mit geplant hat. Der Kurator lebt mittlerweile in Freiburg und hat sich während der Planung ausführlich mit seiner Wahlheimat beschäftigt: „In der Ausstellung können die Besucher auch einen persönlichen Bezug zur archäologischen Forschung herstellen. Sie können sehen, wie andere Menschen vor vielen hundert Jahren am eigenen Wohnort gelebt haben.“ Ermöglicht wird das durch eine dreidimensionale Karte des untersuchten Gebietes, die von einem Projektor bestrahlt wird. Durch ein Bedienelement können die Besucher die Besiedlungsetappen der unterschiedlichen Gebiete im Zeitraffer durchlaufen.

Besucher sehen sich die Ausstellung an

Mithilfe von „Projection Mapping“ können die Besucher die Besiedlungsetappen virtuell durchlaufen.

Die Exponate zeigen vor allem: Freiburg war schon immer eine vernetzte Stadt mit weitreichenden Handelsbeziehungen, die auch kulturellen Austausch ermöglichten. Unter den Ausstellungsstücken befinden sich Keramiken aus Marseille oder Rom, die belegen, dass in dem Gebiet Menschen aus vielen Teilen Europas zusammenkamen. „Über alle Zeiten hinweg hat es in der Region Migrationsbewegungen ohne Ende gegeben. Den Rechten möchte ich da entgegensetzen: Ihr beruft euch auf eine Vergangenheit, die es nie gegeben hat“, so Oelze.

Auf die Vermittlung des Wissens legen die Kuratoren großen Wert. Normalerweise vergehen Jahre von der Hebung eines Fundes über die Analyse bis zur Ausstellung. Im Colombischlössle sind die Exponate aktuell: Während in Tiengen auf der Fläche eines geplanten Neubaugebietes noch gegraben wird, liegen die ersten Stücke bereits in der Museumsvitrine. Die in dem Stadtteil entdeckten Spuren jungsteinzeitlicher Siedlungen oder römischen Funde sind durch günstige Bodenverhältnisse im Grabungsgebiet erstaunlich gut erhalten.

Die Kuratoren wollen zeigen, wie Archäologen arbeiten und welchen Beitrag neue Techniken für die Analyse leisten können. Einige der Exponate wurden vor mehr als hundert Jahren aus der Erde geborgen, mit neuen naturwissenschaftlichen Methoden können die Forscher jetzt neue Schlüsse aus ihnen ziehen. So lassen sich beispielsweise Migrationsbewegungen durch sogenannte Strontiumisotopenanalysen rekonstruieren: Die Aufnahme von Strontium geschieht über die Nahrung und ist von der geografischen Lage abhängig. Während der Wachstumsphase wird der Stoff in Knochen und Zähnen gespeichert. Durch die Messung der Konzentration in Skeletten kann grob bestimmt werden, wo ein Mensch aufgewachsen ist.

Oelze ist für die Zukunft der Archäologie optimistisch: „In den letzten Jahren hat es riesige Fortschritte gegeben. Wir können auch durch Objekte, die zuvor schon mehrfach untersucht wurden, viele neue Erkenntnisse gewinnen. Es gibt niemals Stillstand“.

Info

Die Begehung der Ausstellung ist virtuell oder vor Ort möglich. Ein Hygienekonzept wurde bei der Planung der Ausstellung berücksichtigt.