Farbe Wird Licht – Textilkünstlerin Isabelle Wiessler Kunst & Kultur | 15.04.2025 | Kornelia Stinn

Sphere I Sphere I

Es sind diese exakten Stepplinien, die die Arbeiten der Künstlerin Isabelle Wiessler auf den Punkt bringen. Sie verwendet dabei die Technik des Quiltens, traditionell bei Patchwork-­Arbeiten eingesetzt. In ihren Werken aber werden Steppstiche zu Lebensadern im Gesicht ihrer Landschaften.

„Quilten“, so erklärt die Künstlerin, „bedeutet, drei Lagen Vliesstoff mit einer weiteren Stoffart auf eine interessante Art und Weise zusammenzusteppen. Für mich ist dabei die Bewegung der Linien, die den späteren Farbauftrag verstärken wird, sehr wichtig. Ich frage mich stets, welches Material mir helfen kann, zu den gewünschten Bewegungs-Strukturen zu kommen.“ Am besten eignen sich Synthetikstoffe. Sie vertragen die Hitze, die nötig ist, um mit dem Bügeleisen oder dem Lötkolben zusammengeschweißt zu werden.

„Sonnenuntergang am Schauinsland“

„Sonnenuntergang am Schauinsland“

Themen aus der Natur

Die zumeist großformatigen Bilder im für Besucher offenen Staufener Atelier der Französin laden ein, sich darin zu versenken. Ihre Themen schöpft die schlanke, lebensfrohe Frau aus der Natur. Zu einem ihrer Werke verführte sie ein Sonnenuntergang auf dem Schauinsland (Foto o.r.): Wiessler erzählt: „Ich war fasziniert von diesem Himmel und den Farbbewegungen.“ Sie färbte die obere Stofflage in Orange-Rot ein und setzte die Horizontlinie mit den Steppstichen im unteren Drittel des Bildes an. Mit feinen, kleinen Verzweigungen „spann“ sie die Nähstiche wie ein Netz über die gesamte Bildfläche. Da der Untergrund, auf dem Wiessler ihre geraden Linien, Schwünge und Kreiswirbel mit Steppstich fixiert, aus insgesamt vier Stofflagen besteht, entstehen beim Nähen auf der oberen Stoffschicht winzige „Gräben“ als dritte Bilddimension. Den kleinen Erhöhungen dazwischen haucht sie mit Acrylfarben Leben ein. Immer wieder aufs Neue mag man ihre Bilder betrachten, um das Zusammenspiel von Farben und Strukturen in seiner ganzen Vielfalt zu entdecken. Die von ihr selbst entwickelte Technik, Quilten und Malen zu verbinden, vermittelt sie auch in Kursen.

Strukturen und Formen aus der Natur inspirieren Isabelle Wiessler zu ihren Werken.

Strukturen und Formen aus der Natur inspirieren Isabelle Wiessler zu ihren Werken.

Mit Farben & Formen spielen

Wiessler sagt: „Mein Ziel ist, eine Stimmung zu erzeugen, die den Betrachter berührt.“ So mutet etwa das Bild Surface II an wie Steine, die im Wasser reflektieren . Die Frau mit den roten Locken liebt es, mit Farben und Formen zu spielen. Sie erinnert sich, dass sie bereits als Kind viel und gern gezeichnet hat und mit ihrer Mutter oft in Pariser Museen unterwegs war. Besonders Impressionisten wie Monet hatten es ihr angetan. In ihre Bildserie „Farbe zu Licht“ hat sie wohl diese Erinnerungen eingewoben.

Wer gern in Farben badet, ist in ihrem Atlier genau richtig. Unzählige Maschinenstickgarne, an deren Farbnuancen sich das Auge nicht sattsehen kann, warten auf ihren Einsatz. Isabelle Wiessler lacht: „Sie reichen nicht mal aus. Manchmal sticke ich mit zwei verschiedenen Garnen zugleich, um noch eine weitere Farb-Mischung zu erzielen.“

Mit einer genauen Skizze plant sie ihre Bilder. Die Wirkung eines jeden Quadratzentimeters ist gut durchdacht. Wiessler sagt: „Ich überlasse nichts dem Zufall!“ Aber der Fantasie des Betrachters, der möchte sie viel Raum geben.

 Surface II

Surface II

Atelier-Adresse:
Isabelle Wiessler
Gerbergasse 1
79219 Staufen
isabelle-wiessler.de

Fotos: © Winfried Stinn