Ersatz für sterbende Eschen: Flatterulmen im Südschwarzwald Natur & Umwelt | 02.02.2022 | Erika Weisser

Seit etwa 15 Jahren fallen die Eschenbestände im Schwarzwald zunehmend einer Pilzkrankheit zum Opfer, gegen die es derzeit kein wirksames Mittel gibt. Hoffnungslos ist die Situation indessen nicht: Der vielerorts landschaftsprägende Baum kann durch die ebenfalls gebietsheimische, doch weniger anfällige Flatterulme ersetzt werden. 

Ehe die silbrig schimmernden und an den Rändern dicht bewimperten Samenfrüchte im Frühsommer zu Boden schweben und oft weit vom Stamm geeignetes Gelände zum Auskeimen finden, müssen sie sich von den langen Stielen lösen, die sie mit den Zweigzipfeln verbinden. Und das tun die dicht gebüschelten „Flügelnüsse“ an Tagen mit leichtem Wind mit deutlich hörbarem und auch nicht zu übersehendem Geflatter. 

Flatterulmen heißen deshalb die stattlichen Bäume mit den mächtigen Wurzelwerken und schattenspendenden Kronen, die bei günstigen Bedingungen 700 Jahre alt sowie 35 Meter hoch werden und einem seltenen Schmetterling namens Ulmenzipfelfalter den notwendigen Lebensraum bieten können. Gerne wachsen sie an Bachläufen, auf Uferböschungen und an trockenen Stellen in den Flussauen. 

Ulmenzipfelfalter auf Blühte

Nach Auskunft von Holger Wegner kommen sie „aber auch mit anderen Standorten gut klar“, etwa auf  Weiden, an Hängen oder als Hofbäume. Außerdem halten sie sowohl Überflutungen als auch Trockenheit aus und sind gegen Pilzbefall resistenter als andere Ulmenarten – oder eben die Eschen, die derzeit massiv von einem eingeschleppten Pilz dahingerafft werden, der zunächst die Äste von der Spitze her verdorren und schließlich den ganzen Baum absterben lässt. Da die Flatterulme in Wuchs und Standortansprüchen der Esche vergleichbar sei, eigne sie sich langfristig als Alternative. 

stattliche Ulmen

Wegner ist stellvertretender Geschäftsführer des Naturpark Südschwarzwald e.V. und in dieser Funktion verantwortlich für den Fachbereich Natur und Landschaft und somit auch für das Modellprojekt „Flatterulmen aus dem Südschwarzwald“. Dieses in Kooperation mit dem Landschaftserhaltungsverband (LEV) Breisgau-Hochschwarzwald organisierte und für vier Jahre anberaumte Projekt hat indessen nicht nur das Ziel, dem „dramatischen Eschensterben etwas entgegenzusetzen“. Es geht auch darum, „die heimische Biodiversität“ zu erhalten: Bei der Flatterulme handelt es sich nämlich um eine Baumart, die in den bachbegleitenden Galeriewäldern der Schwarzwaldtäler einst typisch war, heute aber selten geworden ist. Sie soll nun wieder angesiedelt und gezielt vermehrt werden. 

Setzlinge aus der REGIO

Dies, und das sei das „besonders Ökologische“ an der Sache, geschehe jedoch nicht mit importierten, gebietsfremden Jungpflanzen, sondern mit Setzlingen, die aus den Samen der Bäume gezogen werden, die ihre Naturstandorte seit jeher in der REGIO haben. Mit der Forstbaumschule Burger in Zell am Harmersbach, sagt Wegner, sei da „ein sehr kompetenter Partner“ gefunden worden. Im Sommer 2019 begann man hier mit der Anzucht der in Abstimmung mit Forst- und Naturschutzbehörden sowie den Grundeigentümern sorgsam gesammelten Samen; die ersten pflanzbereiten Bäumchen wurden im März 2021 verkauft. 

Knospen des Baumes

Dass das Projekt ausgerechnet 2019 startete, hat nichts damit zu tun, dass die Flatterulme just in jenem Jahr in Deutschland zum Baum des Jahres gekürt wurde. Möglich ist aber schon, dass diese Kampagne auch hierzulande eine breitere Aufmerksamkeit auf diesen in vielerlei Hinsicht ökologisch wertvollen Baum lenkte, der im Zuge von Bach- und Flussbegradigungen und wegen schlechter holzwirtschaftlicher Erträge für lange Zeit fast aus der hiesigen Landschaft verschwand – und damit aus dem Sinn: Wegner räumt ein, dass der Baum auch bei Fachleuten, die sich für den Erhalt seltener Arten und Lebensräume einsetzen, „ein wenig unter dem Radar lief“. Umso mehr freut er sich über diese „regionale Wiederentdeckung“, die „zum Erhalt lebendiger Mischwälder in Zeiten des Klimawandels beitragen“ könne. 

Anfangs waren nur an den nördlichen Zuflüssen zur Dreisam größere Bestände bekannt; weitere Vorkommen wurden ausfindig gemacht und kartiert. Dann wurden unter den Exemplaren, die sich als Spenderbäume eigneten, weiträumig Planen ausgelegt, um möglichst viele der leicht zu verwehenden Samen aufzufangen. 

Inzwischen hat ein Landwirt aus Oberried die ersten Bäumchen gepflanzt, im Dezember 2021 wurden weitere 2500 Setzlinge an Kommunen, Landwirte und Gartenbesitzer verkauft. Die nächste Verkaufsaktion ist im März geplant.

Info

Naturpark Südschwarzwald e.V.
www.naturpark-suedschwarzwald.de

Landschaftserhaltungsverband Breisgau-Hochschwarzwald
www.breisgau-hochschwarzwald.de

Fotos: © Reinhold Treiber