Notfalls Scheine verkleben – Wie sich Banken gegen Geldautomatensprenger wappnen business im Breisgau | 17.07.2023 | Till Neumann

Polizistin fotografiert einen gesprenngten Geldautomaten Gesprengt: Auch Banken in Freiburg rüsten sich gegen solche Attacken.

Banküberfälle sind out. Kriminelle sprengen lieber Geldautomaten oder reißen sie gleich ganz aus der Wand. Freiburg und das Umland sind bisher kein Brennpunkt, aber die Banken sind alarmiert. Und gerade hat es hier geknallt. Aus der Politik kommen scharfe Töne. Auch eine Klebetechnik aus Holland dürfte zum Einsatz kommen.

Statistisch gesehen wird in Deutschland jeden Tag ein Geldautomat gesprengt. Die Meldungen dazu schossen zuletzt wie Pilze aus dem Boden. 2022 war ein Jahr mit Negativrekord: 469 Sprengungen gab es bundesweit. Schon im bisherigen Rekordjahr 2020 knallte es 414 Mal.

Auch Baden-Württemberg kennt solche Attacken: Am 17. Mai knallte es zweimal in einer Bankfiliale in Sulz (Kreis Rottweil). Die Täter sprengten einen Geldautomaten und entkamen. Was dort in den frühen Morgenstunden passierte, kommt auch anderswo im Ländle vor: Zuletzt rumste es in Mannheim, Filderstadt, Lörrach oder Pforzheim. Auch die Regio bleibt nicht unverschont: Am 14. Juni explodierte Sprengstoff am Hauptsitz der Volksbank Markgräflerland im Gewerbepark Breisgau.

Tatort Gewerbepark

Für Freiburg meldet das Polizeipräsidium dennoch: „Eine Zunahme lässt sich nicht erkennen.“ Die Fälle der vergangenen fünf Jahre liegen, so Sprecher Maximilian Gruber, im niedrigen bis mittleren einstelligen Bereich. Auch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) sieht den Breisgau nicht als Hotspot: Sprecher Jürgen Glodek sieht die Fallzahlen hier „auf geringem Niveau“. Die Regionen rund um die Städte Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim, Heilbronn und Stuttgart seien wesentlich stärker betroffen.

Doch die Banken im Breisgau sind alarmiert: „Das ist ein ganz spezielles Thema, in dem einige Dynamik steckt“, sagt Manfred Mayer. Der Pressesprecher der Freiburger Sparkasse berichtet von einer konkreten Gefährdungsanalyse, die gemacht werde. Dabei gelte es, verschiedene Faktoren zu berücksichtigen: „Von Automat zu Automat sind das ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Steht er zum Beispiel in einem Wohngebäude oder nicht?“ Als erste Maßnahme hat die Sparkasse die Automaten nachts ab 23 Uhr geschlossen.

„Nutzen neueste Technologien“

Andernorts werden Standorte komplett dichtgemacht. Die Kreissparkasse Vulkaneifel hat nach einer Sprengung gleich mehrere Automaten abgeriegelt. Das sorgt für verärgerte Kundschaft. Auch Mayer weiß um das Thema: „Die Einschränkungen sind schade für unsere Kunden.“

Bei der Volksbank Freiburg ist das Thema ebenfalls auf dem Tisch: „Wir nutzen neueste Technologien und verwenden verschiedene Sicherheitsmaßnahmen“, erklärt Sonja Raspini von der Pressestelle. Details könne sie nicht nennen, „um potentiellen Tätern keine Anhaltspunkte zu geben“. Fakt ist: Die Öffnungszeiten von Automaten sind nachts schon länger eingeschränkt. Teilweise sind Standorte nachts ganz geschlossen.

Im Freiburger Umland sind die Reaktionen ähnlich: So hat die Sparkasse Markgräflerland am Tag nach der Detonation in ihrem Hauptsitz verkündet, alle Geschäftsstellen, Hauptstellen inklusive SB-Stellen zukünftig zwischen 23 Uhr und 5 Uhr automatisiert zu schließen. Geld abheben wird damit nachts unmöglich. „Grund dafür sind die vermehrt auftretenden Sprengungen, die die Sicherheit der umliegenden Anwohnerinnen und Anwohner gefährden“, informiert Sprecherin Selina Brokatzky.

»Zerstörung von Filialen«

Zusätzlich führten der Vandalismus und Aufbrüche in den SB-Bereichen dazu, die Maßnahme zu ergreifen. Brokatzy: „Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die Täter vermehrt Festsprengstoffe verwenden, die zu einer Zerstörung von Bankfilialen und Geldautomaten führen und dadurch die Sicherheit von Menschen gefährden.“ Oberste Priorität sei, die Sicherheit ihrer Kundinnen und Kunden zu gewährleisten.

Die Zahlen des LKA zeigen den Ernst der Lage: Mitte Mai waren bereits zwölf Bankautomatensprengungen registriert. Nur jeder vierte Fall konnte aufgeklärt werden. Den Schaden schätzt das LKA auf rund 350.000 Euro. Für 2021 sind 25 Sprengungen im Land bekannt. 2022 waren es 34.

Ob Stadt oder ländliche Gegenden stärker betroffen sind, kann das LKA nicht pauschal beantworten. „Grundsätzlich sind Regionen, die nahe an den Autobahnen oder Bundesstraßen liegen“ im Fokus der Täter, erklärt Jürgen Glodek. „Strategisch günstige Fluchtmöglichkeiten spielen hier eine bedeutende Rolle.“ Autobahnnahe Stadtteile könnten daher heimgesucht werden. Die gibt es auch in Freiburg.

Verletzt wurde bei Sprengungen in Deutschland noch niemand. Experten halten das für eine mehr als glückliche Fügung. Auch die Attacke im Gewerbepark Breisgau ging glimpflich aus. Doch auch hier war das fast schon Zufall. Nicht explodierter Sprengstoff musste gezielt gezündet werden.

Abschreckung ist nicht garantiert

Innenminister Thomas Strobl (CDU) macht derweil Druck. Er hat schon im Dezember Hersteller und Betreiber von Bankautomaten aufgefordert, Sicherheitsvorrichtungen wie Einfärbe- und Klebesysteme in den Automaten zu installieren. Im Handelsblatt erklärte er, notfalls Gesetze dazu zu erlassen.

Polizei und Banken intensivieren nun ihre Zusammenarbeit auf Landesebene. Sparkassen, Volksbanken und LKA ließen im April wissen: „Im Kampf gegen skrupellose Geldautomatensprenger müssen wir all unsere Kräfte bündeln.“ Sparkassen und Volksbanken gaben dabei Einblicke, wie sie sich schützen: Zum Einsatz kommen unter anderem Einfärbe-Systeme für Geldscheine. Häufig genutzt werden zudem Videoüberwachung, Abriss- und Erschütterungsmelder und eine Vernebelungstechnik.

Auch eine Verklebetechnik aus den Niederlanden wird wohl demnächst genutzt. Das sei „selbstverständlich“, sagte Joachim Schmalzl, Vorstand des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), dem „Handelsblatt“. Automatensprenger in Freiburg und der Regio dürfen sich also darauf einstellen. Ob es sie abschreckt, ist offen: Laut Handelsblatt nehmen Kriminelle auch bunte Scheine mit. Sie zu verkleben, ist dann die nächste Stufe.

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