Wie im Märchenwald: Wildseemoor bei Kaltenbronn Freizeit in der Regio | 24.08.2022 | Wolfgang Speer

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Das Wildseemoor ist eines der großen Schutzgebiete des Schwarzwaldes und ein Naturerlebnis der besonderen Art. Eine Wanderung auf stillen Wegen und hölzernem Steg bietet faszinierende Einblicke in die artenreiche Vielfalt der wilden Landschaft.

Ausgangspunkt der Wanderung ist der Parkplatz F in Kaltenbronn. Derzeit ist die Anfahrt über die wild-romantische L 76b über das Murgtal von Gernsbach gesperrt, aber die Parkplätze sind weiterhin von BadWildbad/Sprollenhaus erreichbar. Los geht’s auf einer Höhe von 900 Metern zu einer weitgehend ebenen Tour. Hinter dem Infozentrum, noch bevor der Bannwald erreicht ist, zeigen sich im Rotwildgehege Hirsche. Die in der Natur sehr scheuen Tiere lassen sich hier gut beobachten. Das Infozentrum bietet geführte Wanderungen an, um die Tiere in freier Wildbahn zu erleben.

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Sumpfblutauge, hier mit einem Hochmoorbläuling

Wo das Moor die Bannwälder trifft, hat sich eine einzigartige Natur entwickelt. Entlang des ausgeschilderten Wegs zeigen Tafeln, welche besonderen Pflanzen und Tiere diese Hochlage schätzen. So findet zum Beispiel das Auerhuhn rund um den Kaltenbronn in den Schon- und Bannwäldern mit ihren offenen Waldstrukturen und Heidelbeersträuchern einen optimalen Lebensraum. Am Wildsee werden Wanderer allerdings dem scheuen Waldvogel nicht begegnen, eher zufällig auf anderen Wegen im Schonwald. Später weist eine Tafel auf das Vorkommen des Fichtenkreuzschnabels hin. Seine Schnabelspitzen sind gekreuzt, um aus den Zapfen die Samen zu lösen, die ihre einzige Nahrung bilden. Auch Raufußkauz und Sperlingskauz, die kleinste europäische Eulenart, haben hier ihren Lebensraum. In Lichtungen lässt sich vormittags die Höllenotter entdecken. Dabei handelt es sich um die schwarze Variante einer Kreuzotter, die hier ideale Bedingungen vorfindet. Aufmerksame Wanderer entdecken Bergeidechsen und Blindschleichen, ebenso Grasfrosch, Erdkröte, Molche und Salamander.
Kurz vor der Leonhardhütte verlässt der Weg den Bannwald. Hier beginnt ein hölzerner Bohlenweg, der ins Unendliche zu führen scheint. Faszinierende Moorkiefern, auch Spirken genannt, wechseln sich mit Moorbirken ab, sie geben der Landschaft den typischen Charakter. Rechts und links vom Steg wachsen im dunklen, nährstoffarmen Wasser Torfmoose und andere Moorpflanzen.

Eine besondere Stille prägt die Stimmung.

Viel Regen auf der Hochebene aus Buntsandsteinplatten, die den Abfluss des Wassers verhindern – aus diesen Zutaten hat sich im Laufe der Jahrtausende das Wildseemoor zu einem Hochmoor entwickelt. Das mineralsalzarme Regenwasser begünstigt das Wachstum von Torfmoosen, die an der stärksten Stelle bis zu acht Meter dick sein sollen.

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Am idyllischen Wildsee wachsen typische Moorpflanzen wie Wollgras.

Blütenbüschel & Beeren

Nach etwa einer halben Stunde öffnet sich der Blick auf beide Seen, den größeren Wildsee und den kleineren Hornsee. Bänke laden zum Verweilen ein und bieten eine fantastischen Aussicht über das im Sonnenlicht schillernde Wasser. Bis zum Sommer blüht hier das Wollgras mit weißen Blütenbüscheln. Entlang des Wassers schwirren Libellen, zum Beispiel Moosjungfern, Vierflecklibellen und Heidelibellen. Insgesamt sind es 18 verschiedene Arten. Schilder geben Auskunft zur Flora: Besondere Beerensträucher wie zum Beispiel die Moor-, Rausch- und Krähenbeere, aber auch Preiselbeersträucher sind zu finden. Wer am Wasserrand genau hinschaut, sieht den Sonnentau oder das Sumpfblutauge, die Futterpflanze vom Hochmoorbläuling. Typisch für Moore sind Schwinggräser oder das Schmale- und das Scheidige Wollgras. Die artenreiche, wilde Landschaft fasziniert. Intensiv lässt sich hier die Natur genießen. Nach der Pause führt der Pfad zwischen den beiden Mooren weiter Richtung Osten. Alte, knorrige Bäume, die aussehen wie Trolle oder Kobolde, säumen den Weg.

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Der Sonnentau lockt mit glitzernden „Tautropfen“ Insekten an.

Am Ende des Bohlenwegs weist ein Schild zur Grünhütte, eine gute halbe Wegstunde entfernt. Hier warten bodenständige schwäbische Gerichte auf hungrige Wanderer. Später, auf dem Rückweg, zeigt sich das Moorgebiet bei tiefstehender Sonne in eigenartigem Zauber. Im gedämpften Licht des Waldes erscheinen die knorrigen, alten Fichten mit den hellen Flechten wie Sträuße. Totholz und Moos leuchten jetzt intensiv grün, dazu der Duft von modrig-feuchtem Holz – eine Kulisse wie im Märchenwald.

Naturerlebnisweg

Kaltenbronn kein Rundweg!
Kaltenbronn – Leonhardhütte – Wildsee – Gasthaus Grünhütte
Start: Parkplatz F, Kaltenbronn
Länge: ca. 6 km
Auf- und Abstieg: 40 Höhenmeter

Einkehr- Tipp

Waldgaststätte Grünhütte
Seit mehr als 50 Jahren serviert die Familie Schraft in ihrem Ausflugslokal Spezialitäten aus der schwäbischen Küche. Besonders beliebt sind die Heidelbeerpfannkuchen.
Öffnungszeiten: Di.–So., 10–18 Uhr Montag Ruhetag

Foto: © Lars Ortgies, Wolfgang Speer