Wie zuverlässig sind Bauernregeln im Klimawandel? Haus & Garten | 27.01.2021 | Frank von Berger

Wetterwindrad mit Hahn

Das Wetter beeinflusst das Gedeihen im Garten nicht unwesentlich. Um den richtigen Zeitpunkt für Aussaat, Pflanzung und Ernte zu bestimmen, verlassen sich noch heute viele Menschen auf Bauernregeln. Zu Recht?

Seit jeher haben Menschen versucht, dem Phänomen Wetter auf die Spur zu kommen. Neben Naturbeobachtungen, die jeder selbst machen konnte, hatte die Astrologie einst großen Einfluss auf die Wetterprognosen. So mancher Gelehrte meinte, mit Fernrohr und Planetenkarte den Landwirten, Gärtnern und anderen vom Wetter abhängigen Berufsgruppen das Wettergeschehen voraussagen zu können.

Nicht selten allerdings versprachen die Astrologen das Blaue vom Himmel – und dann regnete es in Strömen. Traditionelle Bauernregeln galten deshalb als die zuverlässigeren Wetterorakel. Sie spiegeln, zum besseren Memorieren in Reime gefasst, meteorologische Wahrscheinlichkeiten wider und beruhen auf zum Teil jahrhundertealten Erfahrungswerten. Meistens sind Bauernregeln sogenannte „Wenn-dann-Assoziationen“. Beispielsweise „Wenn’s der Hornung (Februar) gnädig macht, dann bringt der Lenz den Frost bei Nacht“.

Typisch für traditionelle Bauernregeln ist die Verknüpfung vom Auftreten bestimmter Wetterphänomene mit festen Daten, meistens sind das kirchliche Feiertage oder auch Jahreszeiten. Bekannte Bauernregeln sind etwa „Agatha und Dorothee (5. und 6. Februar) sind reich an Schnee“. Fachleute nennen diese Art der Wetterprognose daher auch phänologische Wettervorhersage. Die Phänologie ist die Lehre von den Erscheinungen des jahreszeitlichen Ablaufs in der Pflanzen- und Tierwelt.

Traktor auf Feld

Nicht nur für Landwirte, sondern auch für (Hobby-)Gärtner ein Anhaltspunkt: traditionelle Bauernregeln.

Auch sogenannte Lostage wie der Siebenschläfertag (17. Juni) dienten für Wetterprognosen. Lostage sind Stichtage, an denen aus Erfahrung entscheidende Wetterwechsel eintreten können oder sich Großwetterlagen ankündigen, die für längere Zeit wetterbestimmend sind. „Regnet’s am Siebenschläfertag, es noch sieben Wochen regnen mag“ ist eine der bekanntesten Bauernregeln, die sich an solchen Tagen festmachen.

Erderwärmung macht sich bemerkbar

In der jüngeren Vergangenheit treten immer häufiger extreme Wetterphänomene auf, etwa Starkregen und Überflutungen oder ungewöhnlich lange Hitze- und Trockenperioden. Verursacht werden diese Abweichungen vom bekannten Wettergeschehen – da sind sich die Fachleute einig – durch den von Menschen verursachten Klimawandel.

Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) macht sich die Erderwärmung in Deutschland stärker bemerkbar als im weltweiten Vergleich. Das lässt sich ganz konkret in Zahlen fassen: Seit 1881 hat sich Deutschland um 1,4 Grad erwärmt, international liegt der Wert bei etwas unter einem Grad. Auch wenn das nach nicht viel klingt – für die Natur bedeutet es einen erheblichen Unterschied.

Schneeglöckchen

Schneeglöckchen blühen drei Wochen früher als vor 50 Jahren.

Dass die Trefferquote von vielen Bauernregeln heutzutage äußerst schlecht ist, liegt jedoch nicht nur am Klimawandel, sondern auch daran, dass durch die gregorianische Kalenderreform im Jahr 1582 eine Verschiebung der kirchlichen Gedenktage stattfand. Vorher entstandene Bauernregeln rückten danach um zehn Tage nach vorn. Zudem gelten Bauernregeln, etwa aus dem Voralpenland, aufgrund der speziellen Klimabedingungen eben nur für dort und nicht für die norddeutsche Tiefebene oder das Oberrheingebiet mit seinem eher wintermilden Klima.

Pflanzen dürfen vor den Eisheiligen raus

Was heißt das nun für die Gärtner und Landwirte? Nehmen wir als Beispiel die Eisheiligen Mitte Mai, die zu den bekanntesten Heiligentagen gehören: „Pankrazi, Servazi, Bonifazi sind drei frostige Bazi, und zum Schluss fehlt nie die kalte Sophie.“ Bisher hieß es, dass man empfindliche Pflanzen wie Sommerblumen, Tomaten oder mediterrane Kübelpflanzen erst nach den Eisheiligen ins Freie bringen sollte. Mittlerweile können zarte Gewächse aber oft schon einige Wochen früher nach draußen. Im Zweifelsfall sollte man also besser dem aktuellen Wetterbericht vertrauen als den Bauernregeln. Drohen doch einmal plötzlich späte Nachtfröste, können die Kulturen kurzzeitig mit Vlies geschützt und Kübelpflanzen noch einmal in die Garage geräumt werden.

Durch die kontinuierlich steigenden Temperaturen hat sich die Häufigkeit bestimmter Großwetterlagen verändert und die Vegetationsperiode ist deutlich länger als noch vor 50 Jahren. Frühlingsblüher wie Schneeglöckchen oder Forsythien blühen jetzt im Schnitt drei Wochen eher als vor einem halben Jahrhundert.

Der frühere Saisonstart macht sich auch beim Austrieb von Laubgehölzen, Reben sowie bei der Obstbaumblüte bemerkbar. Gärtnern und Landwirten bereitet das mehr Sorgen als Freude, denn durch plötzlich auftretende Kaltluftströmungen, die in unserer Region manchmal bis in den Mai vorkommen, können die jungen Triebe und zarten Blüten zerstört werden. Dies geschah beispielsweise im April 2018. Die Apfelbäume standen bereits recht früh in voller Blüte, als einige strenge Frostnächte hintereinander mancherorts für einen fast kompletten Ausfall der Apfel-
ernte sorgten.

Apfelblüte

Auch die Obstbaumblüte ist zeitiger – das kann negative Konsequenzen haben.

Im Frühjahr 2020 erwischte der Spätfrost den verfrühten Austrieb mancher Laubbäume, so geschehen bei den Rotbuchen auf dem Kandelberg bei Waldkirch. Ebenfalls eine Folge der Klimaerwärmung ist übrigens die Tatsache, dass sich die Erntezeiten von Getreide, Wein und Gartenfrüchten verfrühen. Plötzlich fällt die Zwetschgenernte mitten in die Urlaubszeit im Sommer, und die Weinlese beginnt statt im September bereits Mitte August. Mancherorten blühen die Geranien auf dem Balkon inzwischen bis weit in den Januar hinein, bevor der erste strenge Winterfrost ihnen den Garaus macht.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass man kurzfristigen Naturbeobachtungen und entsprechenden Ableitungen wie „Abendrot – Schönwetterbot“ oder „Wenn die Schwalben niedrig fliegen, werden wir bald Regen kriegen“ nach wie vor Glauben schenken darf. Jahresvorhersagen, wie sie in vielen Bauernregeln vorkommen, werden durch den Klimawandel und den Temperaturanstieg jedoch immer ungenauer und weniger verlässlich. Trotz Klimawandel und den aus vielerlei Gründen inzwischen unbeständigen Bauernregeln bleibt dennoch zu hoffen, dass dieses Gartenjahr erfolgreich verläuft. Zyniker können sich indes entspannt zurücklehnen und erklären, dass eine Bauernregel auf jeden Fall gilt: „Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter – oder es bleibt, wie es ist.“

Fotos: © iStock/Digoarpi, Frank von Berger