Auf Sicht fahren: „Eye Captain“ entwickelt Sehsteuerung für Rollstühle STADTGEPLAUDER | 26.07.2018 | Till Neumann

Den Rollstuhl mit den Augen steuern? Das ist möglich. Vier Freiburger arbeiten an der Technik und ihrer Vermarktung. Als „Eye Captain“ wollen sie eine Firma gründen – und die Sehsteuerung für jedermann zugänglich machen. Die Demonstration des Prototypen ist verblüffend.

Ein winziger weißer Rollstuhl rollt langsam über den Holztisch. Etwa so groß wie eine Coladose. Im Inneren sind Kabel, ein Akku und ein Empfänger. Gesteuert wird der Prototyp von Markus Hörmann (2.v.r.). Der 29-Jährige sitzt am Tisch vor seinem Laptop und schaut gebannt auf den Bildschirm. Blickt er nach oben, fährt der Rollstuhl geradeaus. Senkt er den Blick, geht’s rückwärts. Auch links und rechts fahren funktioniert so.

Was magisch wirkt, ist technisch erklärbar: Am unteren Bildschirmrand des Laptops liegt eine schwarze Leiste – ein Eyetracker. „Er misst die Reflektion der Pupillen“, erklärt Hörmann. Mit Infrarotstrahlen und einer Kamera wird erfasst, was im Auge des Betrachters passiert.

„Neu ist das nicht“, sagt der angehende Psychologe. Bei Videospielen werden Eyetracker eingesetzt oder bei Marktforschungsanalysen, um herauszufinden, wie Internetseiten betrachtet werden. Hörmann kennt sich damit gut aus: Er schreibt an seiner Doktorarbeit über Eyetracking. Die Idee zum sehgesteuerten Rollstuhl ist ihm auf YouTube gekommen. Dort sah er ein Video von einem querschnittgelähmten Jungen mit Roboterarm.

Um den Prototyp zu bauen, wandte er sich an Maximilian Besold (29, links). Mit ihm ging er zur Schule, schon früher bastelten sie gemeinsam Sachen. Mittlerweile ist Besold gelernter Maschinenbauer und technisch versiert. Vor rund einem Jahr haben sie den Prototyp gebaut. Dann wurde es stiller ums Projekt.

Ihr kleiner Prototyp-Rollstuhl

Zurück meldeten sich die beiden mit einer Bewerbung für das Sozionauten-Programm des Freiburger Gründerzentrums Grünhof. Dort reichten sie ihre Idee ein und bekamen den Zuschlag. Somit können sie nun zu viert als „Eye Captain“ im Kreativpark kostenlos an ihrer Idee arbeiten. Das dortige „Social Innovation Lab“ ist eigens eingerichtet worden, um soziale Ideen zur Entfaltung zu bringen. Hörmann hat dort einen Arbeitsplatz, der Rest trifft sich regelmäßig, um an Schulungen teilzunehmen.

Bisher bezeichnen sich die vier als soziale Initiative. Mit Hannah Ricksgers und Jana Tempers (rechts) haben sie Verstärkung aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich bekommen. Die beiden kümmern sich auch um Bedarfsanalysen: Wer braucht die Technik? Welche Hürden sind zu nehmen?

Hohe Hürden für Zulassung

Ob aus „Eye Captain“ ein Start-up wird, ist noch offen. Bis Februar hat Hörmann seinen Arbeitsplatz im Kreativpark. Bis dahin soll auch entschieden werden, wie es weitergeht. Leicht sei die Entwicklung nicht, betonen die vier. Denn die Anforderungen für neue Produkte im Gesundheitsbereich sind hoch. „Das ist mega schwierig bei Medizinprodukten“, sagt Hörmann.

Sie wollen, dass Betroffene keine großen Beträge hinlegen müssen, um die Technik zu nutzen. Die Preisentwicklung der Eyetracker kommt ihnen zugute: Für rund 150 Euro gibt es die Geräte mittlerweile.

Als Start wollen sie den Eyetracker am Rollstuhl für Fahrten in den eigenen vier Wänden anbieten. Es genügt dafür, ein Tablet zu befestigen. Natürlich müssen die Augen auf den Bildschirm gerichtet werden. Für den Straßenverkehr ist das heikel – in gewohnter Umgebung könnte es funktionieren. „Eye Captain“ will noch weitergehen: Mit den Augen soll man am Display auch Texte schreiben, sie vorlesen lassen oder auf Facebook unterwegs sein können.

Fotos: © tln