„Bleib dran“: Warum Gottfried Haufe 27 FreiburgerInnen vor die Kamera bittet STADTGEPLAUDER | 13.06.2019 | Till Neumann

27 Stimmen in einem Video. „Freiburg sagt: Bleib dran“ rauscht seit Mittwoch in Freiburg durch die Social-Media-Kanäle. Künstler Gottfried Haufe (28) hat darin mehr und weniger bekannte Freiburger vor die Kamera gebeten – mit Statements für mehr Engagement. Die Message: Zurücklehnen ist nicht. Dabei sind OB Martin Horn, Uni-Rektor Hans-Jochen Schiewer oder Autor Jess Jochimsen. Im Interview mit Till Neumann erzählt Haufe, warum er sich mehr Bürgerbeteiligung wünscht.

Fordert mehr Engagement: Gottfried Haufe

chilli: Wie kamst du auf die Idee zum Video?

Haufe: Sehr spontan, auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit kurz vor den Wahlen Ende Mai. Ich habe mich gefragt, was nach den Wahlen bei den meisten Menschen im Kopf vor sich geht. Ich glaube, dass es ein Reflex sein kann, danach erst einmal genug von Politik zu haben. Nachvollziehbar, aber aus meiner Sicht keine gute Idee. Deshalb wollte ich eine Botschaft senden, die klar macht, dass es mit Wählen gehen nicht getan ist. Es können nicht nur die Politiker*innen richten.

chilli: Bleib dran. Warum ist dir das wichtig?

Haufe: Weil ich glaube, dass es der falsche Weg ist, sich zurückzulehnen und mit dem Finger auf die Anderen zu zeigen. Im Zweifelsfall auf die Politik. Wie in dem Video ja gesagt wird: Nur wer selbst was macht, darf auch meckern! Dranzubleiben bedeutet in diesem Falle, weiterführendes Interesse zu zeigen an den Fortschritten der neugewählten Gremien. Jeder sollte schauen, welchen Beitrag sie oder er leisten kann. Egal, wie klein oder unscheinbar dieser Beitrag sein mag.

chilli: Gab’s Absagen von Gesprächspartnern aus inhaltlichen Gründen?

Haufe: Nein, wunderbarerweise überhaupt nicht. Interessant ist, dass häufig die Frage gestellt wird, ob man von einer bestimmten Initiative oder einem Verein kommt. Dass man solche Projekte selbstständig aus dem Boden stampft, scheint noch die Ausnahme zu sein. Schade eigentlich.

chilli: Wer oder was hat dich beim Dreh am meisten überrascht?

Haufe: Das Vertrauen der Teilnehmenden in das Gesamtprojekt. Sowohl bei der ersten Anfrage als auch beim Dreh selbst wurden nie viele Fragen gestellt, sodass ich die Niedrigschwelligkeit des Projekts wirklich beibehalten konnte. Heißt: Sich 10 bis 15 Minuten treffen, ein bis zwei Sätze in die Kamera sprechen, einmal kurz über das gesamte Skript gehen und das war’s. Das hat mich sehr gefreut. In Freiburg ist so etwas möglich. Egal, ob mit dem Café-Besitzer von nebenan oder dem Rektor der Uni.

chilli: Bei was bleibt Freiburg aktuell absolut nicht dran?

Haufe: Bei der Bürgerbeteiligung. Da sieht es in Freiburg schon gut aus. Aber es geht immer noch besser. Ich halte es in einer Stadt wie Freiburg für gefährlich, sich in seiner intellektuell-linken, akademisch-grünen Blase einzurichten. Nicht nur in einem möglicherweise unterdrückten Überlegenheitsgefühl gegenüber allen anderen in Deutschland, sondern sogar gegenüber Menschen, die vielleicht eher am Stadtrand oder in der Peripherie wohnen. Nicht umsonst wird im Video von Stadt-Land-Gefälle gesprochen. Wenn das Wahlverhalten dazu führt, dass auch in Freiburg eine Partei im Gemeinderat sitzt, die man dort nicht vermuten würde, dann hat die Stadt eine Aufgabe. Wer hat, dem wird sowieso gegeben. Wer nicht privilegiert ist, der braucht etwas. Kultur, Bildung, Aufmerksamkeit, Chancen. Da sollte die Stadt stärker dranbleiben.

Den Clip gibt’s auf YouTube, die Liste aller Beteiligten auf der Facebook-Seite Gottfried Haufe.

Fotos: © Screenshot & privat