Der anstrengende Alltag eines Tierpflegers auf dem Mundenhof STADTGEPLAUDER | 27.04.2018 | Isabel Barquero

Regenwürmer so weit das Auge reicht. Aus der Entfernung sind verschiedene Tierlaute zu hören. Die Sonne scheint angenehm warm ins Gesicht. Feuchtigkeit liegt in der Luft. Wald- und Gehwege auf dem Mundenhof sind matschig und nass. Das Wetter vom Vortag hat seine Spuren hinterlassen. Morgens um halb sieben ist die Welt für Tiergehegeleiter Matthias Hiltmann noch in Ordnung.

Friedlich: Frühmorgens grasen die Bisons vom Mundenhof genüsslich auf der Weide. Aber die Tiere können mit ihren ca. 700 Kilos Gewicht auch gefährlich werden.

Zurzeit ist der 44-Jährige quasi rund um die Uhr im Einsatz. „Der Frühlingsanfang ist immer eine turbulente Zeit für uns, da steht einiges auf dem Programm. Wir haben gerade Geburten von Schafen und Ziegen mit einigen Problemen, sodass wir auch nachts unterwegs sind.“ Neun Tierpfleger und fünf Auszubildende kümmern sich um das Wohl der rund 400 Haus- und Nutztiere. Zusätzlich gibt es Hartz-IV-Kräfte, Sozialstundenarbeiter und Integrationsprogramme mit Flüchtlingen.

Der Arbeitsalltag beginnt mit dem Säubern der Anlagen. Eine echte Herausforderung auf den weitläufigen Koppeln. Ein rot-schwarzer Traktor fährt über die Weide und sammelt Häufchen auf. In deutlicher Reichweite stehen Bisons und fressen genüsslich Gras. Die Arbeit mit Maschinen sei bei knapp 40 Hektar unumgänglich. Munter galoppiert ein 700 Kilogramm schweres Tier den Hügel hoch. „Pure Muskelmasse kommt uns entgegen“, sagt Hiltmann lachend. Ein mulmiges Gefühl. Mit schnaubenden Lauten und einem niesenden Geräusch wendet sich der Hengst wieder ab.

Azubi Kai Susewind weiß, wie man mit Gefahrensituationen umgeht: „Abstand halten und nicht an den Hörnern vorbeigehen. Bei einem Angriff immer versuchen, weg oder über den Zaun zu kommen.“ Passiert ist ihm das bisher noch nicht. „Dafür habe ich mir eine Fingerkuppe abgehauen.“

Tierpfleger dürfen nicht ängstlich sein, müssen vorausdenken und genau beobachten, zudem sind körperliche Fitness, handwerkliches Geschick, organisatorisches Denken und Planen wichtig. „Viele glauben, dass wir nur Tiere streicheln. Einige Praktikanten wollen den ganzen Tag Tierbabys im Arm halten und ihnen die Flasche geben“, sagt Hiltmann. Genau das wolle man am Mundenhof nicht: „Je weniger wir eingreifen müssen, desto besser machen wir unsere Arbeit.

Inniges Verhältnis: Tiergehegeleiter Matthias Hiltmann mit Burenziege Isi.

Auf dem Gelände gibt es lediglich zwei Handaufzuchten. Eine davon ist die Burenziege Isi. Während ihrer Geburt verlor sie Mutter und Zwillingsschwester. Um dennoch das Verhalten ihrer Tierart zu lernen, wurde sie von Beginn an mit Kaschmirziegen aufgezogen. „Isi hat sich super entwickelt, ihr geht es prächtig“, erzählt Hiltmann mit leuchtenden Augen. Er war Helfer bei der Geburt und hat seit diesem Vorfall eine enge Bindung zu der kleinen weißen Ziege. „Mir wäre es lieber gewesen, wenn alle überlebt hätten.“

Zur Begrüßung gibt es ein lautes Mähen. Hiltmann streichelt sie liebevoll an den langen braunen Ohren. Für ihn sind Handaufzuchten ein schwieriges Thema. „Das sind oftmals seelisch verkrüppelte Wesen. Sie können nicht in ihrer eigenen Herde leben, weil sie das Verhalten der eigenen Tierart nicht gelernt haben.“ Dadurch seien sie sehr menschenbezogen. Die Gefahr des Verhätschelns ist dabei groß. „Wenn wir nicht sofort durchgreifen, hopsen sie uns auf den Schultern rum. Als Baby ist das noch süß, aber bei ausgewachsenen Tieren wird es gefährlich“, sagt der gelernte Tierpfleger. Knochenbrüche und Bänderrisse seien die Folge.

Weiter drüben bei den Steppenrindern riecht es nach Dreck, Körnern und Stroh. Mit einer großen Mistgabel bereitet eine Tierpflegerin die Futterstellen vor. Während die Ziegen gierig Körner fressen, sind die Rinder ausgesperrt. Einmal wöchentlich erhält der Mundenhof für rund 2000 Euro frisches Obst und Gemüse. Jährlich verbraucht der Park 100 bis 150 Rundballen Heu vom Rieselfeld. Die Tierpflegerin klopft mit dem Besen mehrmals gegen einen Eimer. Das klappernde Geräusch lockt nach und nach die Rinder in den Stall. Sie haben gewaltige Hörner, mit denen sie mehrmals an das Holz stoßen.

Neben dem Säubern und dem Füttern steht tägliches Training auf dem Programm. „Die Tiere müssen lernen, zu uns zu kommen oder in den Stall zu gehen, damit unser Arbeitsalltag bewältigt werden kann“, sagt Hiltmann. Das Einsperren müssen sie ebenfalls trainieren. Medizinisches Training helfe bei Tierarztbesuchen. „Damit wir nicht immer gleich das Narkosegewehr auspacken müssen.“

Dreiviertel aller Tierarztkosten entstehen durch falsche Ernährung. Viele Besucher halten sich nicht an das Fütterungsverbot. „Von Popcorn und Schokolade über Pommes mit Mayo und Ketchup fliegt alles ins Gehege rein. Das ist furchtbar“, äußert sich Hiltmann, während er ein zwei Meter großes Kamel begutachtet. Es hat riesige braune Augen, mit denen es interessiert das Geschehen verfolgt.

Konsequenzen: Die Kamele auf dem Mundenhof werden von Besuchern mit allerlei Produkten gefüttert, das hat schlechte gesundheitliche Folgen.

Auch Brot und Karotten seien schlecht für die Tiere. „Häufig kriegen sie nicht nur eine Karotte, sondern eine von jedem dritten Besucher. Das ist einfach zu viel“, ärgert sich der Tiergehegeleiter. Das führe zu Verdauungs- und Stoffwechselproblemen. „Außerdem sind sie davon so satt, dass sie ihr eigentliches Futter gar nicht mehr fressen wollen. Die Versorgung an Mineralstoffen und Vitaminen geht so verloren.“

Ein weiteres Problem auf dem Mundenhof: Vandalismus. „Im Bambusgarten oder am Bisonhügel liegen vor allem während des Zelt-Musik-Festivals viele Flaschen, Müll und Zigaretten herum“, berichtet Hiltmann. Unverständlich für ihn, da überall Mülleimer stehen. „Die Flaschen sind oft zerschlagen, es gibt viele Scherben, auch in den Gehegen.“

Unabhängig vom Festival ist der Tierpark auch beliebt für Mutproben. Hiltmann sind bei den morgendlichen Routinefahrten schon betrunkene Jugendliche aus dem Lama- und Rindergehege entgegengekommen. Darüber kann er nur den Kopf schütteln: „Die haben mehr Glück als Verstand. Unsere Tiere wissen aber auch, wen sie ernst nehmen müssen und wen nicht.“

Im ehemaligen Bärengehege werden bald Buntmarder einziehen. Wann die Tiere kommen, ist fraglich. „Es hängt davon ab, wann sie geboren werden. Wir sind im Austausch mit anderen Zoos“, erklärt Hiltmann. Bei der Umgestaltung des Geheges dürfen die Tierpfleger mitwirken. „Bei den praktischen Anforderungen und der Realisierung sind sie gefragt und gefordert. Sie wissen am besten, was sie, die Tiere und die Besucher brauchen.“ Oft sei so eine Gestaltung Chefsache, am Mundenhof aber werden alle gefragt.

Entspannte Atmosphäre: Zufriedene Lamas auf der Weide.

Die ersten Besucher treffen ein. Aus dem Vogelhaus hört man starkes Vogelgezwitscher und Schnattern, ein Pfau läuft frei herum. Die Sonnenstrahlen sind intensiver geworden, Regenwürmer gibt es auf dem Rückweg keine mehr. Dafür aber zahlreiche Lamas, die auf der Weide grasen.

Erlebniswelt am Mundenhof

Der Tier-Natur-Erlebnispark Mundenhof ist mit 38 Hektar das größte Tiergehege in Baden-Württemberg. Auf den Koppeln leben rund 400 Haus- und Nutztiere aus aller Welt. Alle Gehege sind in bestimmte Kontinente eingeteilt. Außerdem gibt es eine „Exotische Mitte“ im Zentrum mit Affen, Erdmännchen und dem Vogelhaus. Der Mundenhof wird von der Stadt Freiburg gefördert, ist ganzjährig geöffnet und jederzeit zugänglich.

Besucher bezahlen keinen Eintritt, jedoch wird eine Parkgebühr von fünf Euro erhoben, um das Gehege zu unterstützen. 2017 kamen mehr als 370.000 Besucher in den Park. Dieses Jahr feiert der Mundenhof 50-jähriges Jubiläum: Am 30. September 1968 wurde das Tiergehege eröffnet, mit großer Unterstützung des damaligen Freiburger Oberbürgermeisters Eugen Keidel.

www.mundenhof.de

Fotos: Isabel Barquero