Die Händler atmen auf: „Höchste Eisenbahn, dass es wieder losgeht“ STADTGEPLAUDER | 23.04.2020 | Liliane Herzberg

Eine Shoppingtour durch die Läden der Freiburger Innenstadt oder ein gemütliches Bier mit Freunden auf dem Platz der Alten Synagoge, das lag dieses Frühjahr wegen Covid-19 lange Zeit in weiter Ferne. Zum Glück für alle Frühlingskinder sind die Ausgangsbeschränkungen seit Montag endlich gelockert. Viele Geschäfte haben wieder geöffnet, den Eisdielen ist der Straßenverkauf gestattet, die Freiburger Bächle fließen wieder. Ähnelte die City bis Sonntag noch einer Geisterstadt, ist sie Montag schon wieder reichlich belebt. Zumindest auf den ersten Blick.

Am 21. März hatte Oberbürgermeister Martin Horn ein Betretungsverbot der öffentlichen Plätze ausgerufen. Vier Wochen lang herrschte weitestgehender Stillstand. Bis am 20. April Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmetern Verkaufsfläche endlich wieder öffnen durften. Auf den ersten Blick scheint an diesem Tag alles wie ein völlig normaler Frühsommertag. Der Platz der Alten Synagoge ist von ersten Sonnenanbetern belebt, die Straßenbahnen fahren nicht länger nur leer durch die Gegend, die Kajo ist wieder als Kajo erkennbar: Zwar eilen die Leute nicht hektisch von Ort zu Ort, dennoch sind sie nicht mehr länger nur an zwei Händen zählbar.

Erste Menschen versammeln sich wieder auf dem Platz der Alten Synagoge.

Doch dass der Schein trügt, berichtet Rentner Andreas Gruber, der seinen Stand am Kartoffelmarkt auch wieder aufstellen darf: „Im Vergleich zu der Zeit vor Corona ist sehr wenig los. Der Umsatz ist nicht grandios, aber auch ich zeige durch meinen Stand, dass der Markt wieder da ist. Weil die Veranstaltungskalender fehlen, erfährt niemand, dass wir wieder hier sind.“ Soforthilfe hat der 63-Jährige nicht beantragt, denn „ich dachte, ich beiße einfach die Zähne zusammen. In diesem Business braucht man Rücklagen. Wir waren aber kurz vorm Ertrinken und es ist höchste Eisenbahn, dass es wieder los geht.“ Ganz auf dem Boden der Corona-Realität kommt schließlich an, wer den Münsterplatz oder Augustinerplatz erreicht, denn hier gibt es vor allem eines: gähnende Leere. Kein munteres Treiben, lediglich vereinzelt ein paar Zweiergruppen, die sich auf den Böden oder den Stufen von Münster und Augustinerplatz niedergelassen haben.

War kurz vorm Ertrinken und ist froh, endlich wieder seinen Stand öffnen zu können: Andreas Gruber.

Anfangs leicht irritierend sind die „Einlasskontrollen“, die vor dem Zutritt aller Geschäfte passiert werden müssen. Jeder Laden hat eine andere Lösung gefunden – mal sind es Kärtchen, die verteilt werden, damit die Kundschaft gezählt werden kann, mal Einkaufsbeutel. Denn in jedes Einkaufsgeschäft darf nur eine begrenzte Anzahl an Menschen. Immer wieder muss gewartet werden. Besonders auffällig ist das vor dem Geschäft „Snipes“, wo selbst nachmittags gegen 16 Uhr noch eine lange Schlange zu beobachten ist. Ebenso vor der angrenzenden Eisdiele „Incontro“. Deren Inhaber Michele Scarpone berichtet allerdings, dass trotz Schlange viel weniger los sei, als sonst um diese Zeit, vor allem, weil die Touristen fehlen würden. Um sich sein Überleben zu sichern, habe er die Soforthilfemaßnahmen der Bundesregierung in Anspruch genommen, erklärt der 38-Jährige: „Ich habe die Soforthilfe bei der IHK beantragt, die haben mir toll geholfen, nach zwei Wochen war auch schon das Geld da“.

Selbst nachmittags ist vor snipes noch eine lange Schlange zu sehen.

Das Feeling in der Freiburger City ist entspannter als sonst. Die Kauflust ist vorhanden, aber niemand hat es eilig, alle warten geduldig auf ihren Einlassschein, wenige Passanten tragen Masken, in den Geschäften sind die Hygienevorschriften jedoch überall ordentlich eingehalten. Es gibt Abstandregelungen, Tafeln mit Hygienevorschriften, oftmals Verkäufer, die die Kunden mit Desinfektionsmittel begrüßen. Dass nicht alle auf eine Öffnung ab dem 20. April vorbereitet waren, wird im Schuhgeschäft Salamander ersichtlich: „Bei uns ist es noch recht unordentlich, wir hatten nicht damit gerechnet, zu öffnen und mussten alles schnell herrichten“, räumt Filialleiter Sebastian Wehrle ein. Er beobachtet, dass vor allem Kinderschuhe gekauft werden, morgens sei schon eine Schlange vor dem Geschäft gewesen und habe gewartet, „die Kundschaft deckt aber nur einen Bruchteil von dem, was wir sonst haben“. Corona sei existenzbedrohend gewesen, es sei wichtig, dass wieder geöffnet werden dürfe, erklärt der 40-Jährige und spricht damit nicht nur für sich.

Die Kajo ist wieder deutlich belebter, als in den vergangenen Wochen.

Fotos: © Liliane Herzberg