»Die Leute stimmen mit den Füßen ab«. Wie südbadische Kommunen Stadtmarketing machen STADTGEPLAUDER | 03.12.2021 | Liliane Herzberg

Pavillon Emmendingen

Fehlende Tourist·innen, Geschäftsschließungen, leere Plätze: Schon seit geraumer Zeit beschleunigt sich der Wandel in den Innenstädten. Die Pandemie hat das nochmal schonungslos aufgezeigt. Stadtmarketingabteilungen können den Prozess jedoch verändern, moderieren und mit innovativen Maßnahmen begleiten. Die Kommunen der Region sehen die Veränderung deshalb auch als Chance.

Stadtmarketingabteilungen als Storyteller

„Während der Lockdown-Zeiten konnte man sehen, wie leergefegt die Innenstadt ist, wenn der ­Einzelhandel geschlossen bleibt“, erinnert sich Beate Desenzani, stellvertretende Fachbereichsleiterin Familie, Kultur, Stadtmarketing Emmendingen. Seit 2005 gibt es die Abteilung, die Pandemie hat Desenzani noch einmal gezeigt, wie wichtig ihre Arbeit ist. Aktuell geht es vielerorts darum, Innenstädte auch außerhalb von Öffnungszeiten attraktiv zu gestalten. Für wen, sei am Ende gar nicht so wichtig, stellt die 52-Jährige fest: „Alles, was man in den Tourismus investiert, investiert man auch in die eigenen Bürger.“

10.796 Gemeinden, darunter 2058 Städte gibt es in Deutschland. Jede einzelne möchte herausragen, die eigene Geschichte erzählen, nach außen und innen hin attraktiv sein. Storyteller sind unter anderem die Stadtmarketing­abteilungen. Denn unter deren Dach finden sich unterschiedliche Zielgruppen und Akteur·innen sowie verschiedene Handlungsfelder zusammen.

Markenprozess durchlaufen, einheitliches Profil finden

So richtet sich Standort-Marketing etwa an Unternehmer·innen und ­Gründende, Tourismus-Marketing an Gäste und Geschäftsreisende, Eventmarketing an unterschiedliche Akteur·innen, City-Marketing an die Stadt- und Umlandbevölkerung, sowie Verwaltungs-Marketing an Bürger·innen und Politik. Um sich von anderen Kommunen abzugrenzen, heißt es, einen Markenprozess zu durchlaufen und ein einheitliches Profil zu finden.

Darin übte sich Freiburg zuletzt. Denn um zu beantworten, wie sich die Green City präsentieren muss, um Appetit auf einen Besuch zu machen, entwickelte die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) eine touristische Marke.

Das hat Emmendingen längst getan. Die Kreisstadt sieht sich mit ganz anderen Aufgaben konfrontiert. Dort heiße es, Angebote zu vermischen, etwa Einkaufen und Wohnen zu kombinieren oder spannende Veranstaltungen anzubieten, sagt Desenzani: „Die Leute stimmen mit den Füßen ab: Wenn niemand mehr kommt, muss man entweder die Sache verändern oder neue Dinge ins Leben rufen.“

Bei ihnen seien deshalb die Wiederbelebung des ehemaligen Kaufhaus Krauss, die Neubebauung des Inside-Areals sowie der vom Wehrle Werk geplante Kulturhof großgeschrieben.

Flächen für neue Funktionen

Auch in Herbolzheim wird fleißig getüftelt – die Projektliste ist lang: „Gerade in ungewissen Zeiten besinnen sich die Menschen wieder auf das, was vor der Haustüre ist“, sagt Rathaus­sprecherin Melanie Amann-Brandt. Aktuell laufe deshalb etwa der Bildungsdialog zur Vernetzung, um als Stadt noch ­familienfreundlicher zu werden.

Außerdem stehen die Realisierungen neuer Wohn- und Gewerbegebiete ­sowie der Glasfaserausbau an. Auch die Wanderwege erfahren ein Refreshment. Eines der größten Projekte sei außerdem die Gründung einer Bürger·innen­genossenschaft, die nachhaltige Projekte unterstützen soll. „Startprojekt soll ein Unverpackt-Laden18 sein. Auch an der Schaffung von Co-Working-Spaces arbeiten wir“, erzählt Amann-Brandt.

Nicht nur diesen könnte in Zukunft mehr Bedeutung zukommen: „Wo das reine Einkaufen an Bedeutung verliert, werden Flächen für andere Funktionen frei, und Innenstädte gewinnen als ­Begegnungsorte, Orte des Lernens, des Arbeitens, des Wohnens, der Freizeit und der Kultur an Bedeutung“, betont Thomas Goldschmidt, baden-württembergischer Landesbeauftragter der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland e.V. (bcsd).

Stadmarketing ist nicht einheitlich

Die Stadt Waldkirch scheut den Wandel nicht: „Die Innenstadt muss sich nicht nur verändern, sie wird es zwangsweise tun. Dies so zu begleiten, dass der vielbeschworene ‚Tod der Innenstadt’ nicht eintritt, ist die große Herausforderung der Stadtentwicklung“, sagt Pressesprecherin Stefanie Sigmund. Dafür gebe es bei ihnen etwa die Bürger·innenbeteiligung bei der Entwicklung eines voraussichtlich autofreien neuen Wohngebiets.

Wohin auch geschaut wird, zeigt sich: Stadtmarketing ist nicht einheitlich. So bunt wie die Kommunen sind auch ihre Ideen. „Es geht darum, Emotionen zu wecken und Anreize für den Besuch der Innenstadt zu schaffen. Es geht darum, die Dinge, die ich im Netz nicht erhalten kann, zu aktivieren: emotionaler Austausch, aktive Begegnungen, gelebte Freundschaften“, bestätigt die Lahrer Stadtmar­keting-Sach­gebietsleiterin Martina Mundinger.

Im Rahmen der Reihe „HerbstZEIT in Lahr“ startet deshalb am 13. November erstmals eine Illumination des gesamten Stadtparks.

Auch für Goldschmidt ist klar, dass Stadtmarketing nicht länger nur Beliebigkeiten erzählen darf: „Man muss die Leute mit Informationen versorgen, an einen Tisch holen, zusammen mit Hauseigentümern, Geschäften, Gastronomen, Kulturtreibenden und gemeinsam überlegen, welche Projekte für die eigene Stadt Sinn machen.“ Denn nur so können die eigenen Bürger·innen auch in Zukunft fasziniert, Unternehmen interessiert und Gäste begeistert werden.

Foto: © Tourist-Information Emmendingen