Eine Rochade und zahlreiche Bauernopfer: Wie die Rathaus-Lösung zur Sportachse Ost für neuen Ärger sorgt STADTGEPLAUDER | 12.10.2023 | Philip Thomas

Satellitenbild Sportachse Aus Sand wird Kunstrasen: Neun Uni-Tennisplätze will das Rathaus umbauen lassen.

Flächen für FT 1844 und PTSV Jahn, ein Pachtvertrag für den SC Freiburg und jede Menge Ärger für das Rathaus. Das ist das Ergebnis des jahrelangen Ringens um die Sportachse Ost in Littenweiler. Universität, USC Freiburg und Blau-Weiß Wiehre gehen als Verlierer vom Platz.

„Dank der Bereitschaft aller Beteiligten haben wir hier einen gordischen Knoten gelöst“, verkündete Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn auf einer Pressekonferenz im September. Das zähe Ringen um die Sportachse Ost schien beendet: Der SC Freiburg darf seinen Pachtvertrag für das Dreisamstadion verlängern. Die in der Nachbarschaft angesiedelten Vereine PTSV Jahn sowie die Freiburger Turnerschaft (FT) bekommen mehr Platz.

Konkret sehen die Rathaus-Pläne eine Verlängerung des Pachtvertrags für das Dreisamstadion nicht mehr um ein, sondern um zehn Jahre vor. Die jährliche Miete steigt von 175.000 auf 250.000 Euro. Außerdem zahlt der Bundesligist, der das Gelände des alten Stadions alleinig und für seine Mädchen- sowie Frauen-Abteilung nutzen möchte, 300.000 Euro zur Entwicklung der Sportachse in Freiburgs Osten. „Wir freuen uns über das von der Stadt Freiburg erarbeitete Konzept“, kommentierte Marcel Boyé, Abteilungsleiter Organisation und Stadion des SC.

Die FT mit rund 6800 und der PTSV mit 2300 Mitgliedern sind ebenfalls voll des Lobes – gemeinsam erhalten sie einen neuen Kunstrasenplatz sowie Kontingente auf dem Dreisamstadion-Areal bis 2025. Aktuell teilen sich mehr als 700 FT-Sportler im Freiburger Osten einen einzigen Rasenplatz. „Wir hatten deswegen einen Aufnahmestopp“, so FT-Chef Peter Gerspach.

Auf den beiden Kunstrasenplätzen des PTSV trainieren wöchentlich 36 Fußballmannschaften, zwei Lacrosse-Teams und zwei Ultimate-Frisbee-Einheiten – insgesamt 1000 Outdoorsportler wetzen dort wöchentlich über 1,7 Spielfelder. „Wir bekommen durch das Konzept ein gutes Drittel mehr Spielfläche, das wird sich deutlich entzerren“, sagt PTSV-Geschäftsführer Ralf Kurz.

Die Universität Freiburg geht als Verlierer vom Platz. Ihre neun Tennisflächen zwischen den beiden Arealen will die Stadtspitze zum nächstmöglichen Zeitpunkt, dem 30. April 2025, kündigen und in die angedachte Kunstrasenfläche samt Flutlichtmasten umwandeln. Ob FT oder PTSV auch Bauherr werden, ist noch unklar. Die Stadt rechnet mit Baukosten von 800.000 Euro. Ein Teil dieser Summe soll aus Fördermitteln des Badischen Sportbundes kommen.

Tennisplätze der Uni

Die Tennisplätze der Uni in Littenweiler

Aktuell werden die Tennisplätze wöchentlich von knapp 1000 Personen genutzt, das entspricht laut Uni einer Auslastung von 80 Prozent. Verschnupft ist die Hochschule aber vor allem über die Art, mit der Horn das knotenlösende Schwert schwang. Das Rektorat sei „nicht angemessen eingebunden“ worden. Informiert über die Kündigung wurde die Hochschule laut Sprecher Bastian Strauch zwei Tage vor der Rathaus-Verkündung. Horns Aussage, wonach die Stadtspitze mehrere Angebote an die Uni gemacht habe, widerspricht die Uni: Weder mit der zuständigen Instituts- noch der Universitätsleitung seien adäquate Lösungen besprochen worden.

Laut Rathaus-Sprecher Toni Klein habe die Stadtspitze Kontakt zum PTSV sowie der Tennis- und Minigolfanlage Waldsee aufgenommen. Mit dem SC Freiburg liefen Gespräche um eine Nutzung des Möslestadions. Den Ärger über die Entscheidungsfindung kann er nicht nachvollziehen: Vergangenes Jahr habe es zwei Runde Tische „mit allen Akteuren der gesamten Sportachse“ gegeben. Horn habe persönlich mit Sport-Uni, Kanzlerin und Rektorin gesprochen.

Am 5. Oktober, kurz vor Redaktionsschluss und drei Wochen nach Rathaus-Verkündung, bestätigt die Uni schließlich eine schriftliche Gesprächseinladung an die Universitätsleitung. Klein stellt jedoch klar: „Wir gehen mit diesen Plänen in die Gremien.“ Die Gemeinderatsabstimmung ist für den 28. November angesetzt. Und die Pläne scheinen mehrheitsfähig. Bereits die vier größten Fraktionen, Grüne, Eine Stadt für alle, SPD/Kulturliste und CDU (insgesamt 34 von 48 Sitzen) begrüßen die Rathauspläne.

Auch der Universitätssportclub blieb der Verkündung im September fern. Die Tennisabteilung des USC bespielt die neun Sandplätze aktuell 20 Stunden pro Woche. Knapp 80 Sportler schlagen in diesem Zeitraum Tennisbälle – naturgemäß weniger als auf den benachbarten Rasenflächen. „Ich bin verwundert und enttäuscht über die aktuelle Politik der Stadt Freiburg und die kompromisslose Vorgehensweise“, sagt USC-Präsident Michael Fiederle. In die Verhandlungen um die Sportanlagen sei der Verein mit 1330 Mitgliedern ebenfalls nicht einbezogen worden.

Eine Kündigung des Mietverhältnisses ohne Ersatzlösung bedeutet laut Fiederle das Ende der USC-Tennisabteilung. Zu einem letztjährigen Treffen der Sportachse Ost am 25. Oktober wurde der Verein einmalig eingeladen. Nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft der USC-Basketballerinnen hatte man eigentlich gehofft, perspektivisch mehr Platz zu bekommen. Die Basketball-Sparte boome, bis zu 50 Aufnahmeanträge für Kinder müsse Abteilungsleiter Siegfried Eckert jede Woche ablehnen.

Aktuell verteilt der Verein seine Basket- und Volleyballteams auf 19 Turnhallen im Stadtgebiet. „Wir haben viele Kooperationen mit Schulen, aber uns fehlt definitiv eine Halle“, betont Fiederle. Er fordert eine überdachte Trainingsfläche, besser zwei Dreifachturnhallen oder ein Trainingszentrum. Fiederle taxiert bereits das Gelände zwischen dem Freiburger Sandfangweg und dem Unistadion.

Aktuell verfällt dort ein Parkdeck. Laut USC-Präsident könnte die Fläche im Besitz des Landes zur „Verhandlungsmasse“ werden. Nach Uni-Sprecher Strauch spielt das Areal, für das es immer wieder mal Nutzungsideen gibt, in aktuellen Fragen um die Sportachse Ost aber keine Rolle.

In den Seilen hängt auch der SV Blau-Weiß Wiehre. „Die Lösung der Sport­achse Ost ist nicht zu Ende gedacht“, betont der Vorsitzende Ismael Hares. Über Jahre hinweg habe der Verein, der das Gelände am Schönbergstadion pachtet und dort Integrationsarbeit mit dem FC Mezzepotamien, FC Portugiesen und GSV Freiburg leistet, vor allem den Boden für die Frauenabteilung des SC Freiburg bestellt. Seit 2008 trainierten die SC-Frauen dort, im Dezember 2021 begann der Umzug ans Dreisamstadion. Ab 2026 soll der Bundesligist das Gelände alleinig nutzen.

Ismael Hares

Im Freiburger Süden fürchtet Ismael Hares einen Domino-Effekt und das Aus für Blau-Weiß Wiehre.

Auf Wunsch von Sportclub und Stadtverwaltung habe Blau-Weiß in den vergangen 20 Jahren einen mittleren sechsstelligen Betrag in die Anlage investiert: Flutlicht, Kunstrasenplatz, Schiedsrichterkabinen. Die Platzwartwohnung auf dem Gelände wurde zum SC-Büro umgebaut. Der Amateurverein ist damit auf die Pacht des Bundesligisten angewiesen. „Das sind laufende Kredite. Mir ist schleierhaft, wie man das nicht im Blick haben kann“, sagt Hares.

Der 45-Jährige hofft nun auf Kompensation durch Stadtspitze und SC. „Das wird uns sonst das Genick brechen“, sagt er. Mitte Oktober steht ein Treffen mit dem SC-Finanzvorstand an. „Ausgang ungewiss.“ Klar ist jedoch: Durch die Lösung des Gordischen Knotens hängen nun andere Freiburger Vereine am seidenen Faden.

Fotos: © Satellitenbild aus Google Maps: © 2023 AeroWest, GeoBasis-DE/BKG, GeoContent, Maxar Technologies, Kartendaten © 2023; Philip Thomas; privat

FT 1844 und PTSV Jahn pochen auf mehr Platz an der Sportachse – der SC hat eigene Pläne