Die Wohlstands­illusion: Werner Krieger über den Abschwung eines einstigen Musterschülers Finanzwelt | 28.07.2024 | Werner Krieger

Werner Krieger Werner Krieger (60): Finanzmarkt­analyst, Gründer und Geschäftsführer der GFA Vermögensverwaltung GmbH

Die öffentlichen Ausgabenbedürfnisse Deutschlands sind schier unbegrenzt. Die Umstrukturierung für den Klimawandel wird Billionen verschlingen, unsere Armee muss kriegstauglich gemacht werden, unsere marode Infrastruktur muss finanziert werden. Warum ausgerechnet Deutschland mit Geld und Waffen zu den Hauptunterstützern der Ukraine zählen muss, ist unverständlich. Denn anders als in den öffentlichen Medien publiziert, ist Deutschland auf einem ökonomisch bedenklichen Weg.

Die deutsche Wirtschaftskraft sinkt: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gilt als Maßstab für die Wirtschaftsleistung. Der deutsche Anteil am weltweiten BIP ist seit 1990 von fünf auf etwa drei Prozent gesunken. Bei der Wirtschaftskraft pro Kopf liegt Deutschland nicht einmal mehr unter den TOP 10 Europas, sondern auf Platz 12. Und nach einem Vergleich des Internationalen Währungsfonds weltweit nur noch auf Platz 20. Damit einher geht auch die abnehmende Bedeutung großer deutscher Firmen, wie man am weltweiten Aktienindex MSCI World erkennen kann. In nur zehn Jahren ist der deutsche Anteil von knapp 4 auf 2,3 Prozent zurückgegangen – also um rund 40 Prozent.

Die wahre Verschuldung ist viel höher als ausgewiesen: Ein großes Vermögen ist wenig wert, wenn es stark verschuldet ist. Die aktuelle Schuldenquote beträgt laut Bundesfinanzministerium 64 Prozent des BIP. Gleichzeitig mahnt die Behörde, dass sie bis 2070 auf bis zu 345 Prozent explodieren könnte. Darüber hinaus zeigt die Generationenbilanz der Stiftung Marktwirtschaft, dass der Staat nur knapp ein Fünftel seiner wahren Schulden ausweist. Diese belaufen sich real auf das Viereinhalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung, sind aber aufgrund von Zusagen in den Sozialkassen versteckt. In einem von der FDP vorgelegten Fünf-Punkte-Papier wird deshalb zu Recht auf Staaten verwiesen, die aufgrund zu hoher Wohltaten in eine schwere Krise bis hin zu Staatsinsolvenzen gestürzt sind.

Die Möglichkeit, aus den Schulden durch Wirtschaftswachstum herauszuwachsen, ist gering. Das Wachstum war in den vergangenen Jahren schon niedrig und ist auf aktuell prognostizierte 0,2 Prozent gesunken. Auch die langfristigen Prognosen zeigen ein düsteres Bild mit einem Wachstum von nur 0,5 Prozent. Das BIP liegt aktuell bei gut vier Billionen Euro. Ein Prozent davon sind 40 Milliarden und das entspricht etwa der Zinsbelastung durch die Staatsschulden. Wenn die Zinsbelastung über dem Wachstum liegt, kann von einem gesunden Haushalt eines reichen Landes nicht die Rede sein. Es drohen höhere Ab­gaben und Sozialversicherungsbeiträge, was den Steuerzahler zusätzlich belastet. Und das angesichts der Tatsache, dass wir im internationalen Vergleich schon jetzt an der Spitze der Abgabenlast stehen.

Das deutsche Rentensystem ist international eines der schlechtesten in Bezug auf Nachhaltigkeit. Bereits heute werden über 100 Milliarden Euro für die Stützung der Renten aufgewendet. Bis 2035 könnten es laut Berechnungen des Flossbach von Storch Research Institute sogar 240 Milliarden Euro sein, was 50 Prozent des aktuellen Bundeshaushalts ausmacht. Hinzu kommen weitere 65 Milliarden Euro für Beam­tenpensionen.

Das Vermögen der Deutschen ist gering: Nach einer Untersuchung der EZB verfügen die privaten Haushalte über ein Netto-Vermögen von rund 106.000 Euro im Median – 50 Prozent der Haushalte haben mehr und 50 Prozent weniger. In der Euro-Zone liegt Deutschland damit auf Platz 15 von 20. Angeführt wird das Feld von Luxemburg mit rund 740.000 Euro, aber auch die Niederländer, Spanier, Franzosen und Italiener sind reicher. Nur die Griechen und die Bürger von Estland, Ungarn, Litauen und Lettland haben ein geringeres Vermögen.

Fazit: Die finanzielle Situation ist problematisch. Eine ernsthafte Debatte darüber wird schon seit vielen Jahren in den Medien zugunsten der jeweiligen Regierung vermieden. Es ist entscheidend, Fehlanreize des Bürgergelds, Migrationspolitik, Rentenverpflichtungen sowie die Kosten der Klimawende zu prüfen. Deutschland ist finanziell nicht in der Lage, jedem Bittsteller wohltätig unter die Arme zu greifen, ohne dass das Land zu Lasten der Bevölkerung dauerhaft in eine ernste Krise geleitet wird. Solche unbequemen Diskussionen sind unumgänglich, um eine Verbesserung des Wohlstands zu erreichen.

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