Freiburger OB gesucht: Erstmals dürfen 16-Jährige wählen STADTGEPLAUDER | 10.04.2018 | Florian Krieg & Johannes Bader

OB steht für Oberboss – und Oberbürgermeister. Den wählt Freiburg am 22. April. Erstmals können Freiburger ab 16 ­Jahren abstimmen. Autoren des Jugendmagazins f79 haben die Wahl aus der Sicht junger Wähler beleuchtet. Sie haben die Kandidaten befragt, mit Politik-­Experten gesprochen und die wichtigsten Fakten für junge Wähler gesammelt. Unter anderem: Wie viele minderjährige Wähler gibt es eigentlich?

Findet wählen ab 16 super: Politik-Experte Michael Wehner von der
Landeszentrale für Politische Bildung.

Wen wählt man eigentlich? Wie kann man sich informieren? Ist wählen ab 16 sinnvoll? Darauf antworten zwei Experten der Freiburger Landeszentrale für Politische Bildung (LPB) im Interview mit Johannes Bader und Florian Krieg. LPB-Leiter Michael Wehner (55) und sein Kollege Hannes Dieterle (18) finden: Wählen ab 16 Jahren ist richtig.

chilli: Amtsinhaber Dieter Salomon ist bei älteren Leuten beliebt. Macht es da überhaupt Sinn, ab 16 Jahren wählen zu dürfen?
Dieterle: Ja. Die Jugend hat ohnehin schon eine zu schwache Stimme in der Politik. Genau deswegen macht es Sinn, sie stärker mit einzubinden und Jugendlichen mit dem Herabsenken des Wahlalters auf 16 Jahre entgegenzukommen.

chilli: Eine Umfrage zeigt: Viele Schüler an unserer Schule wünschen sich mehr Digitalisierung in der Schule und in öffentlichen Gebäuden. Kann der Bürgermeister das beeinflussen?
Wehner: Ja, zum Beispiel ist die Ausstattung und die Sanierung von Schulen eine städtische Angelegenheit.

chilli: Außerdem bemängeln einige Schüler fehlende Infos zur Wahl. Wo können wir uns schlau machen?
Dieterle: Zur OB-Wahl gibt es für ­Jugendliche recht viele Informationen. Wir bieten zum Beispiel einen Kandidatomaten an. Außerdem gibt es die Website www.ob-wahl-freiburg.de mit vielen bereitgestellten Informationen und Übersichten, unter anderem finden sich dort auch Videos. Am 12. April findet die offizielle Kandidaten­vorstellung statt. Fünf Tage später, am 17. April, gibt es von uns ein WG-Zimmer Casting. „Welcher Kandidat passt am besten in das frei gewordene Oberbürgermeister-WG-Zimmer?“
Wehner: Außerdem gibt ein Team der Landes­zentrale an Schulen Workshops.

chilli: Woran liegt es, dass wir nichts von der Wahl mitbekommen?
Dieterle: Ich glaube, viele Jugendliche informieren sich nicht, weil die OB-Wahl nicht wirklich viel Einfluss auf das Leben der Jugendlichen hat. Allerdings finde ich, dass der Politikunterricht in Baden-Württemberg allgemein zu kurz kommt.
Wehner: Wählen ab 16 ist gut. Aber: keine Beteiligung ohne Politische Bildung. Und daran mangelt es in der Schule.

chilli: Was wünschen Sie sich vom neuen OB?
Dieterle: Das Thema Digitalisierung muss kommen. Was ich bei Salomon kritisch sehe: Er geht recht wenig auf Jugendliche ein. Zum Beispiel war seine Website bis Ende Januar veraltet und wurde zuletzt 2011 aktualisiert (Anmerkung: Mittlerweile gibt es eine neue Seite). Deshalb würde ich mir vom neuen OB wünschen, dass er sich mehr für Jugendliche interessiert und auf sie zugeht.

Wehner: Fairerweise muss man sagen, dass der Wahlkampf noch nicht begonnen hat. Vom OB ist zu wünschen – egal wer es wird –, dass er diese besondere Stadt Freiburg mit ihrer Balance, Ökologie und Weltoffenheit weiter­hin aufrechterhält.

 

Die Kandidaten

und was sie für junge Menschen ändern wollen

Dieter Salomon

Alter: 57 Jahre
Partei: B’90/Die Grünen
Beruf: Freiburgs Oberbürgermeister seit 2002
Familie: verheiratet, eine Tochter
Hobbys: joggen, wandern, lesen, Fußball

Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie in Freiburg verändern wollen? Es muss weiter in Kitas, Kindergärten und Schulen investiert und viele, möglichst preiswerte Wohnungen gebaut werden. Hier gilt es die Balance zu halten zwischen Wachstum, Ökologie und sozialer Verantwortung.

Was wollen Sie in Freiburg für junge Leute besser machen? Junge Menschen brauchen gute Schulen mit einer modernen Ausstattung. Ebenso wichtig sind aber auch Freiräume, damit kreative Projekte und Ideen umgesetzt werden können – dafür steht z.B. das ArTik.

Wie würden Sie Freiburg in einem Satz beschreiben? Freiburg ist eine weltoffene, liberale und nachhaltige Stadt, in der die Menschen sich für Toleranz und ein friedliches Miteinander einsetzen!

Martin Horn

Alter: 33 Jahre
Partei: Parteilos
Beruf: Freiberuflicher Dozent, Europa- und Entwicklungs­koordinator
Familie: verheiratet, ein Kind
Hobbys: Joggen, Skifahren, Tauchen

Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie in Freiburg verändern wollen? 1. Eine bessere, soziale und faire Politik 2. Bezahlbaren Wohnraum schaffen 3. Wir liegen in Baden-Württemberg auf dem letzten Platz im Bereich Digitalisierung – das werde ich ändern.

Was wollen Sie in Freiburg für junge Leute besser machen? Junge Leute müssen in der jüngsten Stadt Deutschlands dringend mehr Einfluss bekommen! Als ehemaliger Jugendreferent und Skateboarder bin ich näher dran – auch zukünftig als OB.

Wie würden Sie Freiburg in einem Satz beschreiben? Freiburg ist definitiv eine der coolsten Städte Deutschlands: kreativ, liebenswert, bunt und lebensfroh – kann aber noch mehr, dafür setze ich mich ein.

Monika Stein

Alter: 47 Jahre
Partei: Grüne Alternative Freiburg
Beruf: Haupt- und Werkrealschullehrerin
Familie: verheiratet, eine erwachsene Tochter (mit in die Ehe gebracht)
Hobbys: Radfahren, in der Natur sein, Freund*innen treffen, Lesen, Sport machen, Reisen

Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie in Freiburg verändern wollen? Alle FreiburgerInnen müssen die Möglichkeit haben, in einer bezahlbaren Wohnung zu wohnen, in der Bildung sollen alle die gleichen Chancen haben und Freiburg wieder eine offene Stadt für alle werden.

Was wollen Sie in Freiburg für junge Leute besser machen? Ich möchte Kinder und Jugendliche – z. B. über den 8er-Rat – stärker an der Politik beteiligen und ihre Bedürfnisse und Wünsche mehr in städtische Entscheidungen einbeziehen, als es bisher geschieht.

Wie würden Sie Freiburg in einem Satz beschreiben? Freiburg ist eine wachsende und eigentlich liebenswerte Stadt, die sich in den letzten Jahren in die falsche Richtung entwickelt – zu wenig bezahlbarer Wohnraum, immer weniger Freiräume für junge Menschen, zu wenig Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit Einschränkungen und kleinem Geldbeutel.

Manfred Kröber

Alter: 37 Jahre
Partei: B’90 / Die Grünen, trotzdem unabhängig
Beruf: Lehrer (nicht angestellt)
Familie: ledig, ohne Kinder
Hobbys: Schach, Laufen

Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie in Freiburg verändern wollen? Als OB würde ich Freiburg gerne erkennbar ökologischer ausrichten, insbesondere für Mieter und Obdachlose sozialer gestalten. Auch Bürgernähe und Beteiligung sind sehr wichtig.

Was wollen Sie in Freiburg für junge Leute besser machen? Von deutlichen Verbesserungen in den Bereichen Ökologie, Soziales und Bürgernähe/Beteiligung dürften nach meiner Überzeugung auch gerade junge Menschen profitieren.

Wie würden Sie Freiburg in einem Satz beschreiben? Freiburg ist eine besondere Stadt (in der ich gerne lebe), die vieles erreicht hat – die aber auch vor großen Herausforderungen steht!

Stephan Wermter

Alter: 57 Jahre
Partei: Parteilos
Beruf: Unternehmer, (Reiseunternehmen)
Familie: verheiratet, zwei Kinder
Hobbys: Die Arbeit, Biken, Ski laufen, Reisen, Sportwagen fahren

Was sind die drei wichtigsten Dinge, die Sie in Freiburg verändern wollen? a) die Wohnungssituation und das damit verbundene soziale Ungleichgewicht. Aktive Durchmischung der Bevölkerung. b) Freiburg wieder zu einer liebens- und lebenswerten Stadt machen, die pulsiert und nicht hinvegetiert. c) Sicherheit und Ordnung.

Was wollen Sie in Freiburg für junge Leute besser machen? Ein viel breiteres Freizeitangebot (Sportmöglichkeiten, Bildungsmöglichkeiten, Talentförderung in allen Bereichen), Clubs und offene Begegnungsstätten. Begegnungen zwischen Jung und Alt aktiv fördern.

Wie würden Sie Freiburg in einem Satz beschreiben? Freiburg atmet nicht mehr, es hechelt gerade noch.


Anton Behringer (war bei f79-Redaktionsschluss noch nicht als Kandidat bekannt. Mehr Infos: www.anton-behringer.de)

 

 

Fakten zur Wahl

Wahl ab 16 Alle Freiburger ab 16 Jahren dürfen wählen. 2500 Minderjährige sind damit laut Rathaus stimmberechigt. Bei 175.000 Wahlberechtigten macht das 1,4 Prozent der Wähler. Vor einer Gesetzesänderung 2014 lag das Mindestalter bei 18 Jahren.

Ablauf Am 22. April ist erster Wahlgang. Holt kein Kandidat die absolute Mehrheit, gibt es am 6. Mai einen zweiten. Dann gehen die zwei besten Kandidaten ins Duell. Wer dann mehr Stimmen holt, zieht ins Rathaus ein.

Wer darf wählen? Man muss mindestens 16 Jahre alt sein und seit wenigstens drei Monaten in Freiburg gemeldet sein. Außerdem braucht man die deutsche Staatsbürgerschaft oder die eines EU-Landes.

Wer kann kandidieren? Kandidaten müssen Deutsche oder EU-Bürger sein. Sie müssen am Wahltag mindestens 25 und höchstens 68 Jahre alt sein. Außerdem brauchen sie eine sogenannte Wählbarkeitsbescheinigung. Diese gibt es in Papierform oder digital. Sie kostet 14,50 Euro. Noch eine Hürde ist zu überwinden: Jeder Bewerber muss 250 Unterschriften sammeln. Die Bewerbungsfrist läuft vom 17. Februar bis zum 26. März 2018.

Wahlbeteiligung Bei der letzten Wahl 2010 betrug die Wahl­- beteiligung 45,2 ­Prozent – die Geringste seit 1956.

Fotos: © Felix Grotheloh, Fionn Große, Carsten Böhnke, SKUB Fotostudio, privat