Schnelles Handeln: Beim Schlaganfall zählt jede Minute Gesundheit | 29.08.2019 | Tanja Senn

Schlaganfall

Je früher ein Schlaganfall behandelt wird, umso größer die Wahrscheinlichkeit, ihn gut zu überstehen. In der Müllheimer Helios Klinik kümmert sich ein Team von Spezialisten auf der sogenannten Stroke Unit um diese kritischen Fälle.

Sobald der Rettungswagen hält, muss alles ganz schnell gehen: Nur wenige Meter über den hellgelben Flur und schon ist der Patient beim Computertomographen. Hier ist bereits alles vorbereitet, denn im Ernstfall zählt jede Minute. „Je schneller wir handeln, umso mehr Nervenzellen können wir vor dem Absterben bewahren“, erklärt der Ärztliche Direktor der Helios Klinik Hartmut Ehrle-Anhalt.

Umso wichtiger ist es, dass die Betroffenen oder ihre Angehörigen schon bei den ersten Anzeichen – Sehstörungen, Lähmungen oder Probleme beim Sprechen – reagieren und den Notarzt rufen. „Viele Betroffene hoffen, das geht von allein wieder weg oder warten, bis die Hausarztpraxis geöffnet hat“, sagt Oberarzt Björn Reuter. „Das ist ein großes Problem für die Schlaganfallversorgung.“
Oft kämen mehrere Faktoren zusammen, die verhindern, dass der Rettungswagen gerufen wird: Viele unterschätzen das Risiko, da ein Schlaganfall nicht mit Schmerzen verbunden ist, sie sind allein und können sich nicht helfen oder es ist schlicht die Scham, dass ein Rettungswagen vor den Augen der Nachbarn vorfährt. So komme es, dass sich Betroffene immer wieder mit dem eigenen Auto ins Krankenhaus fahren lassen.

Ärzte Ehrle-AnhaLT

Behandeln rund 450 Schlaganfall-Patienten im Jahr: die Spezialisten Hartmut Ehrle-Anhalt (li.) und Björn Reuter.

Zeit ist Hirn

Ein fataler Fehler, denn nur der Rettungsdienst weiß, welche Kliniken über eine Stroke Unit verfügen und gibt dort auch Bescheid. „So sind wir vorbereitet und gewinnen wertvolle Minuten“, sagt Ehrle-Anhalt. Denn bevor die Spezialisten handeln können, muss erst die Art des Schlaganfalls bestimmt werden: Bei den meisten Patienten ist ein Blutgefäß im Gehirn verstopft. So können die Gehirnzellen nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden und sterben ab. Hier ist eine medikamentöse „Lysetherapie“ oder – seltener – eine Katheterintervention möglich. Statt solch eines Hirninfarktes kann es sich aber auch um eine Hirnblutung handeln. „Die Medizin ist in den letzten Jahren viel erfolgreicher darin geworden, auch bei schweren Schlaganfällen gute Ergebnisse zu erzielen“, so Reuter.

Neben der schnellen Behandlung spielt auch die anschließende Überwachung eine große Rolle. In der Helios Klinik kommen Schlaganfallpatienten auf eine eigene Station, auf der kontinuierlich Herzfrequenz, Blutdruck, Sauerstoffsättigung, Blutzucker und Körpertemperatur überwacht und optimiert werden. Die Rehabilitation beginnt in den ersten 24 Stunden: Krankenpfleger, Ergo- und Physiotherapeuten sowie Logopäden sorgen für eine schnelle Mobilisierung. So versucht man, Folgeerkrankungen wie Lungenentzündungen – die nach wie vor ein häufiges Problem sind –, gezielt zu vermeiden.

Auch die Ursachen untersucht das Team rund um die drei Oberärzte der Schlaganfalleinheit sofort: Ist er embolisch und kommt aus dem Herzen oder den großen gehirnversorgenden Gefäßen? Oder hat sich ein kleines Gefäß direkt im Gehirn verschlossen? Je nach Auslöser wählen die Ärzte eine andere medikamentöse Prophylaxe. Die gezielte Behandlung ist einer der Faktoren, warum Patienten immer öfter autark weiterleben können: Ein Viertel ist beschwerdefrei oder mit leichten Beeinträchtigungen nach wie vor selbstständig. Je ein Viertel ist nach dem Schlaganfall dauerhaft pflegebedürftig oder verstirbt – Tendenz kontinuierlich sinkend.

Trotzdem gilt laut Ehrle-Anhalt nach wie vor: „Der Schlaganfall ist die Krankheit, die am häufigsten zu Pflegebedürftigkeit führt.“ Neben den typischen Schlaganfallfolgen wie Halbseitenschwäche und Sprachstörungen können auch Depressionen auftreten, die organisch oder reaktiv bedingt sind und unbedingt mitbehandelt werden müssen. „Das Wesen des Schlaganfalls ist, dass er aus heiterem Himmel kommt und oft die ganze Lebensplanung durcheinanderwirft“, ergänzt Reuter.

Info

Mit dem FAST-Test kann man prüfen, ob jemand gerade einen Schlaganfall hat. Face: Hängt ein Mundwinkel beim Lächeln herab? Arms: Kann die Person beide Arme nach vorne strecken und die Handflächen nach oben drehen? Speech: Kann sie einen einfachen Satz deutlich nachsprechen? Time: Ist eine dieser Funktionen gestört – unverzüglich die 112 rufen!

Fotos: © iStock/shidlovski, tas