Geteilte Leidenschaft: Liner Notes droppen Debüt-Album STADTGEPLAUDER | 12.06.2019

Sechs Musiker. Zwei Stimmen. Ein Sound mit Seltenheitswert. Liner Notes gibt’s erst seit eineinhalb Jahren. Nach rund 20 Shows bringt die Freiburger Band im Juni ihre erste Platte raus. Die könnte HipHop-Fans genauso abholen wie Jazzer oder Soul-Liebhaber. In eine Schublade stecken lassen wollen sich die Musiker aber nicht. Am Freitag, 14. Juni, spielen sie ihre Release-Party im Artik.

Bisher gelten Liner Notes als Geheimtipp. Die Kostproben der Crew sind überschaubar. Sie spielten eine Show bei „Freiburg Stimmt Ein“ auf dem Schlossberg. Im E-Werk machten sie das Vorprogramm für „Lola funkt“. Auch in der Klimperstube in Hugstetten gaben sie ihre Tracks zum Besten. Ein paar Konzerte gab’s außerhalb der Stadt.

Die ersten Hörproben der neuen Platte zeigen: Da ist Potenzial für mehr. Frisch, international und zeitlos klingt das, was die Musiker zwischen 20 und 30 Jahren in den vergangenen Monaten zusammengebraut haben. Soulig kommen Beats und Gesang daher. Ergänzt durch smoothe Rap-Parts, Synthie-Spielereien und ein bisschen Pop-­ Appeal. Auffällig dabei: die entspannte Grundstimmung der Platte. Abriss gibt’s anderswo. Groove, Lyrics und Melodien stehen im Vordergrund.

„Wahnsinnig genervt vom Schubladen-Denken”

Neo Soul nennen die Musiker ihren Sound. Ein Genre, das Sänger wie Erykah Badu oder D’Angelo geprägt haben. Dennoch wehren sich Liner Notes gegen eine Einsortierung. „Ich bin wahnsinnig genervt von Schubladen-Denken“, sagt Bandleader Timo Langpap. „Aber irgendwas musste man ja ankreuzen.“ Die Kollegen lachen. Nach intensiven Produktionswochen ist die Stimmung gelöst. Die CD kam an diesem Vormittag aus dem Presswerk.

Freiburg können sie etwas bieten, das hier selten ist: eine weibliche und männliche Stimme in einer Band. Die beiden singen und rappen – auf Englisch und Französisch. „Das ist ein Wiederkennungswert“, sagt Drummer Paul-Aaron Wolf. Gerade hier im Grenzgebiet sieht er die Band damit gut aufgestellt. Er könnte sich das aber genauso gut in London vorstellen. Gerade war er für ein Auslandssemester in Helsinki. Der internationale Ansatz ist da fast schon selbstverständlich.

Dass Französisch Einzug in ihre Texte findet, ist kein Zufall. Sängerin Julia Mikulec kommt aus der Nähe von Genf und ist Muttersprachlerin. Ihr Kollege am Mikro ist Björn Geiger. Der studierte Tubaspieler ist in Kehl aufgewachsen, lebt aber mittlerweile in Freiburg. Die meisten Bandmitglieder sind oder waren Studenten der hKDM, die jetzt Macromedia heißt.

Genau da ist auch die Band entstanden. Langpap hat die ersten Schritte mit seiner Bachelorarbeit gemacht. Sieben der zehn Album-Tracks hat er dafür geschrieben. Die Abschlussarbeit hieß wie die Platte heute: The Struggle and the Love. Ein Bild für Leid und Liebe eines Musikers.

2014 hörte er Björn Geiger auf einer WG-Party singen und sprach ihn an. Schnell war klar: Sie wollen gemeinsam was starten. Kurz vor der Abgabe seiner BA-Arbeit wurde ihm Julia Mikulec empfohlen, die ebenfalls an der hKDM studiert. Er nahm Kontakt mit ihr auf. Auch dort stimmte die Chemie. Heute ist sie fester Bestandteil der Gruppe und wird von allen Seiten geschätzt: „Sie aufzunehmen, war eine unserer besten Entscheidungen, das passt super zusammen“, sagt Langpap.

„Geheimwaffe” kommt auch live zum Einsatz

Die Tracks erzählen von Sinnsuche, dem Leben als Musiker und von der Hoffnung, sich mit der Kunst selbst zu verwirklichen. Untermalt werden die Stimmen von klassischen Instrumenten wie Klavier, Gitarre und Bass. Auch ein paar Effektspielereien haben sich Liner Notes nicht nehmen lassen. So arbeitet Mikulec mit einem Harmonizer, um ihren Gesang flächiger zu machen. Ein Gerät, das sie auch live einsetzt: „Ich kenne keine Band, die das auf der Bühne nutzt“, sagt Langpap. Für Drummer Wolf ist die Maschine sogar eine „Geheimwaffe“.

Singen und rappen auf Englisch und Französisch: Julia Mikulec und Björn Geiger

Er mag bei Liner Notes, dass jeder seine Freiräume bekommt. In Jazzmanier gönnen sich die Musiker Soli für jeden Einzelnen. Und haben den in Freiburg lebenden US-­Jazztrompeter Gary Barone für ein Feature gewinnen können. Der spielte schon für Frank Zappa. Und steht mit seinem stattlichen Alter für den grenzenlosen Ansatz der Liner Notes.

Wichtig ist ihnen, eine Einheit zu formen. Das Plattencover zeigt sie als ein verschmelzendes Ganzes aus unzähligen Linien. „Solo zu arbeiten, würde mich lang­weilen“, sagt Langpap. Nach der Abgabe seiner Bachelorarbeit hat er das Projekt geöffnet, um es gemeinsam weiterzuentwickeln. „Wir wollen nicht HipHop oder R’n’B sein. Wir spielen einfach los. Das, was dabei rauskommt, kommt raus“, sagt er. „Vieles entsteht spontan“, ergänzt Björn Geiger.

Als großer Freundeskreis verstehen sie sich. „Es fühlt sich bei Liner Notes nicht nach Arbeit an“, sagen sie. Ihr Bandname steht für den Text in CD-Booklets oder auf der Rückseite von CD-Hüllen. Mit dem Titel outen sie sich als Menschen, die solche Infos lesen. Musik-Nerds eben. Das verbindet. Genau wie die Begeisterung für Jazzpianist und HipHop-Produzent Robert Glasper. Der trägt ein Shirt mit dem Aufdruck „I read Liner Notes“, erzählt die Band. Darin haben sich die Freiburger wiedergefunden.

„Wir lieben alle mehr oder weniger den gleichen Scheiß“, sagt Paul-Aaron Wolf. Geteilte Leidenschaften also. Den Struggle macht das leichter. Die Liebe größer. Ideen für die nächste Platte haben sie schon jetzt: Gerne würden sie sich mal an deutschen Texten versuchen.

Live

Liner Notes spielen ihre Releaseparty am Freitag, 14. Juni, im Artik Freiburg. Start ist um 20.30 Uhr. Als Voract treten Swope (RnB, Jazz, Funk) auf. Für die Afterparty legt DJ Mick Martillo auf. Mehr Infos gibt’s im Facebook-Event auf: Albumrelease Liner Notes

Foto: © Linda Stark