„Gigantischer Blumenstrauß“: Freiburger Tüftler feilen am Netz der Dinge STADTGEPLAUDER | 23.07.2018 | Till Neumann

Volle Mülleimer melden, Fahrräder orten, Wasserschächte kontrollieren. Mit dem „Netz der Dinge“ lassen sich unzählige Werte messen – und die Daten energiesparend übertragen. Ein Freiburger hat den Trend hier ins Rollen gebracht. Auch die Badenova mischt mittlerweile fleißig mit. Gerade hat sie ein Gateways im SC-Stadion installiert (Foto oben).

Am Fahrrad von Sebastian Müller ist ein graues Kästchen befestigt, das aussieht wie ein kleines Deospray. Das Gerät am Lenker sprüht aber nicht, es funkt. „Sobald das Rad wackelt, schickt der Tracker Daten auf meinen Telegram-Channel“, erklärt Müller. Der 35-Jährige kann so am Handy die Position seines Rades verfolgen. Ein Diebstahlschutz.

Voraussetzung ist, dass der Tracker am Rad bleibt – noch ist er mit Kabelbindern befestigt. „Etwas improvisiert“, gesteht Müller. Erst mal will er überprüfen, ob der Sender überhaupt zuverlässig Daten liefert – das Projekt steckt schließlich noch in den Kinderschuhen.

Die Technik dahinter ist im Aufwind – sie heißt LoRaWAN. Das steht für Low Range Wide Area Network, ein Netzwerk mit geringer Bandbreite und großer Reichweite. Über sogenannte Gateways können kilometerweit kleine Datenpakete verschickt werden. Müller, der Soziologie studiert, hat die Technik nach Freiburg gebracht und hier die Community The Things Network gegründet. 21 Gateways betreiben die Mitglieder mittlerweile, ein Großteil des Stadtgebiets ist abgedeckt. „Schwach sind wir noch im Osten und in Landwasser, Hochdorf oder am Tuniberg“, erklärt der Tüftler. Sein eigenes Gateway betreibt er seit November.

Die City wird smart: Sebastian Müller hat LoRaWAN nach Freiburg gebracht.

Das Netz wächst – und die Vorteile liegen auf der Hand. Müllers erste Idee war, Feinstaubsensoren in der Stadt zu installieren, deren Messwerte offen einsehbar sind. Der Motor der Sensoren brauche jedoch viel Strom, der Tracker am Rad sei da besser. Mit dem LoRaWAN, einer Idee aus Amsterdam, hat er in Freiburg etwas losgetreten: Die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF) beschäftigt sich mit der Technik. Und der Energieversorger Badenova baut bereits ein eigenes Netz namens I-Nova auf.

„Der Blumenstrauß ist gigantisch“, schwärmt Lea Treick von der Badenova-Gruppe. Die 26-jährige Projektingenieurin sieht unzählige Möglichkeiten fürs Unternehmen: Messungen von Füllständen, Temperaturen, Druck, Bewegungen oder GPS-Koordinaten bieten zahlreiche Ansatzpunkte.

Hat viele Ideen: Lea Treick

Eines der ersten Projekte ist, im Wassernetz Zählpunkte auszulesen. Zehn Sensoren sollen dieses Jahr installiert werden. Geht die Idee auf, spart das viel Zeit. Bisher braucht es zwei Stunden, um einen Wert zu erfassen, erklärt Treick. Experten müssten dafür in jeden Schacht steigen.

Insgesamt 20 Gateways will die Badenova installieren. Neun sind es aktuell. Das jüngste ist an einem Flutlichtmast im Stadion des Sportclubs Freiburg befestigt. Durch die exponierte Lage hat es besonders viel Reichweite, erklärt Treick. Fast vier Kilometer weit kann es senden. Bis auf die Tuniberggemeinden hat Badenova damit das Stadtgebiet abgedeckt. Sogar aus Betonkellern heraus könne man übertragen.

Auch Müller weiß um die Möglichkeiten. Er steht im Kontakt mit dem Rathaus, der Universität sowie der Freiburger Verkehrs AG. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis auch dort Bewegung reinkommt.

Noch ein weiterer Big Player der Stadt könnte davon profitieren: der SC Freiburg. Daten des Rasens könnte gemessen und dem Greenkeeper übertragen werden. Beim Branchenprimus FC Bayern München ist das bereits Realität. Denkbar ist vieles. Möglich fast alles.

Fotos: © Till Neumann, Badenova, privat