Heimspiel: „Das ist Herzensarbeit“ STADTGEPLAUDER | 27.03.2021 | Liliane Herzberg

Bild: Dolmetscher Ahmed Yasin

Tigrinya, Amharisch oder auch Arabisch: Ahmed Yasin beherrscht insgesamt sieben Sprachen. Von Beruf ist der Freiburger Dolmetscher und hilft traumatisierten Jugendlichen.Mit seiner Arbeit möchte der 55-Jährige Gutes tun und denen helfen, die alles verloren haben. Manchmal ist das hart. Aber wenn er sieht, was er bewirken kann, weiß er, warum er seinen Job gerne macht.

„Ich bin in der Hafenstadt Massaua in Eritrea geboren, die war erst Teil der italienischen Kolonie, dann unter britischer Verwaltung und dadurch sehr international. Deshalb bin ich mehrsprachig aufgewachsen. Meine Mutter hat Tigrinya gesprochen, mein Vater Tigre, die offizielle Sprache war Amharisch, die in der Schule Arabisch. Das war eine kleine internationale Insel, da waren viele Griechen, Italiener, Engländer, Araber, viele gestrandete Seemänner.

Mein Großvater war dort Gouverneur, der hat entdeckt, dass ich sprachbegabt bin und er hat mich unterstützt. Dann gab es Krieg und wir sind gejagt worden. Deshalb wurden wir Flüchtlinge, wir sind nach Italien geflohen und dann nach Deutschland. Wir wurden hier willkommen geheißen, uns wurde viel geholfen, und seit 1984 leben wir hier.

Jetzt dolmetsche ich vor allem die afrikanischen Sprachen Tigrinya, Tigre, Amharisch und Arabisch. Neben dem Hocharabisch und Schriftarabisch spreche ich auch verschiedene Dialekte der Volkssprache. Jedes Land hat seinen eigenen Slang. Das habe ich mir über die Zeit hinweg beigebracht.

Meistens arbeite ich in Psychiatrien und Krankenhäusern mit unbegleiteten Jugendlichen, die viel Schlimmes durchlebt haben. Die Leute haben mehr oder weniger die Hölle erlebt. Viele sind mit Albträumen belastet, haben Konzentrationsprobleme, mit ihnen arbeite ich gerne. Die Deutschen sind sehr hilfsbereit, die Ärzte auch, aber es fehlt die Sprache. Und die Jugendlichen wollen ihre Probleme und ihren Schmerz erzählen, aber sie können nicht. Da habe ich meinen Platz gefunden. Für mich ist das Herzensarbeit.

Ich finde es toll, wenn ich sehe, dass es ihnen besser geht und sie jetzt zur Schule gehen und unterwegs sind. Das macht mir die größte Freude, die ich überhaupt empfinden kann. Manchmal habe ich auch gedacht, ich schaffe das nicht, wenn ich gesehen habe, wie am Ende sie manchmal sind. Aber dann sehe ich sie wieder umherspringen und lachen vor Freude und mit Freunden. Dann fühle ich, dass ich was Gutes gemacht habe.

Ich mache das gerne. Natürlich. Es gab Jugendliche, die sind durchgedreht, die kamen mit niemandem mehr klar. Diese Jugendlichen haben alles verloren, die kennen niemanden, können die Sprache nicht und das Einzige, woran sie sich klammern, bin ich. Weil ich die Sprache kann, weil ich ihre Probleme fühle, weil ich ähnlich aussehe, auch geflüchtet bin. Die wollen keine anderen Dolmetscher, sondern nur mich. Sie vertrauen mir.“

Foto: © Mona Mahmud