Joris und Namika: Party und Tiefgang im ZMF-Zirkuszelt STADTGEPLAUDER | 07.08.2019 | Anna Castro Kösel

Gleich zwei große Popstimmen gab’s zum Abschluss auf dem ZMF. Joris und Namika gaben ein Stelldichein im Zirkuszelt. Die beiden lieferten fast gegensätzliche Shows ab, findet chilli-Autorin Anna Castro Kösel.

„Meine Jungs und ich stehen hier, damit wir einen gottverdammten, schönen Abend haben. Und wenn ihr dieses Gefühl von diesem Zauberzelt mit in die echte Welt mitnehmt, dann wird es schon gut kommen.“ So optimistisch und leicht möchte JORIS gerne die Welt haben. Der bei Bremen geborene und in Mannheim lebende Popsänger lässt nichts anbrennen, wenn es um Harmonie von Anfang an geht. Die gute Laune der Fans muss her. Und zwar gleich.

Nach ruhigen, nachdenklichen, fast schon philosophischen Songs auf der akustischen Gitarre, geht es von der E-Gitarre zum Klavier und dann wieder zurück. Dann wird herumgetanzt, von den Boxen gesprungen, zweimal knallen Konfetti-Kanonen.

Für den einen ist das Entertainment pur, für den anderen sind die Wechsel ein bisschen flott. Musikalisch halten sich JORIS und seine „Jungs“ an einfach Klänge. Wenig originell, aber dafür umso eingängiger. Eines ist klar: JORIS hat es sich zur Aufgabe gemacht, so viel Show wie möglich zu machen. Dafür hat er sogar mit seiner Band eine „Music Machine“ mit dem „Thema Wein“ zusammen gezimmert. Weingläser und Weinflaschen werden da zu Instrumenten. Das erinnert fast schon an einen Jahrmarkt.

Macht Party mit seinen Jungs: Herz-über-Kopf-Sänger Joris beim ZMF

Harmonie steht an oberster Stelle. Deswegen verlangt JORIS von seinen Fans: „Nehmt mal die Person rechts oder links von euch, egal ob ihr sie kennt, in den Arm.“ Schöne Geste und kommt super an. Jjedoch scheint alles ein bisschen forciert. Als sein Hit „Herz über Kopf“ ertönt, stimmt das ganze Publikum mit ein.

JORIS versteht es, seine Fans zu entertainen und eine gute Show abzuliefern. Nach der Show spielt er sogar ein kleines Specials für die Fans draußen. Leider bleibt sein Auftritt am Ende etwas seicht. Und angesichts weltpolitischen Lage ein wenig zu positiv.

Eine halbe Stunde später ist Namika dran. Mit Jeans und langärmligem T-Shirt kommt sie auf die Bühne und legt gleich los. Während JORIS viel zwischen den Songs redet, hält Namika sich erstmal zurück. Die gebürtige Frankfurterin lässt ihre Musik für sich sprechen. Namika möchte die Zuhörer*innen auf eine „Reise zum Tiefgang“ mitnehmen. Das gelingt ihr teilweise auch. Tatsächlich sind es dunkle, melancholische Sounds, die sie anschlägt. Auch ihre marrokanischen Wurzeln hört man aus den Lieder heraus.

Sie erzählt von schwierigen Liebesbeziehungen und ihrem unbekannten Vater. Im Song „Ahmed (1980-2002)“, den sie mit ihrer Mutter geschrieben hat, verarbeitet sie die „Hälfte, die immer gefehlt hat“ und nie für sie da gewesen sei. Mit etwas zitternder Stimme singt sind vom Vater, der ihre Mutter hochschwanger zurückließ und wegen Drogenhandels in Abschiebungshaft saß.

Danach ist ihre klare, kraftvolle Stimme wieder da und trifft jeden Ton. Trotz der aufmunternd klatschenden Hände wirkt Namika zurückhaltend. Ein krasser Gegensatz zu Joris, der sich gleich zum Publikumsliebling mausert. Das Eis kann erst durch ein Blitzlichtgewitter brechen, das sie sich selbst wünscht. Ihre Hits „Lieblingsmensch“ und „Je ne parle pás français“ kommen auch bei denen an, die ihren melancholischen Sound nicht so fühlen können. Namika ist in ihrer besonnenen Art eher das Mädchen von nebenan.

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Fotos: © Anna Castro Kösel