Jungpflanzen aus der Demeter-Gärtnerei Piluweri STADTGEPLAUDER | 22.05.2019 | Tanja Senn

Piluweri_Gärtnerei

In der Müllheimer Demeter-Gärtnerei Piluweri gibt es selbst gezogene Jungpflanzen zu kaufen. Eine Seltenheit.

Die Kinderstube der Gärtnerei am Rand von Müllheim-Hügelheim ist ein warmer, sonniger Ort. Noch sind die meisten Zöglinge in dem Gewächshaus nur wenige Zentimeter groß: Kräuter, Gemüsepflanzen und Sommerblumen müssen noch bis Ende April warten, ehe sie das erste Mal in den Hof dürfen. Dort, wo momentan nur eine Schubkarre mit ein paar Salaten und Kräutern steht, warten dann Hunderte von vorgezogenen Jungpflanzen auf ein neues Zuhause im Hausgarten oder Balkonkasten. Einen anderen Ort als die Demeter-Gärtnerei haben die Setzlinge bis dahin noch nicht gesehen.

„Das ist mittlerweile selten“, weiß Horst Ritter, einer der vier Betriebsleiter. „Viele Gärtnereien ziehen die Pflanzen nicht mehr selbst, sondern kaufen sie aus Anzuchtbetrieben.“ Bei Piluweri werden Gemüsepflanzen & Co. jedoch selbst gesät, aufgezogen und biologisch vermehrt. Heißt: Die Pflanzen werden nicht nur – wie von der EU-Bioverordnung vorgeschrieben – ein Jahr lang auf einer Biofläche vermehrt, sondern über viele Jahre hinweg in Biobetrieben gezüchtet.

Alle Pflanzen sind außerdem samenfest. Anders als bei einer Supermarkttomate – deren Kerne man nicht einfach wieder aussäen kann – können Gärtner die Piluweri-Tomaten selbst vermehren. Bleiben da nicht irgendwann die Kunden aus? „Nein, nein“, winkt Ritter gelassen ab, „die meisten kommen trotzdem wieder.“ Schließlich schätzen sie auch die Tipps, die die erfahrenen Gärtner gerne weitergeben: In welchen Abständen sollte man pflanzen? Wie funktioniert das mit dem Hochbinden? Wie viel Wasser oder Dünger braucht welche Pflanze?
Das 50-köpfige Piluweri-Team hilft gerne, Fehler zu vermeiden. Häufiges Problem sei ein „Zuviel“, weiß Ritter, der die Gärtnerei vor 23 Jahren mitgegründet hat. Gartenneulinge würden das Gemüse oft zu dicht pflanzen, weil sie sich nicht vorstellen können, wie groß die Pflanzen einmal werden. Auch davon, gleich fünf Zucchinis zu pflanzen, obwohl eine einzige in der Hochsaison jeden zweiten Tag Früchte trägt, rät Ritter ab. Bei Salat sollte man zudem immer wieder pflanzen, statt große Mengen auf einmal.

Horst-Ritter

Geranien gibt es bei Horst Ritter und seinen Kollegen keine: dafür besondere Blumen wie die Cosmea

Davor, Jungpflanzen zu früh zu kaufen und sie im Freiland erfrieren zu lassen, bewahren die Verkaufszeiten die Kunden. Während es in Baumärkten oder Gartencentern schon seit März allerorts sprießt, startet bei Piluweri erst Ende April der Verkauf. Ob man – wie es gerne heißt – wirklich erst die Eisheiligen abwarten muss, bis die Setzlinge ins Freiland dürfen, kann Ritter nicht beantworten. „Das ist immer so ein Pokerspiel, auf das sich jeder Gärtner einlassen muss“, so der 58-Jährige. „Durch die Klimaveränderung sind die kalten Nächte meist im April zu Ende – aber sicher sein kann man sich nie.“ Sollten sich unerwartet doch kalte Temperaturen ankündigen, empfiehlt der gelernte Landwirt, die Pflänzchen abzudecken oder in kleinen Gewächshäusern etwa mit einer Kerze zu heizen.

Frühreife und Spätzünder kombinieren

Bei der Auswahl sollten Gärtner auf den Mix achten: Sorten, die früh reif werden, mit welchen kombinieren, die spät Ertrag bringen, ertragsreiche mit besonders aromatischen und solchen, die auch einmal eine Krankheit wegstecken. Auch wenn Piluweri selbst züchtet, um neue, besondere Gemüsepflanzen zu erhalten: Alles könne man nicht haben. „Jeder will Tomaten in der Größe von Fleischtomaten, die schmecken wie Cocktailtomaten“, sagt Ritter, „aber da muss man abwägen.“

Bei allen Züchtungen achten die Biogärtner jedoch darauf, dass sie robust und für den Bioanbau geeignet sind. „Viele Pflanzen, die für den konventionellen Anbau gezüchtet wurden, kommen mit dem biologischen nicht zurecht“, weiß Ritter. Zudem sei der eigene Nachwuchs garantiert gentechnikfrei. „Was in den Züchtungshäusern passiert, ist vollkommen intransparent“, so der Gärtner, „wir haben deshalb beschlossen, die Zucht selbst in die Hand zu nehmen.“ Dabei verzichtet Piluweri komplett auf Patente: „Sorten sind Kulturgut und sollten der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.“

Wer selbst keinen grünen Daumen hat, kann übrigens trotzdem von der Arbeit der Piluweri-Gärtner profitieren. Denn neben den Setzlingen verkauft die Gärtnerei auch eigenes Gemüse im Hofladen, auf dem Freiburger und Müllheimer Wochenmarkt oder als praktische Abo-Kiste. Die Kisten kann man sich entweder ganz individuell zusammenstellen lassen oder einfach einen Umfang angeben und sich überraschen lassen. Rund 600 bis 700 Menschen beliefert das Team jede Woche – Tendenz steigend. „Die Abo-Kisten sind ein starker Trend“, so Ritter, „viele Leute wollen regionale Lebensmittel, aber haben keine Zeit, auf den Markt zu gehen.“

Dass die Lieferungen auch im Frühjahr – wo viele Pflanzen die Kinderstube noch nicht verlassen haben – sehr bunt sind, zeigt ein Blick in die Gewächshäuser und auf die 40 Hektar Freilandfläche. Hier wachsen schon jetzt Kräuter und Salate, Kohlrabi und Brokkoli, Frühkartoffeln und Lauch. Und wem das nicht reicht – da ist das Piluweri-Team nicht streng – bekommt auch Tomaten oder Zitronen aus Südeuropa. Natürlich bio.

Fotos: © Tanja Senn