Körperwelten-Ausstellung in Freiburg STADTGEPLAUDER | 01.06.2019 | Philip Thomas

Blick in die Ausstellung

Mehr als 40 Millionen Besucher hat Gunther von Hagens’ Körperwelten seit der ersten Ausstellung 1995 in 22 Ländern angelockt. Bis August sind die Plastinate in Freiburg zu bestaunen.
„Ich kann nicht sagen, wann ich meine erste Leiche gesehen habe“, sagt Rurik von Hagens in dem 30.000 Quadratmeter großen Komplex in Guben, an der Grenze zu Polen. In dem roten Backsteinbau befinden sich womöglich mehr Leichenteile als auf dem örtlichen Friedhof. Vor einem Türspalt, durch den helles, rosarotes Licht dringt, hält er kurz inne. „Hier befindet sich das neueste Hobby meines Vaters“, sagt der 39-Jährige. Und drückt die Klinke runter. Hinter dem Durchgang in der alten Tuchfabrik liegt ein komplett in Alufolie gekleideter und mit Kronleuchtern behängter Raum. Darin steht ein Mitarbeiter und wässert Kakteen. „Die werden auch plastiniert“, sagt Gunther von Hagens.

Ob Kakteen, Käsekuchen oder Elefanten, plastiniert hat Dr. Tod – wie die Presse ihn taufte – schon fast alles. „Mein Vater ist im Herzen ein Wissenschaftler“, sagt Rurik von Hagens. Sein Senior ist aber auch ein Geschäftsmann: Ein menschlicher Körper kostet plastiniert rund 70.000 Euro. Für ein Pferd mit knapp 1500 Arbeitsstunden werden 100.000 Euro fällig.

Damit das Plastinarium immer genug Leichen im Keller hat, fährt ein Wagen jede Woche Verstorbene nach Guben. Nachdem die Spenderverfügung geprüft und die Identität des Verstorbenen unkenntlich gemacht wurde, landen die Körper in einer der 55 Kühltruhen. „Die Anonymität der Spender soll gewährleistet sein“, sagt Rurik von Hagens. Deswegen kämen sie auch nicht mit Namen, sondern mit einer Nummer auf den Präparationstisch.

Blick ins Plastinarium

Auf Herz und Nieren geprüft: Bevor sie als Plastinate in die Austellung kommen, werden Leichen in Handarbeit bearbeitet.

Diese Tische sind für Besucher durch eine Glasscheibe sichtbar. Hinter der Scheibe riecht es dezent nach Hühnchen. „Das ist Ethanol“, erklärt Frank Zscholpig, der gerade mit einer feinen Pinzette eine Hüfte von ihrer Haut befreit. Der 53-Jährige ist einer von rund 45 Präparatoren in Guben. „Wir müssen damit umgehen können und das tun wir auch“, sagt der ehemalige Hutmacher.

„Unsere Präparatoren haben mehr Ahnung als der typische Medizinabsolvent“, sagt von Hagens über das bunt gemischte Team. Neulinge müssen sich erst mal an einer Leber versuchen. Diese werden wie alle Körperteile nach der Kühlung in einem Azeton-Bad vom Fett befreit, anschließend durch eingespritzten Kunststoff ausgetauscht, in Szene gesetzt und ausgehärtet.

Einen Tisch weiter arbeitet Sabine Wegener an einem geöffneten Torso. Auch sie trägt eine Schutzbrille, Handschuhe bis zu den Ellenbogen und eine blaue Plastikschürze. „Ich bin gelernte Psychologin, mich interessiert aber der Körper in seiner Gesamtheit, und im Endeffekt erfüllen wir den Willen des Spenders.“

Rund 18.000 Spender seien in Guben gemeldet. „Es kann aber sein, dass da ein paar Karteileichen dabei sind“, scherzt Rurik von Hagens. Rückläufig sei nur die Kontroverse. „Der Skandalwert hat sich etwas verloren“, sagt der Geschäftsführer. Kritiker gebe es aber trotzdem noch genug. Diese hätten aber fast alle eine Gemeinsamkeit: „Sie haben die Ausstellung nicht gesehen.“

Schließlich werde vor allem die Kostbarkeit des Körpers vermittelt und auch ein Bewusstsein für die eigene Hülle geschaffen. „Wir zeigen den Menschen darin immer als Menschen, wir machen aus Körpern keine Möbelstücke“, sagt der Sohn. Diskussionen um sich und sein Werk hätten seinen Vater aber nie gestört. Im Gegenteil: Dr. Tod findet sie „belebend.“

Info

Gunther von Hagens’ Körperwelten
Wann: 17. Mai – 25. August
Wo: Messe Freiburg

Fotos: © pt, Körperwelten