Mehr als Bio: die mobilen Hühner des Steingrubenhofs STADTGEPLAUDER | 07.10.2021 | Tanja Senn

mobile Tierhaltung von Isabell Blattmann und Timothy Taylor Im Einklang mit der Natur: Die mobile Tierhaltung sorgt dafür, dass die Weiden nicht überdüngt werden.

„Wir fahren nicht das Standard-Bioprogramm“, sagen Isabell Blattmann und Timothy Taylor. Seit Anfang des Jahres bewirtschaften sie den Steingrubenhof in St. Peter und brechen dabei mit einigen Konventionen. Zum Wohle von Tier und Natur.

Ein kleiner Ruck an einer Metallschlaufe und schon zieht Timothy Taylor den mobilen Hühnerstall hinter sich her. Die von der Decke hängenden Futterrinnen – umfunktionierte Regenrohre – kommen leicht ins Schwingen, ein paar Hühner bringen sich gackernd in Sicherheit. Ein paar Meter weiter bleibt der junge Landwirt stehen – und schon haben seine Tiere ein neues Zuhause mit frischem, saftigem Gras. Seine Partnerin Isabell Blattmann tut es ihm gleich, bis alle sechs Ställe umgesetzt sind und die rund 600 Hühner neuen Weidegrund haben.

Isabell Blattmann und Timothy Taylor

Landwirte aus Leidenschaft: Isabell Blattmann und Timothy Taylor haben sich der Ökologie verschrieben.

Keine Viertelstunde hat der Vorgang gedauert, den die beiden Landwirte aus St. Peter Tag für Tag wiederholen. Und der so wichtig ist, um das Gleichgewicht zwischen Tierhaltung, Natur und Umwelt auf ihrem Schwarzwaldhof aufrechtzuerhalten. „Wir arbeiten mit der Weide und nicht gegen sie“, fasst es Blattmann schlicht zusammen. Eine Selbstverständlichkeit? Leider nicht. Auch nicht in der Bio-Haltung.

Tiere, die immer auf derselben Stelle weiden, überdüngen den Boden. Darunter leiden Pflanzen, Humus und Grundwasser. Mobile Hühnerheime liegen daher bei Öko-Betrieben im Trend, nur: Bei Investitionskosten um die 40.000 Euro pro Stall sind die Kosten pro Federvieh fast doppelt so hoch wie in der konventionellen Haltung. Zudem müssen die meisten Mobile aufwendig mit dem Schlepper versetzt werden.

Selbst gebaute Ställe

Blattmann kann darüber nur den Kopf schütteln. Statt Tausende von Euro zu investieren, hat die Architektin ihre Ställe selbst designt und mit Taylor zusammen aus heimischem Holz, Planen und Draht gebaut. So klein und leicht, dass sie sich von Hand versetzen lassen, denn: „Was bringen Mobilställe, wenn sie nur alle drei Monate bewegt werden?“

Auch bei anderen Themen gehen die jungen Landwirte ihren eigenen Weg. So haben sie sich für eine langsam wachsende, bewegungsfreudige Rasse entschieden, die rund elf Wochen bei ihnen lebt. Als Schutz vor dem Habicht setzen sie auf Gänse und Lämmer. Wie das aussieht, zeigen sie nicht nur auf ihren Social-Media-Kanälen, sondern auch direkt vor Ort. Und das radikal ehrlich: So sind auf Instagram & Co. nicht nur flauschige Küken, sondern auch Bilder von den Schlachtungen zu sehen.

kleines flauschiges Kücken

„Wir wollen die Kluft zwischen Landwirt und Konsument verkleinern“, erklärt der 28-jährige Neuseeländer, „und zeigen, was alles hinter unserer Arbeit steckt.“ Für viele sei es schwer verständlich, warum man im Bioladen teils das Fünffache für Produkte zahle – und warum ein Bio-Weidehähnchen bei ihnen stolze 29 Euro kostet. Doch Blattmann und Taylor sind sich sicher: Wer sich selbst davon überzeugt, wie die Tiere bei ihnen gehalten werden, ist auch bereit, diesen Preis zu zahlen.

Für Blattmanns Eltern, deren Hof die beiden im Januar übernommen haben, sei die konventionelle Milchkuhhaltung noch wirtschaftlich zwingend gewesen. Dass sie es nun anders machen können, sei „ein Privileg“. Doch hinter ihrem „mehr als Bio“ stecken nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Überlegungen: „Kleine Schwarzwaldhöfe sind mit konventioneller Haltung nicht mehr wettbewerbsfähig“, ist sich die 32-Jährige sicher. „Der einzige Weg, wie wir langfristig noch Geld verdienen können, ist durch ökologische Landwirtschaft und Direktvermarktung.“

Neben den Hühnern leben auf den Weiden des Steingrubenhofs noch zehn „gerettete“ Vorderwälder Kälber, die Blattmann und Taylor von Höfen aus der Nachbarschaft aufgekauft haben – teilweise für den zehnfachen Preis, den die großen Viehhändler zahlen.

Für die Zukunft haben die beiden große Pläne: Neben ihren Hühnern und Kühen würden sie gerne Gänse und im Wald lebende Schweine halten. Zudem träumen sie von einem Agroforst-System, einem Hofladen und Events mit Musik und gutem Essen, um den Menschen ihre Produkte und ihren Hof näherzubringen.

„Viele Leute haben ein sehr oberflächliches Verständnis von landwirtschaftlichen Kreisläufen“, sagt Taylor, „weil einfach die Berührungspunkte fehlen. Deswegen freuen wir uns über jeden, der bei uns vorbeischauen will: Die Tür ist immer offen!“

Fotos: © Steingrubenhof