Loops aus dem Labor: Producer Paul-Aaron Wolf mixt Retro und Moderne STADTGEPLAUDER | 01.06.2021 | Till Neumann

Paul-Aaron Wolf Geht neue Wege: Schlagzeuger und Produzent Paul-Aaron Wolf

Seit 17 Jahren spielt er Schlagzeug. In der Pandemie konzentriert sich Paul-Aaron Wolf aber aufs Producing. Gerade hat der 27-Jährige das Video „Youth“ veröffentlicht. Es zeigt eindrücklich, wie der Freiburger mit Retro-Maschinen modernen Nerd-Sound kreiert.

Eine riesige dunkle Halle, ein paar Lichter, Schritte hallen. Paul-Aaron Wolf läuft zu einem Tonbandgerät. Im Schein einer goldenen Lampe sieht man, wie sich Tonbänder meterweit durchs Halbdunkel drehen. Wolf tippt sie mit einem Finger an, die Frauenstimme leiert, fängt sich wieder.

Das Video zu „Youth“ hat der Freiburger Künstler im März auf Youtube veröffentlicht. Es gibt in sieben Minuten tiefe Einblicke in den Mikrokosmos des Produzenten: Er bedient Maschinen aus Vor-MP3-Zeiten, spielt mit Samples, setzt sich selbst ans Schlagzeug, singt.

Wolf weiß, dass sein Werk mit Mainstream-Mechanismen bricht: „Die normalen Zuschauer·innen sehen einen Typ, der an komischen Maschinen Knöpfe drückt, irgendwann singt und Schlagzeug spielt und dann weitere Knöpfe drückt.“ Nerds könnten im Video aber mehr entdecken: zum Beispiel Legenden der Musikgeschichte wie die MPC-Samplemaschine oder die Kunst, ganz ohne Laptop und Software einen Sound zu kreieren, der trotzdem modern klingt. „Das lässt glaube ich das Herz der Gear-Nerds höherschlagen“, sagt Wolf. Seine Arbeit wirkt wie aus einem Labor: Er gestaltet Töne, lässt sie wirken und reagiert darauf. Zu den Loops improvisiert Wolf am Drumset.

Entstanden ist das Video als One-Take. Sebastian Lucht von den Visual Creators hat es ohne Schnitte gefilmt. Bis ins Morgengrauen drehten die beiden in einer Holzverarbeitungsfabrik. Für Wolf ist „Youth“ auch ein Trip in seine Jugend: „Die Mood von dem Song hat mich an einige zufällige Szenen aus meiner Kindheit erinnert.“ Es gehe um das Gefühl, verliebt zu sein, aber Angst zu haben, von Gleichaltrigen für so etwas ausgelacht zu werden. „Als Kind war ich eher Alleingänger“, erinnert er sich. Heute kennt man ihn als Teamplayer: Paul-Aaron Wolf ist Drummer der sechsköpfigen Freiburger Band Liner Notes, die Hip-Hop, Jazz und Soul mixt.

Schon als Kind singt er Beatles-Songs mit der Familie

„Paul gibt immer Vollgas beim Schlagzeugspielen“, lobt Sängerin und Bandkollegin Julia Mikulec. Sie schätzt seine Energie, Begeisterung und Experimentierfreude: „Er bringt seine eigene Note in Songs ein.“ Wer Wolf am Schlagzeug sieht, merkt schnell: Das ist kein Drummer, der sich hinter den Becken versteckt. Extrovertiert und ausdrucksstark ist sein Spiel. Für Soli gibt’s Sonder-Applaus. „Seine Ausstrahlung ist nicht zu übersehen“, findet Mikulec. Mit ihm wolle man nicht nur Musik machen, sondern sich auch bei einem Kaffee über alles Mögliche austauschen.

Aufgewachsen ist Wolf im pfälzischen Kandel. „Zu Hause lief sehr viel Klassik, Prog-Rock und Soul-Musik, eher weniger der Fernseher“, erinnert er sich. Bei Familientreffen sangen sie Beatles-Songs und tun es noch heute. „Das hat die Liebe zur Musik sehr früh geweckt und ich wollte immer ein Teil von ihr sein“, sagt Wolf. Sein Onkel schenkte ihm zwei Congas, dann kam ein Schlagzeug dazu. Das Instrument begleitet ihn bis heute.

Fürs Studium an der Macromedia-Hochschule verschlug es ihn nach Freiburg. Den Bachelor in Jazz-Schlagzeug hat er 2020 noch vor der Pandemie abgeschlossen. Geplante Tourneen fielen dann ins Wasser. Hart sei das gewesen – auch finanziell. „Gott sei Dank ist im Studium Musikproduktion ein Ding für mich geworden“, erzählt der Musiker, der sich im Keller seiner WG in Freiburg-Zähringen ein Studio eingerichtet hat. Zuletzt hat er die experimentierfreudige Jazz-Electronic-EP „JZZLTC“ rausgebracht und startete die ersten Produktionen für andere Künstler. Zudem veröffentlicht er als „Slowolfed“ HipHop-Instrumentals. Auch ein Elektro-Format ist in Arbeit.

Die Zugriffe sind bisher überschaubar. Das große Geld wirft das noch nicht ab. Daher ist Wolf heilfroh, zu unterrichten. „Hätte ich nicht schon einen Pool an Schülern gehabt, wäre ich wirklich komplett am Arsch gewesen“, erzählt Wolf. Zuletzt war er bei einem sechswöchigen Popkurs in Hamburg. „Eine Kreativhöhle ohnegleichen“, schwärmt der Drummer. Mit 40 anderen Musiker·innen arbeitete er dort an Songs.

In Freiburg hat sich Wolf einen Ruf als exzellenter Drummer erarbeitet. Er gilt als kommunikativ, kreativ und stets top vorbereitet. Von Wolf weiß man aber auch: Er hat viel zu tun und ist nicht leicht zu kriegen. Kein Wunder, bei der Fülle an Projekten. Das Potenzial, auch mit eigenen Kompositionen aus der Masse rauszustechen, hat er mit „Youth“ gezeigt. Der nächste Schritt ist nun die Bewerbung für einen Master an der Popakademie Mannheim. Für seine Entwicklung wäre das ein guter Schritt. Für Band- und Musikerkollegen in Freiburg aber kein leichter Abgang.

Foto: © Linda Stark