Paul von Hindenburg: Kein Ehrenplatz in der Ortschronik STADTGEPLAUDER | 06.03.2021 | Erika Weisser

Claudia Meissner Gemeinderat

Am 28. Januar entzog der Gundelfinger Gemeinderat dem früheren Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Ehrenbürgerwürde. Claudia Meissner erzählt, wie es dazu kam.

Lust auf REGIO: Was hat Sie und fünf weitere Menschen bewogen, diese Initiative zu starten?

Claudia Meissner: Mein Mann und ich erfuhren bei der Lektüre des Kapitels über die Nazizeit in der Ortschronik, dass Hindenburg im Jahr 1933 zusammen mit Hitler und dem damaligen Gauleiter Robert Wagner zum Ehrenbürger des Dorfes ernannt wurde. Nachforschungen im Gemeindearchiv ergaben, dass dieser Titel nie zurückgenommen wurde, während dies bei den beiden anderen im Jahr 1948 geschah. Wir fanden das skandalös und verfassten mit befreundeten Menschen aus Gundelfingen einen Antrag, in dem wir forderten, dass die  Gemeinde dies nun nachholen müsse.

Lust auf REGIO: Weshalb war das 80 Jahre nach seinem Tod für Sie so wichtig?

Claudia Meissner: Die Ehrenbürgerschaft war bereits erloschen, doch das erschien uns zu billig. Wir wollten, dass Gundelfingen sich bewusst und aktiv von diesem Militaristen distanziert, der als Verfechter der Dolchstoßlegende schon vor seiner 1925 erfolgten Wahl zum Reichspräsidenten nationalistischen Kräften den Boden bereitete. Und der ganz konkret zum Steigbügelhalter der Nazis wurde, als er Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannte – trotz rückläufiger NSDAP-Stimmen bei der Reichstagswahl im November 1932.

Lust auf REGIO: Haben Sie mit dem einstimmigen Votum gerechnet?

Claudia Meissner: Nein. Zwar gab es, nachdem wir uns im Frühjahr 2020 mit unserem Anliegen an die Gemeinderatsfraktionen gewandt hatten, positive Resonanz: Einzelne Gemeinderäte, denen das bis dahin auch nicht bekannt war, unterstützten uns und brachten unseren Antrag in das Gremium ein. Doch wir hätten nicht gedacht, dass es dort solch eine einhellige Zustimmung geben würde. Wir freuen uns darüber und begrüßen es sehr, dass die Gemeinde diesen Mann nun als Ehrenbürger gestrichen hat. Denn dort hat er nichts verloren. Die Entscheidung motiviert uns außerdem zu weiteren Recherchen. Auch 76 Jahre nach Ende des NS-Regimes ist die Aufarbeitung der Geschichte wichtig, da heute wieder Rechtsextremisten allenthalben ihr politisches Unheil anrichten.

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