»Es ist ein Drahtseilakt« – Friederike Schulte im chilli-Interview Politik | 18.12.2024 | Philip Thomas

Friederike Schulte

Seit 14 Jahren leitet Friederike Schulte das Freiburger Carl-Schurz-Haus. Ab kommendem Jahr muss die Direktorin des Amerika-Hauses wohl mit weniger Geldern und Donald Trump als US-Präsident auskommen. Im Interview mit chilli-­Redakteur Philip Thomas spricht die 47-Jährige über Programmänderungen, Weltoffenheit und gesellschaftlichen Kitt.

chilli: Frau Schulte, haben Sie damit gerechnet, dass alle sieben Swing States an Donald Trump gehen?

Schulte: Es war waghalsig, Prognosen abzugeben, weil klar war, dass es eng wird. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass die sogenannte Blue Wall komplett rot wird.

chilli: Das Carl-Schurz-Haus hat sich politisch nicht positioniert.

Schulte: Wir sind eine Plattform und eine binationale, unparteiische Institution, mit der Aufgabe, die Kommunikation und Verständigung zwischen Deutschland und den USA zu verbessern. Wichtig ist uns, dass nicht nur über die USA gesprochen wird, deshalb ermöglichen wir in erster Linie Begegnungen durch Kunst in Form von Texten, Bildern oder Musik und natürlich mit Menschen aus den USA. Ich glaube, das ist die einzige fruchtbare Herangehensweise. Natürlich sind wir aber eine stark demokratisch geprägte Institution: Die Amerika-Häuser wurden nach dem Zweiten Weltkrieg mit Marshall-Fund-Geldern ins Leben gerufen, um in Deutschland den Demokratiegedanken zu stärken. Das ist ein Gut, das wir hochhalten. Und das muss man im Moment ein bisschen retten.

chilli: Was bedeutet das Ergebnis der Präsidentschaftswahl für Ihre Arbeit?

Schulte: Zu Trumps erster Amtszeit haben wir Programme zu Strafzöllen und Rhetorik in der Politik gemacht, und das bleibt auch wichtig. Nun laufen wir jedoch Gefahr, uns auch hier in Deutschland in der Blase zu bewegen. Um der Stadt weiterhin Weltoffenheit und US-Kultur näherzubringen, müssen wir den Blick für möglichst viele Menschen weiten und unsere kulturellen Angebote in andere Räume bringen. Ich halte viel von Kultur als gesellschaftlichem Kitt. Politische Diskussionen wollen wir ohne Holzhammer führen, ich muss nicht extrem auseinandergehende Meinungen auf einem Panel zusammenbringen.

»Ohne  Holzhammer«

chilli: Das klingt nach einer Gratwanderung.

Schulte: Es ist ein Drahtseilakt, in den USA kann man die Situation als aufgeheizt bezeichnen. Wichtig ist für uns aber, keinen politischen Frontalunterricht mit erhobenem Zeigefinger zu machen, sondern weiterhin mit einer gewissen Leichtigkeit und Freude die US-Kultur zu vermitteln und zu zeigen, welche Vielfalt es dort drüben in Form zeitgenössischer Kunst, Kultur und Ideengeschichte gibt.

chilli: Also seichtes Programm?

Schulte: Wir wollen auf keinen Fall eine Vermeidungsstrategie fahren. Wir werden uns die Situation anschauen und setzen auch Schwerpunkte zur aktuellen Politik oder zu sehr umstrittenen Aspekten der US-Kultur wie den Waffengesetzen oder wie erst kürzlich zur Todesstrafe.

chilli: Laut dem Entwurf des Bundeshaushalts steht dafür weniger Geld zur Verfügung: Statt 990.000 Euro sind im kommenden Jahr nur noch 550.000 Euro vorgesehen …

Schulte: Das entspricht einer Kürzung der Freiburger Programmgelder in Höhe von 40.000 Euro. Für uns bedeutet das eine starke Restrukturierung des Programms. Dabei bräuchten wir eigentlich 40.000 Euro mehr, um Inflation und Tarifverträge zu decken. Wir müssen also schauen, dass wir andere Geldgeber gewinnen. Ich versuche, Sponsoren zu finden, wir werden die Eintritte erhöhen müssen und gleichzeitig schauen, wo wir etwas straffen, verringern oder auch streichen.

chilli: Ist der Standort an der Eisenbahnstraße gesichert?

Schulte: Zum Januar 2027 läuft der Vertrag aus. Dann wird sich unsere Miete verdoppeln und es muss noch mal ganz neu kalkuliert werden. Neben Land und Amerika trete ich nun an die Stadt als Zuschussgeber heran.

chilli: Wie wichtig ist der Standort?

Schulte: Weil wir rund 40 Prozent unserer Gelder mit Sprachkursen selbst generieren, ist die Lage sehr wichtig, hier sind wir gut angebunden. Ich gucke mich seit zwei Jahren um, aber woanders werden wir nichts Preiswerteres finden. Finanziell ist die Lage also ziemlich prekär, wir merken aber auch Rückhalt. Einzelpersonen und Fördervereinsmitglieder unterstützen uns bereits. Ich weigere mich, klein zu denken, weil ich unsere Arbeit für demokratisch relevanter denn je halte. Es geht nicht nur darum, die USA besser kennenzulernen: Die Perspektive auf eine andere Nation ermöglicht auch, den Blick auf sich und die eigene Umwelt zu schärfen und die eigene Situation besser zu verstehen. 

chilli:Frau Schulte, vielen Dank für das Gespräch. 

Fotos: © Philip Thomas