»Wie eine Waschmaschine für Gedanken« – Freiburger Running Club Ukrainotschka verbindet Sport und Solidarität Sport | 14.04.2025 | Philip Thomas

Anfang April fand der 20. Freiburg Marathon statt. An den Start gingen auch Mitglieder des vor drei Jahren gegründeten Running Club Ukrainotschka. Viele im Verein laufen auch, „um den Kopf freizubekommen“. chilli-Redakteur Philip Thomas hat die Joggingschuhe geschnürt und das Abschlusstraining besucht.
„Heute machen wir ganz entspannt“, sagt Nadiya Falk-Kumanska drei Tage vor der 20. Ausgabe des Freiburg-Marathons. Dabei ist der Termin für die Ausdauersportlerin eher ein lockerer Aufgalopp. 14 sogenannte Ultramarathons, also Läufe jenseits der 42-Kilometer-Marke, hat die 44-Jährige schon in den Knochen. Der Längste ging 171 Kilometer über Schweizer Berggipfel im Jahr 2021.
Nach dem russischen Angriff auf ihr Heimatland gründete die Freiburgerin im Mai 2022 den Running Club Ukrainotschka. Damals mit vier Mitläufern – fast drei Jahre später zählt der Verein 54 Mitglieder. „Wir wollten Flüchtlingen Halt geben. Sport kann in schwierigen Zeiten entlasten“, sagt Falk-Kumanska. Das Angebot sei jedoch für jeden offen. Im Verein ist auch eine Russin, außerdem ein Franzose sowie einige Deutsche.
Zum heutigen Training auf dem Gelände des PTSV Jahn sind 15 Läuferinnen und Läufer erschienen. Zum Aufwärmen geht es einige Runden über die Tartanbahn. „Laufen ist wie eine Waschmaschine für Gedanken, danach sind sie sauber und frei“, sagt Falk-Kumanska. Die Kreisläufe über das ebene Orange sind allerdings nicht ihr Favorit. „Berge machen mich glücklich, es ist wirklich ein Privileg, hier zu leben“, sagt die Sportlerin, die seit mehr als 20 Jahren im Breisgau wohnt und lieber über Bergpfade rennt.
Nach einer halben Stunde im durchaus moderaten Tempo zeigt sich: Die Gruppe setzt sich aus Gelegenheitsläufern, Hobbysportlern und Wettkämpferinnen zusammen. Einige suchen nach Gemeinschaft, andere wollen fit werden, wiederum andere ihr Deutsch verbessern. Immer wieder streuen die Läufer Events zwischen das wöchentliche Training: Rheinschwimmen in Basel, Wanderungen auf den Belchen, Mitte März ging es zum sogenannten Plogging-Run, Müll an der Dreisam aufsammeln.
Nach der bereits schweißtreibenden Aufwärmrunde werden die Schuhe ausgezogen: Barfußtraining auf der Wiese. „Die meisten laufen über den Ballen, moderne Laufschuhe machen es möglich – aber über den Vorderfuß werden die Gelenke entlastet“, erklärt Falk-Kumanska die Technikeinheit. Vor allem bei Einsteigern sei das Pensum oft zu hoch, das bringe Verletzungen mit sich. Also Knie anziehen, Kopf hoch, Arme anwinkeln. Die Umstellung des Laufstils könne aber selbst bei regelmäßigem Training bis zu einem Jahr dauern, so die Expertin.
»Fordert gesamten Körper«
Beim abschließenden Athletiktraining setzt die Gruppe auf Bewährtes: Liegestützen, Squats, Sit-ups und Seilspringen stehen auf dem Programm. „Laufen fordert nicht nur die Beine, sondern den gesamten Körper“, erklärt Falk-Kumanska.
Die Stimmung ist gut, es wird oft gelacht. Trotzdem sind viele im Verein mit den Gedanken in der Ukraine. Denn sie haben dort nach wie vor Familie und Freunde. „Ich mache mir jeden Tag Sorgen“, sagt Falk-Kumanska. Ihre Eltern wollten die Ukraine nach dem russischen Überfall jedoch nicht verlassen. „Das ist ihr Zuhause“, erklärt sie.
Laufen könne helfen, mit diesen Gedanken fertigzuwerden und den Kopf freizukriegen. „Das hilft immer“, betont Falk-Kumanska. Schwierig werde es jedoch in Verletzungspausen. So zwang ein Unfall beim Mountainbiken die Dauerläuferin zuletzt, die Schuhe stehen zu lassen: „Das war wirklich die Hölle.“
Foto: © Jochen Bitzenhofer