Braucht Freiburg ein Feuerwerk-Verbot? STADTGEPLAUDER | 28.12.2019 | Till Neumann

Ist privates Silvester-Feuerwerk noch zeitgemäß? Das fragen sich immer mehr Menschen. München hat die Ballerei in der Fußgängerzone verboten. Andere Städte schränken das Spektakel ebenfalls ein. Auch in Freiburg fordern Bürger strengere Regeln. Das chilli hat sich umgehört: Was hält man im Rathaus, in der Notaufnahme, bei der Feuerwehr oder der Abfallwirtschaft vom alljährlichen Raketenmassenstart? 

Sammelt Unterschriften: Sebastian Müller

750 Unterschriften hat Sebastian Müller bislang gesammelt. Der Freiburger Altstadtrad möchte, dass Privat-Feuerwerk in der Innenstadt eingeschränkt wird. Seine Argumente: Lärm, Müll, Unfälle. „Leute trinken erst Alkohol, dann hantieren sie mit Sprengstoff, das ist nicht normal“, sagt Müller.

Er wünscht sich, dass der Gemeinderat das Thema aufgreift. Möglich machen würde das ein Bürgerantrag, für den 2500 Unterschriften nötig sind. Ein Ziel, dass für Müller noch weit entfernt ist. Die zurückhaltende Teilnahme hat für ihn zwei Gründe: die Angst vor Verboten, und dass viele sich mit der unkontrollierten Knallerei abfinden: „Sie nehmen das hin als eine Sache, die schon immer so war.“

Dennoch ist Bewegung drin: Die Stadt München hat in der Fußgängerzone Feuerwerkskörper komplett verboten. Im erweiterten Innenstadtbereich sind Raketen erlaubt, Böller aber untersagt. Aus Sicherheitsgründen. Auch Karlsruhe, Stuttgart, Berlin oder Köln haben an zentralen Plätzen Verbote verhängt. Das ist ganz im Sinne der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die hat mittlerweile in 98 Städten einen Antrag auf Feuerwerk-Verbote gestellt.

„Archaische Schwarzpulver-Böllerei“

5000 Tonnen Feinstaub werden laut DUH in der Silvesternacht in Deutschland freigesetzt. Das seien fast 16 Prozent des Feinstaubs, der jährlich im deutschen Straßenverkehr ausgestoßen wird. „Wir wünschen uns weiterhin freudige Feste zum Jahreswechsel, aber ohne verpestete Luft, brennende Häuser, verletzte Menschen und verängstigte Tiere durch archaische Schwarzpulver-Böllerei“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch.

Diese Probleme sind auch bei der Freiburger Feuerwehr bekannt. 28 Einsätze hatte sie in der vergangenen Silvesternacht. „Neben den klassischen Bränden von Müllbehältern und Papierkörben mussten die Einheiten zu zwei Balkonbränden, einem Pkw- und einem Zimmerbrand ausrücken“, berichtet sie auf chilli-Anfrage. Dennoch könnte man die Nacht als Erfolg werten: Im Vergleich zum Silvester 2017/2018 gab es keine Übergriffe. Vor zwei Jahren wurden die Einsatzkräfte noch „mit Feuerwerkskörpern beworfen“.

Einen Trend zu mehr Einsätzen kann die Feuerwehr nicht feststellen. Dennoch sind die Brandbekämpfer überzeugt: „Ein Verbot von Silvesterfeuerwerk würde aus Sicht der Feuerwehrleute das Risiko durch unsachgemäßen Umgang mit Feuerwerkskörpern verringern.“

„Er hatte keine Chance“

Notaufnahme-Chef: Thorsten Hammer

Auch die Notaufnahme der Uniklinik hat zum Jahreswechsel alle Hände voll zu tun. Vom Ausnahmezustand will Leiter Thorsten Hammer aber nicht sprechen. „Der ist eigentlich immer hier“, sagt der 46-Jährige. Seit 18 Jahren ist er dort im Einsatz. An den heftigsten Fall erinnert er sich gut: Ein Böller sprengte einem Jugendlichen die rechte Hand weg. „Er hatte keine Chance“, erzählt Hammer.

Eine bis drei ernste Feuerwerksverletzungen landen im Schnitt Silvester in der Notaufnahme. Meistens sei Alkohol ihm Spiel. Und illegale Böller, die im Internet aus Osteuropa bestellt werden. Die seien unkalkulierbar, warnt Hammer. „Wenn die Leute mit dem Feuerwerk vernünftig umgehen, wäre das alles kein Problem“, sagt er. Für ihn gilt in Sachen Privatfeuerwerk: „Ein Verbot wäre aus ärztlicher Sicht mehr als vernünftig.“

Martin Horn würde Verbot begrüßen

Der Leiter der Abfallwirtschaft Freiburg (ASF) formuliert es vorsichtiger. „Silvesterfeuerwerk gehört dazu“, sagt Geschäftsführer Michael Broglin. Der Personalaufwand bei der ASF sei zwar hoch, aber im Rahmen. „Ein normales Geschäft für uns.“ Ärgerlich seien Systemfeuerwerke, die durch ihre Größe die Kehrmaschinen verstopfen. Am Morgen nach Silvester Dienst zu haben, sei manchmal lustig. Manchmal aber auch weniger, wenn Betrunkene versuchen, die Kehrmaschine umzuwerfen. Broglin hat einen Wunsch an die feiernden Freiburger: Bitte keine Flaschen zerdeppern. Scherben bringen im Volksmund zwar Glück, de facto aber meistens Ärger.

Auch im Rathaus wurde ein mögliches Verbot diskutiert. „Ich freue mich über Feuerwerke, aber es hat auch negative Belastungen“, sagt Oberbürgermeister Martin Horn. Der Familienvater wäre ein Freund eines Böller-Verbots in der Innenstadt. Eine mögliche Einschränkung habe er prüfen lassen. Horn sagt: „Wir haben keine rechtliche Handhabe.“

Das bestätigt auch Freiburgs Erster Bürgermeister Ulrich von Kirchbach. Das Thema sei in der Dezernentenrunde besprochen worden und vom Tisch. Dennoch ist von Kirchbach nicht uneingeschränkt dafür: „Mich nervt, dass es schon zwei Tage vorher losgeht.“ Feuerwerk zu verteufeln, sei aber falsch.

Hornbach stoppt Verkauf

Was nur wenige wissen: Freiburg hat schon jetzt Verbotszonen. Rund ums Münster darf nicht gefeuert werden. Genauso wie in der Nähe von Kirchen oder Krankenhäusern. Die Bevölkerung könnte auch weitere Einschränkungen begrüßen. Laut einer YouGov-Umfrage sind 61 Prozent der Deutschen dafür, Silvesterfeuerwerk in Innenstädten einzuschränken.

Selbst Händler schlagen in diese Kerbe: Die Baumarktkette Hornbach will ab kommendem Jahr keine Feuerwerkskörper mehr verkaufen. Supermärkte kommen ebenfalls auf den Trichter: Ein Edeka-Händler aus Schleswig-Holstein hat ein Foto mit zwei Hunden vor seiner Filiale auf Facebook gepostet. Er schreibt: „Unsere tierischen Mitglieder der Meyer‘s Familie haben einstimmig entschieden – dieses Jahr gibt es bei uns KEIN Feuerwerk zu kaufen!“. Der Post wurde fast 1800 Mal geteilt.

Indes will Sebastian Müller weiter Unterschriften sammeln. Von einem Verbot will er nicht sprechen. Eher von Einschränkungen, ähnlich einem Tempolimit. „Man darf in der Innenstadt ja auch nicht überall 50 fahren.“ 

Eine Alternative haben sich Bürger des Münchner Stadtteils Aubing ausgedacht. Sie rufen dazu auf, ein paar Euro für ein gemeinsames Feuerwerk zu spenden statt selbst zu rumzuballern. Die Knete dafür sollte da sein: 133 Millionen Euro geben die Deutschen im Jahr für Feuerwerk aus.

Till Neumann

Fotos: © pixabay, privat, Uniklinik Freiburg