Schlafloser Traum: Freiburger Forscher liefern erstaunlichen Befund STADTGEPLAUDER | 27.09.2018 | Till Neumann

Die ganze Nacht wach liegen. Das ist für viele ein Alptraum. Im Freiburger Schlaflabor hat ein Team nun kuriose Ergebnisse präsentiert: Patienten sind überzeugt, nachts nicht schlafen zu können. Sie haben das aber nur geträumt, sagen Experten. Doktor Lukas Frase erklärt, wie das Gehirn uns austrickst. Und warum Gehirnkühlaggregate, Bleidecken oder Schlafnebel mit Vorsicht zu genießen sind.

Schlafforscher: Lukas Frase

„Das Gedächtnis macht uns einen Strich durch die Rechnung“, sagt Lukas Frase. Der 33-Jährige ist Schlafforscher am Freiburger Universitätsklinikum. Sein Team geht an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Schlafproblemen auf den Grund. Erstmals haben sie nun messbare Ergebnisse dafür, dass Gedanken im Schlaf trügerisch sein können: Gezeigt hat das eine Studie mit 54 Probanden. 27 davon haben schwere Schlafstörungen. 27 weitere schlafen gut.

Nach einer Eingewöhnungsphase haben die Forscher ihre Testpersonen aus der Tiefschlafphase – auch REM-Phase genannt – geweckt. Ein Moment des intensiven Träumens. Auf die Frage, ob sie gerade geschlafen haben oder wach gewesen seien, antwortete jeder sechste mit Schlafproblemen: Ich war wach. Die Person hat ihre Schlaflosigkeit also nur geträumt, erklärt Frase.

Was verrückt klingt, ist für den jungen Forscher nicht wirklich überraschend. Aber dennoch faszinierend: „Wir beschäftigen uns schon lange mit dem Thema.“ Vieles wisse man noch nicht. Dass Gedanken die Menschen austricksen können, sei aber schon länger Forschungsgegenstand. Nun ist es belegt: „Statistisch ist das valide geprüft“, sagt der Mann mit Hornbrille und Vollbart.

Die Studie, geleitet von Bernd Feige und Dieter Riemann, eröffnet den Forschern neue Möglichkeiten der Traumtherapie. „Am Gedanken ‚Ich liege die ganze Nacht wach’ kann man arbeiten“, sagt Frase. Träume ließen sich kontrollieren. Man könne sich auch bewusst- machen, dass etwas ein Traum ist. Er ist überzeugt: „Bei chronischer Schlafstörung ist kognitive Verhaltenstherapie einer medikamentösen Behandlung überlegen.“ Schlaftabletten seien langfristig keine Alternative.

Warum trickst das Hirn uns aus? Schlaflosigkeit beginne oft mit einem Schockerlebnis, sagt Frase. Ein Beziehungsaus, eine Kündigung, ein Todesfall. Eine Weile könne man nicht schlafen. Das wiederum führe dazu, dass die Angst wächst, nicht einschlafen zu können. Irgendwann ist diese so groß, dass sie zum eigentlichen Problem werde. „Die Angst, nicht einzuschlafen, tritt an die Stelle der Störung“, erklärt der Forscher.

Schlaflosigkeit ist weit verbreitet: Von 5 bis zu 15 Prozent der Bevölkerung berichtet Frase. Dass damit auch ein Markt entsteht, ist längst kein Geheimnis mehr: Bleischwere Therapiedecken, erhältlich als „Gravity-Gewichtsdecke“ beispielsweise auf Amazon. Die zwölf Kilo schwere Variante kostet etwa 250 Euro. Abzocke? Nicht unbedingt, findet Frase: „Auch bei der Behandlung von Autisten arbeitet man mit Druck.“

Die Angebote sind vielfältig: Es gibt Nebel mit dem Schlaf­hormon Melatonin, eine White­­Noise-­Maschine, deren Rauschen ins Reich der Träume verhelfen soll, und sogar ein Gehirnkühlaggregat. „Man sollte sich kritisch beraten lassen“, rät Frase. Man würde ja auch kein Auto kaufen, ohne vorher ausgiebig Tests gelesen zu haben. Vieles werde zu schnell auf den Markt geworfen. Er stellt fest: „Zu uns kommen oft erfolgreiche Menschen, die mit einem Optimierungsgedanken leben, alles kontrollieren möchten, auch den Schlaf.“ Doch gerade daran scheitere es. Denn Schlaf funktioniert mit Kontrollverlust. Einfach mal loslassen.

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