„Am liebsten laufe ich im Schwarzwald“: Biathlet Benedikt Doll zum Saisonabschluss Sport | 01.04.2021 | Hendrik Sexauer

Fühlt sich wohl im Schwarzwald: Biathlet Benedikt Doll

Weltmeister im Sprint 2017. Zwei Bronze-Medaillen bei Olympia 2018 in Pyeongchang. Das hat Biathlet Benedikt Doll vorzuweisen. Der Südschwarzwälder hat gerade die Biathlon-Saison beendet. Jetzt spricht der 31-Jährige im Interview mit chilli-Autor Hendrik Sexauer über seine Ansprüche, Langlauf-Loipen am Notschrei und die Olympischen Spiele 2022 in Peking.

chilli: Am 21. März ist die Biathlon-Saison in Östersund (Schweden) zu Ende gegangen. Wie zufrieden sind Sie mit dem 14. Platz im Gesamtweltcup?

Doll: Ich hatte schon bessere Endergebnisse, darum bin ich nicht 100 Prozent zufrieden. Definitiv hatte ich mir mehr vorgenommen. Es war auf jeden Fall ein dichteres Feld an der Spitze. Vor allem die Norweger waren immer mit vorne dabei. Die Schweden auch, obwohl sie die letzten Winter weniger eine Rolle spielten. Einfacherer war es dieses Jahr nicht. Um die Top-14, um so ein Ziel kämpfen aber viele. Leider hat es mir mein Schießen oft verdorben.

chilli: Die Frage eines Biathlon-Laien: Warum kann man nicht einfach mehr Schießen trainieren?

Doll: Wenn man immer mehr trainiert, ist man irgendwann übermüdet. Man braucht die Mischung aus Erholung und Reiz. Das ist beim Schießen nicht anders. Wenn ich zu viel schieße, ballere ich die Schüsse raus ohne volle Konzentration. Man braucht aber die richtige Dosierung damit jeder Schuss seine 100 Prozent bekommt.

Kämpft um die vorderen Plätze: Biathlet Benedikt Doll beim Weltcup in Oberhof.

chilli: Was gehört zur Regeneration während einer Weltcupsaison?

Doll: Das ist eine Mischung aus Beinehochlegen und den Kreislauf aktivieren. Dazu gehören: rennen gehen, eine halbe Stunde klassischer Langlauf, im niedrigen Tempo; Physiotherapie, Wettkampfanalysen und der ein oder andere Schuss. Am wichtigsten ist es, sich zu sammeln. Ein gutes Gefühl und Sicherheit für den nächsten Wettkampf muss man aufbauen.

chilli: Standen Sie seit Ende der Saison nochmal auf Skiern oder sind die erst einmal in die Ecke verbannt?

Doll: Ich mache es wie viele andere Dreisamtäler: Am Notschrei sind Top-Bedingungen, täglich wird frisch gespurt. Die letzten Tage habe ich dort auf Skiern die Alpensicht genossen. Ohne Stress, ganz gemütlich. Diesen Winter waren die Loipen dort glaube ich wie ein Fels in der Brandung, denn was konnte man denn sonst machen? Der Notschrei war immer offen.

chilli: Wie trainiert ein Biathlet ohne Schnee den Sommer über?

Doll: Wir brauchen zum Glück keinen Schnee, sondern können mit Skirollern auf Asphalt trainieren. Damit kann man die Skating-Technik gut imitieren. Ab Herbst gehen wir ab und zu auf einen Gletscher. Ansonsten trainiere ich über viele verschiedene Sportarten. Die Region um Freiburg und den Kaiserstuhl hat zum Beispiel Top-Bedingungen fürs Rennrad. Viel Krafttraining gehört auch dazu und Crossläufe: Berg hoch, Berg runter. Ab Oktober gibt es dann schon manche Motivationslöcher. Da freut man sich auf den richtigen Schnee.

chilli: Als Sportler des SZ Breitnau – wie oft laufen Sie denn noch im Schwarzwald Ski?

Doll: 20 Wochen im Jahr bin ich für Wettkämpfe unterwegs. 70 Prozent meines Trainings mache ich hier in der Region. Wir haben hier eine gute Trainingsgruppe, mit der ich lokal alles machen kann. Warum sollte ich dann wo anders hingehen?

chilli: Und wo läuft es sich besser am Notschrei oder am Holmenkollen in Oslo?

Doll: Am Holmenkollen sind wir immer Ende März. Die Bedingungen sind dann schon sehr schlecht und der Schnee sehr tief. Das macht keinen Spaß. Optimal und schön sind die Strecken am Notschrei. Am liebsten laufe ich im Schwarzwald. Für einen Weltcup fehlt leider die Infrastruktur.

chilli: Mit Simon Schempp und Arnd Peiffer beenden zwei langjährige Biathleten ihre Karriere dieses Jahr. Was bedeutet das für Team Deutschland?

Doll: Das sind Verluste. Mit Arnd Peiffer fällt die stabilste Konstante unseres Teams weg. Er hat immer gut geschossen und einige Podest-Platzierungen diesen Winter erreicht. Da wird was fehlen. Denn am besten wären sechs Sportler, die auf das Podest rennen könnten. Da haben wir noch Lücken nach vorne. Und mir ist bewusst, dass ich es jetzt bin, der einiges hinbekommen muss, und auf den Podesten stehen sollte. So ein bisschen ist die Verantwortung auf mich übergewachsen.

chilli: 2022 sind Olympische Spiele in Peking. 2008 waren dort Sommerspiele und kürzlich hat die EU China wegen Menschenrechtsverletzungen sanktioniert. Was sagen Sie zu Olympia in China?

Doll: Das ist für uns Sportler ein schwieriges Thema. Ich sehe kritisch was dort passiert. Grundsätzlich bin ich auch nicht dafür, in ein Land zu reisen, welchem Wintersporttraditionen fehlen. Mir als Sportler fehlt dann die persönliche Verbindung. Am Ende sind es aber die Olympischen Spiele. Ein Sportler trainiert die ganze Karriere, um bei Olympia dabei sein zu können – für eine olympische Medaille. Schade ist es, wenn der Sport in die Politik gezogen wird oder sogar instrumentalisiert wird. Eigentlich sollte es nur um den Sport gehen. Leider verpasse ich wohl während meiner Karriere Olympische Spiele in Europa.

chilli: Sollte die deutsche Öffentlichkeit offener sein gegenüber Olympia in Deutschland und nicht jeden Versuch mit Volksentscheiden oder Petitionen verhindern?

Doll: Mit Olympia gibt es immer Herausforderungen mit Umwelt, Infrastruktur und die Menschen vor Ort müssen Kompromisse eingehen. Um das zu tun, dafür geht es uns hier zu gut, denke Ich. In Deutschland fehlt auch die nötige Sportbegeisterung. Die breite Akzeptanz ist glaube ich nicht mehr ganz so groß. Das merke ich persönlich schon am innerdeutschen Vergleich: In Thüringen und Sachsen, wo wir auch trainieren, steckt hinter dem Sport eine ganz andere Bedeutung, Begeisterung und Identifikation als bei uns in der Region. Fußball ist dabei eine andere Kategorie. Im Fernsehen gucken viele Biathlon. Aber zum Beispiel fehlt es an ausreichender Förderung des Leistungssports. Breitensport ist gut, aber der Leistungssportgedanke geht verloren. Für mich selbst habe ich dabei so viel gelernt und fände es toll, wenn mehr junge Talente meinem Weg folgen würden.

chilli: Themawechsel: Kaffee und Kuchen zählen zu Ihren Hobbys. Wie trinken Sie Ihren Kaffee und welchen Kuchen essen Sie dazu am liebsten?

Doll: Ich bin ein Cappuccino-Trinker. Beim Kuchen mag ich die Vielfalt: Streuselkuchen oder auch eine Buttercremetorte. Die Abwechslung macht’s.

Benedikt Doll

Der Leistungssportler ist 1990 in Titisee-Neustadt geboren. Er wohnt in Kirchzarten und trainiert für den SZ Breitnau. Der Vater war Langstreckenläufer, die Mutter Marathonläuferin. Doll hat bei den Olympischen Spielen 2018 in Südkorea Bronze in der Verfolgung und in der Staffel geholt. 2017 wurde er in Österreicht Weltmeister im Sprint.

Fotos: © Michael Bührer & Nordic Focus