Die auf den Händen tanzen: Capoeira ist Energie für Körper und Geist Sport | 29.03.2019 | Erika Weisser

Capoeira

Capoeira – das klingt rätselhaft: Um den Namen und Ursprung dieser in Brasilien weit verbreiteten Kampfkunst- bzw. Kampftanzsportart mit rhythmischen, akrobatischen und tänzerischen Elementen ranken sich viele Mythen. In Freiburg gibt es mittlerweile 120 Capoeiristas.

Capoeira ist dabei ganz einfach: Die Anwesenden bilden einen engen Kreis (roda) und feuern mit Gesängen und rhythmischen Instrumenten die beiden Kontrahenten an, die sich in ihrer Mitte ein Wechselspiel von Angriff und Verteidigung liefern, das weniger an einen Kampf als an einen ausgeklügelten körperlichen Dialog erinnert: Geschickt weicht ein Spieler der nie ganz zu Ende geführten Attacke des anderen aus und geht dann aus dieser Defensive direkt und trickreich in die Offensive über – dabei tanzen beide manchmal regelrecht auf den Händen.

Capoeira, sagen die einen, sei eine Weiterentwicklung der traditionellen N’Golo-Tänze schwarzafrikanischer Bantu-Stämme aus dem heutigen Angola, deren Angehörige für die Plantagenarbeit in den portugiesischen Kolonialgebieten Südamerikas verschleppt und versklavt wurden. Andere behaupten, dass es sich um einen als Tanz getarnten Kampfsport handle, der von den Sklaven für ihre Befreiungsbewegung ersonnen worden und nach einem kampflustigen kleinen Vogel benannt worden sei. Oder nach der staubigen Erde (poeira) der Sklavenunterkünfte.

Capoeira Kampf-Tanz-Kunst zum Klang von Berimbau und Perkussion.

„Capoeira ist schwer zu definieren“, findet Jonas Walter, einer von derzeit etwa 120 in Freiburg aktiven Capoeiristas. Dabei gefällt ihm gerade diese Mehrdeutigkeit: Sie mache es möglich, dass jeder zu seiner eigenen Interpretation dieses brasilianischen Volkssports finde, der dort direkt hinter Fußball rangiert. Jeder könne sich selbst aussuchen, welche Variante ihm am meisten zusage. Das gelte sowohl für die historische als auch für die sportliche Seite: Bei einigen Gruppen liege der Schwerpunkt eher im kämpferischen, bei anderen mehr im akrobatischen oder tänzerischen Bereich.

„Capoeira é para todos“ hat Walter in 15 Jahren Erfahrung festgestellt: Alle können mitmachen – ob dünn oder dick, ungelenk oder geschmeidig, jung oder alt, groß oder klein. Denn es komme vor allem auf ein rasches Improvisations- und Reaktionsvermögen, genaue Beobachtungsgabe, schnelle Entscheidungsfähigkeit und auf eine gute Körperbeherrschung an. Und diese Eigenschaften könnten trainiert werden. Auch in Freiburg, wo es sieben Gruppen mit unterschiedlichen Ansätzen gibt. Hier könne jeder die Spielart finden, die seinen individuellen Neigungen und Fähigkeiten am meisten entspreche.

Akrobatische Körperdialoge im Kreis.

Die älteste Gruppe, Capoeira Angola Dobrada, die sich „bewusst auf die afrikanische Tradition bezieht“, gibt es seit mehr als 20 Jahren. Die jüngste, Cordão de Ouro, wurde vor ein paar Monaten gegründet. Sie gehört zur neueren Strömung der Capoeira Regional, in der auch Einflüsse anderer Kampfsportarten zu finden sind. Diese Gruppe wird von Italo Augusto angeleitet, der seit seinem fünften Lebensjahr Capoeirista und neu in Freiburg ist. Er freut sich, dass er hier so viele Gleichgesinnte gefunden hat, die sich zu gemeinsamen Rodas treffen.

Warum die Roda so wichtig ist? Hier, sagt er, werde die Energie erzeugt, die auf Körper und Geist eine stimulierende Wirkung entfalte. Und die wird durch die archaisch anmutenden Klänge der aus hölzernem Klangbogen, Kalebasse und einer Drahtsaite bestehenden Berimbaus und der Perkussionsinstrumente noch verstärkt, wie selbst die am Geschehen völlig unbeteiligte Zaungast-Reporterin entspannt feststellte.

Infos

Seit 2015 ist Capoeira auch im Badischen Turnerbund anerkannt. Manche Vereine bieten Capoeira an, darunter der Turnverein Staufen. Mehr unter: www.capoeira-freiburg.de; www.cdo-capoeira-freiburg.de; www.terreiro-capoeira-alemanha.weebly.com

Fotos: © ewei