»Du musst bekloppt sein« – Trainingsbesuch beim Para-Eishockey-Team Sport | 26.03.2023 | Till Neumann

Para-Eishockey

In der Freiburger Eishalle tummeln sich nicht nur die Profis. 90 Prozent der Eiszeit geht auf Amateurvereine. Das vielleicht exotischste Team ist die Para-Eishockey-Mannschaft des EHC. chilli-Redakteur Till Neumann hat zu später Stunde mittrainiert.

Es ist längst dunkel in Freiburg. Doch in der „Echte Helden Arena“ ist noch lange kein Feierabend: Um 21.40 Uhr gehe ich mit dem Para-Eishockey-Team aufs Eis. Besser gesagt: Ich gleite. Gespielt wird in einem kleinen Schlitten. Und zwar ordentlich eingeschnürt. „Wenn es ungemütlich wird, ist es gut“, sagt Jens Brandmeier und grinst. Er hat mich gerade in den wackeligen Schlitten verfrachtet – und mit der nötigen Ausrüstung versehen. Schoner für Schienbeine, Hals, Ellbogen und Schultern. Außerdem gibt’s Helm, Handschuhe und zwei Stöcke. Mit denen kann ich beschleunigen, lenken und den Puck führen.

Brandmeier ist heute mein Coach. Der 45-Jährige nennt sich selbst „Fußgänger“. So werden hier Menschen ohne Handicap bezeichnet. Das Besondere am Para-Eishockey: Es wird bunt gemischt. Männer, Frauen, Jung, Alt, Gehandicapte und Fußgänger bilden ein Team. Sechs Mannschaften treten in Deutschland gegeneinander an. Rund 70 Lizenzspieler sind gemeldet. Davon etwa ein Drittel ohne Handicap. Der Grund: Spielermangel.

Die Stimmung ist trotzdem ausgelassen. Von den zwölf Spieler·innen des Teams sind fünf da. Und die scherzen am laufenden Band. „Para-Eishockey ist kein Wattebällchensport“, erzählt Goalkeeper Marc Hauger und lacht. Wer sich überzeugen möchte, müsse nur auf YouTube Spielszenen von Teams wie USA, Kanada oder China anschauen. „Die wickelt es 180 Grad durch die Luft, mit dem Kopf knallen sie aufs Eis – und spielen weiter“, erzählt der 37-Jährige.  Er hat von Geburt an eine Teillähmung der Beine sowie eine Gleichgewichtsstörung.

Das Team um Marc Hauger und Jens Brandmeier

Passioniert: Das Team um Marc Hauger und Jens Brandmeier (Zweiter und Dritter von links).

Auf dem Eis merke ich schnell, wie kompliziert das Ganze ist. Geradeaus Schlittenfahren geht ganz gut. Bremsen und Kurven fahren wird schon schwieriger. Es fühlt sich an wie ein Mix aus Eislauf, Snowboard und Kajakfahren. Aber gleichzeitig fahren, lenken und den Puck führen? Auweia.

Nach einem Crashkurs darf ich die Einheiten mitmachen. Eine davon: einen Pass hinter dem Tor annehmen, vor den Goali fahren und abziehen. Was einfach klingt, ist eine Meisterleistung. Warum man sich das als Fußgänger antut? „Gute Frage, ich bin zwar seit Jahren Eishockey-Fan, es hat sich aber nie so richtig ergeben“, sagt Brandmeier. Para-Eishockey war da eine gute Alternative: „Man lernt es ziemlich schnell und es macht halt auch richtig Laune.“

Brandmeier hat mit Hauger das Team 2018 gegründet. Vorher spielte er bei den Heidelberg Ice Knights. Wöchentlich fuhren sie zum Training und waren erst um
2 Uhr nachts wieder zu Hause. „Du musst
bekloppt sein, um den Sport zu machen”, sagt Brandmeier und lacht. Ohne maximale Leidenschaft geht hier nichts. Kürzlich waren sie bei einem Turnier im schwedischen Malmö.

Baldiger Star der Mannschaft könnte Rollstuhlfahrer Pascal Schmieder (Bild oben, sitzend) werden. Der 30-Jährige ist zum Sichtungslehrgang des erweiterten Natio-Kaders eingeladen worden. Sein Ziel: die Paralympics 2026 in Italien. Die Freiburger Teilnahme wäre ein Ausrufezeichen für den Vorreiter. Der EHC war 2018 der erste Proficlub Deutschlands mit einer eigenen Para-Eishockey-Mannschaft.

Fotos: © tln