Freiburger forechecking: Fans und Fraktionen protestieren gegen Polizeiverordnung ums neue SC-Stadion Sport | 17.12.2020 | Philip Thomas

SC Stadion Freiburg Gebiet Streitpunkt: Der Geltungsbereich der Polizeiverordnung um das neue SC-Stadion am Wolfswinkel ist einigen Freiburger Fans und Fraktionen zu groß.

Bei zukünftigen Heimspielen des SC Freiburg werden im noch immer namenlosen Stadion am Wolfswinkel knapp 35.000 Besucher erwartet. Eine Polizeiverordnung soll für Sicherheit sorgen. Sie erlaubt Beamten in einem großzügigen Bereich Personenkontrollen, untersagt mitgebrachte Getränke oder das Verteilen von Flyern. Fangruppen befürchten Repressalien, Fraktionen stellen das Papier auf den Prüfstand. Polizei und Ultras deuten ihr Verhältnis diametral.

Bundesligaspiele sind Großveranstaltungen, bei denen ein breiter Querschnitt der Gesellschaft auf engem Raum zusammenkommt. Der Freiburger Gemeinderat hat daher nach langem Ringen am 10. November eine Kombination aus privatrechtlicher Hausordnung unter dem Dach des Sport-Clubs und öffentlich-rechtlicher Polizeiordnung verabschiedet.

Der Mix ist kein Freiburger Alleingang. Das Modell wird auch bei Fußballbundesligisten in Frankfurt, München oder Stuttgart praktiziert. Ordnungsdezernent und Sportbürgermeister Stefan Breiter sieht in dem Duo „ein Grundgerüst zur Gewährung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, welches dem SC Freiburg mehr Spielraum zur Regelung des Fanverhaltens im Stadion gibt.“ Der Verein selbst spielt in der Angelegenheit auf Abseits und möchte sich nicht äußern.

Stadtrat Jan Otto (Grüne) konstatiert die Notwendigkeit einer Verordnung. Seine Partei stimmte in einer Neufassung für den Geltungsbereich: „Die Polizei braucht Einsatzsicherheit. Und 35.000 Menschen müssen wissen, was sie dürfen.“ Der 28-Jährige betont aber auch: „Ich hätte mir mehr Freiheiten für die Fans gewünscht.“ Er vermisst eine gerade Linie im Beschluss. Für aufwendige Choreografien seien Stangen oder „sperrige Gegenstände“ manchmal notwendig. Diese sind im Papier untersagt. Eine juristische Differenzierung sei schwierig: „Ich hoffe, dass die Vorschriften nicht genau nach Buchstaben ausgelegt werden.“

Streitpunkt ist auch die Größe des Bereichs. Der ist keine Briefmarke: Der Geltungsbereich der Verordnung umfasst das komplette Gebiet zwischen der Bahnlinie der Breisgau-S-Bahn und dem Zaun zum Flugplatz sowie zwischen Madison- und Granadaallee. „Dieser Bereich ist in dieser Größe aufgrund von Zuschauerzahlen mit fast 35.000 Plätzen notwendig“, kommentiert Breiter.

Auch für Michael Schorr, Pressesprecher der Freiburger Polizei, ist die Größe angemessen. Wichtig sei vor allem die Erkennbarkeit der Zone: „Es ist sinnvoll, diesen Bereich an Bauwerken oder natürlichen Grenzen zu orientieren und damit eine Rechts- und Handlungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.“ So sieht es auch die CDU. „Wir sind mit der geplanten Polizeiverordnung zufrieden. Sie ermöglicht allen SC-Fans einen sicheren Besuch im Stadion“, sagt die Fraktionsvorsitzende Carolin Jenkner.

Aber nicht jeder im Gemeinderat ist mit den aktuellen Maßen einverstanden. „Wir hätten uns gewünscht, dass der Geltungsbereich zunächst kleiner ist“, so die SPD-Fraktionsvorsitzende Julia Söhne. Sie hofft, dass der „Spagat zwischen Freiräumen für Fans und Handlungsspielräumen der Polizei“ funktioniert. Auch der Fraktionsgemeinschaft „Eine Stadt Für Alle“ bereitet der Distrikt Sorgen. „Der aktuelle Entwurf des Bereiches der Polizeiverordnung ist zu weit gefasst“, heißt es in einer Erklärung.

In der Zone dürfen laut Verordnung weder Getränke mitgenommen noch Flyer verteilt werden. Zahlreiche SC-Ultras lässt das kalt. „Flyer werden trotzdem verteilt. Wir lassen uns in unserer freien Meinungsäußerung nicht einschränken. Das neue Stadion darf kein Ort sein, an dem das sanktioniert wird“, sagt Marius Kanzinger von den Corrillo Ultras. Er schätzt die davon betroffene aktive Szene auf insgesamt 500 Fans.

Das Papier setzt außerdem das Werfen von Flüssigkeiten auf Besucher auf die Rote Liste. „Das finden wir besonders schade“, so Stadträtin Maria Mena Aragon von JUPI. Damit stünden Bier-duschen – auch im Freudentaumel nach einem SC-Tor – unter Strafe. „Wenn das konsequent kontrolliert wird, müsste man bei jedem Torjubel 100 Ordnungswidrigkeiten aufnehmen“, überlegt Kanzinger. Schorr weist darauf hin, dass nur das Werfen von vollen Bechern oder das absichtliche Anschütten geahndet werden könnten, nicht aber verschüttetes Bier beim Jubeln. „Wir sehen die Bedenken der Ultra-Gruppierungen, teilen sie aber nicht“, entgegnet Jenkner.

Laut Kanzinger wurde die Szene nicht in die erste Version des Papiers eingebunden. „Die sollte still und heimlich verabschiedet werden“, sagt er. Am 13. Juli seien Corrillo sowie die Supporters Crew für eine Überarbeitung einer kurzfristigen Einladung Breiters ins Rathaus gefolgt. „Wir haben aber schnell gemerkt, dass unsere Kritik dort nicht für voll genommen wird“, so der 29-Jährige. Der Bürgermeister selbst spricht von einem „offenen und konstruktiven Interessenaustausch“. Hartmut Hanke, Vorsitzender des FDP-Kreisverbands in Freiburg, stärkt den Fans den Rücken: „Man hätte noch einen Schritt weiter auf die Fans zugehen können, leider konnte die Mehrheit der Stadträte nicht davon überzeugt werden, beispielsweise bei der Verkleinerung des Geltungsbereichs.“ Die Skepsis einiger Ultra-Gruppen ist für ihn nachvollziehbar.

Der Gemeinderat hat die Verordnung auf den Prüfstein gestellt. Nach einem Jahr im Echtbetrieb sollen Regelungen und Rahmen beurteilt werden. Kanzinger glaubt nicht daran, dass eingeführte Sicherheitsregularien wieder zurückgenommen werden. Er rechnet „auch am neuen Standort“ mit Repressalien durch Ordnungshüter.

Laut Polizeisprecher Schorr pflegt die Freiburger Polizei einen „sehr engen Kontakt und eine sehr gute Kommunikation mit den Fangruppen des SC Freiburg“. Der Ultra lacht: „Das ist Humbug – es gibt seit 2012 keinerlei Austausch zwischen der aktiven Fanszene und der Freiburger Hardliner-Polizei.“ Die Lage sei angespannt, „die neue Polizeiverordnung spitzt diese weiter zu.“ 

Grafik: © chilli, Quelle:  Polizeiverordnung der Stadt Freiburg