Im Höhenrausch: Der Freiburger Joshua Leupolz balanciert in 50 Metern Höhe Sport | 26.08.2023 | Pascal Lienhard

Speed-Highline im Elsass Schwindelerregend: Im Elsass slacken Sportler in 50 Metern Höhe.

Wer in Freiburg studiert, kennt mit hoher Wahrscheinlichkeit jemanden, der gerne slackt. Der Freiburger Joshua Leupolz balanciert seit Jahren auf den Bändern – auch in luftigen Höhen. Im Juli war der erfahrene Highliner bei einer Weltmeisterschaft im Elsass.

Vor acht Jahren balancierte Joshua Leupolz zum ersten Mal über den Abgrund. Auf einem Unifest in Karlsruhe war ein Band zwischen zwei Hochhäusern gespannt worden. „Das war 20 bis 30 Meter über dem Boden“, erinnert sich der heute 32-Jährige. Eigentlich hat der erfahrene Kletterer keine Probleme mit Höhe. „Aber das war etwas ganz anderes“, sagt der Sportler mit einem Grinsen. „Ich war sehr aufgeregt.“ Doch Leupolz überwindet sich und tritt auf das wenige Zentimeter breite Band.

Seitdem ist Leupolz über viele Highlines spaziert. So heißen Slacklines, die in großen Höhen gespannt werden. Die Bänder werden beispielsweise an Kletterfelsen, Klippen oder über schmalen Schluchten installiert. „Möglich ist es auch zwischen Bäumen, aber das ist nicht ideal“, sagt Leupolz. An diesem Mittwochnachmittag geht der Sportler es eine Runde gemütlicher an. Gerade befestigt er ein meterlanges Band mit Schoner an einem Baum im Dietenbachpark. Wöchentlich lädt der Verein Slackline Freiburg hier zum gemeinsamen Balancieren.

Mit Rastas, Bart und Slack-Attack-Shirt ist der Freiburger ein Outdoor-Sportler, wie er im Buche steht. „Ich bin 2007 übers Klettern zum Slacklinen gekommen“, erzählt der Mann, der in der Breisgaumetropole als Datenanalyst arbeitet. Über die Jahre hat er viele verschiedene Varianten des Trendsports ausprobiert: Beim Speedlinen etwa geht es darum, das Band schnellstmöglich zu überqueren, beim Freestyle um eindrucksvolle Tricks.

Malerisch und voller Adrenalin

Den größten Schauwert hat das Highlinen. Nach den ersten Erfahrungen in Karlsruhe hatte Leupolz Blut geleckt. Während des Studiums und auf einer einjährigen Reise durch Polen, die Schweiz, Frankreich, Spanien und Portugal baute der Athlet seine Fähigkeiten aus. „Teilweise stand ich täglich auf der Highline“, erinnert er sich. Schätzungsweise habe er in jenem Jahr zwischen 150 und 200 luftige Abstecher unternommen. „Dort oben fühlt man sich allem völlig ausgesetzt“, berichtet der Sportler.

Joshua Leupolz im Elsass

Erfahrener Extremsportler: Joshua Leupolz beim Speed-Highline-
Worldcup im französischen Ribeauvillé.

Diesen Juli ging es für Leupolz ins elsässische Ribeauvillé. Auf dem Speed-Highline-Worldcup in der Nähe von Colmar traten getrennt nach Geschlecht mehr als 30 Sportler·innen aus 15 Ländern an. Leupolz hatte 22 Kontrahenten. Organisiert wurde das Event vom französischen Athleten Benoît Brume. In der Szene ist er bekannt: Vergangenes Jahr war er einer von mehreren Athleten, die einen Rekord aufstellten, indem sie in der Auvergne in Zentralfrankreich eine 2710 Meter lange Highline überquerten, ohne einmal abzustürzen. Dafür hat der Straßburger eine Stunde und 16 Minuten gebraucht. Zudem wurde er vergangenes Jahr in der Schweiz „World-Highline-Speed-Champion“.

Im Elsass ließ der Profi in 50 Metern Höhe über eine Schlucht zwischen zwei Burgen eine Slackline von 150 Metern Länge aufspannen. „Der Spot war genial“, blickt Leupolz zurück. Die Aufgabe: Insgesamt 100 Meter auf dem 2,5 Zentimeter breiten Band möglichst schnell überqueren. „Wenn man das mit dem Laufen vergleicht, wäre es eine Mittelstrecke zwischen 400 und 800 Metern“, erklärt der Freiburger Sportler. Beim Contest kommt es auf Sekundenbruchteile an, auch der Wind kann den Sportlern ordentlich zusetzen. Leupolz hat die Strecke in einer Minute und 37 Sekunden bezwungen – und es mit sieben anderen Athleten ins Viertelfinale geschafft. In der nächsten Runde verbesserte sich der Freiburger noch mal um neun Sekunden – für den Einzug ins Halbfinale reichte es gleichwohl nicht. „Ich bin aber sehr zufrieden, es geht mir um den Spaß und nicht um den Sieg.“

Wer Highlinern zuschaut, könnte sich fragen, ob die Athleten lebensmüde sind. Leupolz betont, dass großer Wert auf Sicherheit gelegt wird. Zum einen sind die Athleten mit Sicherungsseil und Klettergurt unterwegs. Auch im Elsass sind Sportler gestürzt und etwa zwei Meter unter dem Seil hängen geblieben – mit der Möglichkeit, wieder hochzuklettern und weiterzumachen. „Das ist schon sehr sicher“, findet Leupolz, der selbst Slackline-Equipment verkauft. „Im Gegensatz zum Klettern kann man sich ja nirgends aufschlagen.“ Zudem werden stets zwei Seile gespannt, eine Main- und eine Back-up-Line. Sollte das obere reißen, fallen die Sportler auf das untere.

Slackline über dem Flückigersee

Schwierig ist es, das Highlinen zu trainieren. In Freiburg gibt es aktuell keinen Spot, an dem legal Lines in schwindelerregenden Höhen gelegt werden dürfen. Doch auch hier gibt es einige Adrenalinjunkies. Das konnten Passant·innen unlängst am Seepark beobachten: Unbekannte hatten eine Slackline vom Aussichtsturm bis zum Forsthaus gespannt – quer über den See und am hellen Tag.

Solche Guerilla-Aktionen sind atemberaubend und dürften bei vielen Interesse für Slacklines wecken. Doch Leupolz und seine Vereinskollegen hoffen auf einen legalen Spot fürs Highlinen. Aber der Weg bis zur offiziellen Zusage sei lang und kompliziert. Wo in der Region die Highliner aktuell trainieren – das will Leupolz lieber für sich behalten.

Fotos: © Mathilde Jorge, Vivi Brindacier