»Laufen hat mich frei gemacht« – Die unglaubliche Geschichte des Filmon Teklebrhan Sport | 27.07.2023 | Till Neumann

Filmon Teklebrhan beim laufen

Mit 18 Jahren floh er aus Eritrea nach Südbaden. Seinen ersten Wettkampf machte er in Winterschuhen. Jetzt hat’s der Freiburger Langstreckenläufer Filmon „Fili“ Teklebrhan ins Nationalteam geschafft. Selbst Olympia hält sein Trainer für möglich.

Als im Juni klar war, dass er für das Nationalteam nominiert ist, konnte Filmon Teklebrhan sein Glück kaum fassen. „Das ist ein Traum“, erzählt der 27-Jährige in einem Café in Bad Krozingen. Dort lebt und arbeitet er, in Freiburg trainiert er beim Leichtathletik Club (LAC). Dass die Nationalmannschaft so schnell kommt, hätte er nicht gedacht. „Mein Ziel war die Europameisterschaft 2024“, erzählt er in fließendem Deutsch.

Seinen Weg findet Trainer Johannes Eisele „sensationell“. Teklebrhan landete 2015 als 18-Jähriger in Bad Krozingen. Er kam im Flüchtlingsheim unter, konnte kein Wort Deutsch und war noch nie gelaufen. „Ich hatte keine Ahnung, was ein Marathon ist.“ Als eine Helferin fragte, ob jemand beim 5000-Meter-Lauf in Biengen mitmachen möchte, sagte er unbedarft zu. Und ging in Winterschuhen an den Start. Mehr hatte er nicht.

Beim Wettkampf hat er sich „ein bisschen verlaufen“, bog falsch ab. Fünfter wurde er trotzdem. Die Leute gratulierten, wollten mit ihm reden. „Ich war erst zwei, drei Monate hier, das hat mich motiviert“, erinnert sich Teklebrhan. Von da an gewann der Sport an Bedeutung: „Ich bin da nicht hin, weil ich Profi werden wollte, sondern weil ich Deutsch reden konnte.“

2016 begann er das Training beim LAC Freiburg. „Ich war kein guter Läufer“, sagt Teklebrhan. Doch er hängte sich rein. Bei der Firma Hatho in Eschbach begann er eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer. Heute ist er fest angestellt. Das alles verband er mit immer intensiverem Training. „Ich hatte die Ausbildung, Sprachkurse, Nachbildung, Freunde – und bin trotzdem immer gelaufen“, erzählt Teklebrhan. Noch heute läuft er drei Mal die Woche morgens eine Stunde zur Arbeit und abends zurück. Seine Devise: „Man muss stark bleiben, am Ende ist es eine Frage des Willens.“

Zu seiner Familie in Eritrea hat er seit rund acht Jahren kaum Kontakt. Er kommt aus der Stadt Shambuko, eine ländliche Gegend. Internet gibt’s dort nicht. Video-Kontakt zu seiner Mutter ist daher unmöglich.

Filmon Teklebrhan und sein  Trainer Johannes Eisele

Erfolgs-Duo: Filmon Teklebrhan und sein Trainer Johannes Eisele

Mittlerweile hat sich Teklebrhan weit über Freiburg hinaus einen Namen gemacht. „Er ist auf dem Weg in die erweiterte deutsche Spitze“, sagt sein Trainer. „Jetzt geht’s nach oben“, ergänzt sein Schützling. Den Fokus wollen sie nun auf die Marathon-Distanz legen. Auch wenn er ein Spätzünder ist, sieht Eisele da keine Hürden: „Auf der Langstrecke ist da mit Fleiß und ein bisschen Glück eigentlich kein Limit.“ Im Juli geht er über 5000 Meter bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel an den Start. Die Top-Drei hält Teklebrhan für möglich. Gerade erst hat er auf seiner Debütstrecke von 2015 in Biengen über 5000 Meter einen 31 Jahre alten Rekord eingestellt. Im Oktober könnte die WM folgen als Halbmarathon. Eisele würde auch Olympia 2024 in Paris nicht ausschließen.

Doch der Erfolg ist am Ende nicht das Entscheidende. Filmon Teklebrhan hat über den Sport eine neue Heimat gefunden. Und mittlerweile einen deutschen Pass. „Das Laufen hat mich frei gemacht“, sagt der Publikumsliebling. Mit etwas Glück kann er in Kürze auch seine Mutter wieder sehen – sie hat es geschafft, nach Äthiopien zu fliehen.

Fotos: © tln