Red Sparrows: Interview mit Coach Wiggenhauser Sport | 14.03.2020 | chilli

Ralf Wiggenhauser

So plötzlich wie der Aufstieg in die zweite Handball-Bundesliga glückte, so ernüchternd ist der aktuelle Abstiegskampf der Red Sparrows der HSG Freiburg. Im Interview mit Liliane Herzberg erzählt Trainer Ralf Wiggenhauser, was das Team zusammenhält, von Gitarren im Mannschaftsbus und der fehlenden Wertschätzung im Frauenhandball.

chilli: Herr Wiggenhauser, worin liegt die Stärke Ihres Teams?
Wiggenhauser: Das ist ganz klar der Zusammenhalt. Die Mädels kennen sich sehr gut, wir sind auch außerhalb gut befreundet, das ist auf dem Niveau wahrscheinlich relativ selten.

chilli: Sie sind nach 21 Spieltagen akut abstiegsgefährdet. Mit welchem Ziel sind Sie in die Saison gegangen?
Wiggenhauser: Unser Ziel war, ein Spiel zu gewinnen, und das haben wir nach zwei Wochen geschafft. Ich weiß nicht, ob es jemals einen größeren Außenseiter als uns in der Liga gab, finanziell und organisatorisch. Wir kommen zu den Spielen als wären wir auf einem Schulausflug (lacht) und sehen bei den anderen, was die für Möglichkeiten haben.

chilli: Wie hoch schätzen Sie die Chancen auf den Klassenerhalt?
Wiggenhauser: Wenn ich rational drüber nachdenke, ist sie nicht hoch. Aber mein Bauchgefühl sagt was anderes. Ich glaube, dass wir immer noch gute Chancen haben, uns zu retten. Wovon die Mädels und ich enttäuscht sind, ist, dass wir das Handballspielen gerade nicht so auf die Platte bringen, wie wir es eigentlich können.

chilli: Wie nimmt die Mannschaft den Abstiegskampf an?
Wiggenhauser: Das kommt auf die Spielerinnen an. Da gibt es welche, die das abends mit ins Bett nehmen und welche, die es besser abschütteln können. Übertrieben gesagt leben die Mädels für den Handball, die belastet das natürlich, das ist klar. Wir versuchen als Mannschaft, jetzt noch enger zusammenzurücken.

chilli: Sind Sie mit dem Kader zufrieden, immerhin hatten Sie Einfluss auf die Auswahl?
Wiggenhauser: Wir haben ihn im Rahmen der Möglichkeiten ausgesucht. Der Aufstieg kam überraschend, wir haben sehr gute Mädels, aber die Luft nach oben wird dünn. Natürlich wünscht man sich als Trainer immer noch drei, vier Spielerinnen mehr, aber wenn man 15 Jahre bei der HSG ist, ist man realistisch und weiß, was möglich ist und was nicht.

chilli: Haben die Red Sparrows besondere Rituale, um sich auf ein Spiel vorzubereiten?
Wiggenhauser: Ja, wir machen vor jedem Spiel einen Spaziergang. Und wenn eine neue Spielerin kommt, muss sie ein Einstandslied singen. Und in den Bussen auf dem Rückweg von Auswärtsspielen haben wir immer Gitarren dabei und spielen stundenlang und singen zusammen.

chilli: Wie sind Sie als Verein finanziell aufgestellt? Fürchten Sie den Abstieg auch in finanzieller Hinsicht?
Wiggenhauser: Wir haben nicht mal 20 Prozent des Etats eines durchschnittlichen Zweitligisten. Dieses Jahr läuft gut, weil die Halle sehr voll ist. Ein großer Teil kommt in der zweiten Liga von der Stadt Freiburg. Aber was uns fehlt, sind Sponsoren. Das liegt aber auch an unserer Organisation.

chilli: Wie ist die Wertschätzung des Frauenhandballs? Besser als Frauenfußball?
Wiggenhauser: Die Wertschätzung ist okay. Aber wenn wir die zweite Liga Männer hätten, hätten wir wohl noch mehr Aufmerksamkeit, auch bei Sponsoren. Wenn man 15 Jahre im Frauensport aktiv ist, merkt man die geringere Wertschätzung. Die Mädels kommen direkt nach der Arbeit ins Training, hören sich eine Stunde mein Gesülze an, trainieren anderthalb Stunden, kommen um zehn nach Hause, fahren am Wochenende nach Hamburg, kommen Sonntagabend wieder heim, und da heißt es dann: „Ach Gott, was ist mit denen los, verlieren 40:25 in Hamburg, sind die schlecht, trainieren die überhaupt?“ Wer bei uns mal bisschen hinter die Kulissen sieht, erkennt, was die Mädels für einen Aufwand betreiben. Es ist traurig, dass man das immer noch dazusagen muss.

chilli: Herr Wiggenhauser, vielen Dank für das Gespräch.

 

Foto: © herz