Regisseure des Rollfelds – Ein Tag im Tower des Freiburger Flugplatzes Mobilität | 10.11.2023 | Philip Thomas

Tower des Freiburger Flugplatzes

Bis zu 35.000 Flugbewegungen koordiniert der Tower auf dem Freiburger Flugplatz jedes Jahr. chilli-Redakteur Philip Thomas hat den Flugleitern einen Tag lang über die Schulter gesehen.

Acht Tonnen Wasser, 600 Liter Löschschaum, unzählige Signallampen und nichts auf dem Rollfeld. Alles einsatzbereit, notiert Luca von Grawert, nachdem der Flugleiter den Feuerwehrwagen wieder abgestellt und hinter der achteckigen Glasfront des 15 Meter hohen Towers Platz genommen hat. Insgesamt 1000 aktive Flieger, acht Vereine und 15 Firmen überblickt der Turm auf dem Gelände des Freiburger Flugplatzes.

Es ist ein diesiger Morgen. Laut Tower-Instrumenten hängt die Wolkendecke auf 390 Fuß (rund 120 Meter). Das hat Einfluss auf den Verkehr. „Wir sind ein Sichtflugplatz, bestimmte Bedingungen müssen erfüllt sein“, erklärt von Grawert. Üblicherweise fliegen Kleinflugzeuge und Sportflieger nach den sogenannten Visual Flight Rules. Instrumentenflug bleibt in der Regel Linienmaschinen vorbehalten und setzt bestimmte Navigationsgeräte an Bord sowie eine Genehmigung durch die Deutsche Flugsicherung am Boden voraus.

Landebahn

Mit dem Wetter kann auch die Stimmung im Tower schnell umschlagen. „An manchen Tagen sitzt du hier stundenlang in der Suppe, und dann geht es plötzlich los: landen, starten, zahlen“, so der 24-Jährige. Bis zu 200 Flugbewegungen pro Tag notieren die zehn Mitarbeiter in der Spitze. „Auf meinem Platz muss ich alles auf dem Schirm haben, den Überblick behalten und alle Informationen so weitergeben, dass nichts passiert,“ erklärt der Flugleiter. „Kommunikation ist das Wichtigste.“

9.45 Uhr: Sichtflugbedingungen gegeben. Die Wolkendecke klettert auf 1000 Fuß (304 Meter), das Freiburger Münster wird im Tower-Panorama sichtbar, auf dem Vorfeld checkt die zweiköpfige Crew einer dort parkenden Pilatus PC-12 ein. „Tolle Maschine“, sagt der angehende Berufspilot im Tower über die feuerrote 7-Blatt-Turboprop. Der Charterflug bringt Geschäftsleute ins bayrische Memmingen.

Wenige Minuten später hebt ein älteres Modell über die 1040 Meter lange Startbahn 34 gen Mallorca ab. Die Zollmeldung für den Rückflug setzt das Tower-System automatisch ab. Bei Landungen aus dem Nicht-Schengen-Raum rückt auch die Bundespolizei am Freiburger Flugplatz an.

Befehle erteilen darf der Flugleiter den Maschinen nicht, „Cleared For Take-off“ ist verboten: Der Freiburger Tower wacht über einen sogenannten unkontrollierten Platz – gestartet und gelandet wird im Piloten-Ermessen. „Ich gebe das Wetter und den Verkehr durch“, so von Grawert. Die Freiburger sind keine Fluglotsen und koordinieren den Verkehr über der Stadt über eine definierte Platzrunde entlang markanter Fixpunkte: Je nach Anflug­richtung 1800 bis 830 Fuß (knapp 550 bis 250 Meter) über die B31, Dreisam und Schnew­linstraße oder aus nördlicher Richtung um Landwasser. Die beiden Piloten schwärmen: „So einen schönen Anflug gibt es sonst nirgendwo.“

Alex Waldvogel, Adem Öztürk und Andy Holton

Sorgen für Sicherheit: (v.l.n.r.) die Freiburger Flugleiter Alex Waldvogel, Adem Öztürk und Andy Holton

Um 10.36 Uhr meldet sich der Helikopter der DRF Luftrettung, Rufname Christoph 54, im Tower. Er steigt Richtung Süden auf, nach Waldshut. In weniger als 15 Minuten kann die dreiköpfige Besatzung dort sein, denn die rote-weiße H145 mit der Winde hat am Flugplatz absolute Priorität. „Die Rettungspiloten erwarten von uns, dass wir ihnen den Weg freiräumen“, betont der mittlerweile verantwortliche Flugleiter Andy Holton. Grundsätzlich stelle sich jeder Pilot anstandslos hinten an, „aber manchmal kennen sich die Leute hier nicht aus“, berichtet Holton.

Das Telefon klingelt. An der Schwarzwaldstraße plant jemand später einen Drohnenflug in 80 bis 100 Metern Höhe. Auch unbemannte Maschinen hat der Tower auf dem sprichwörtlichen Schirm – ein Radar gibt es auf dem Freiburger Tower nicht. „Wahrscheinlich eine Immobilienbesichtigung“, sagt sein Kollege Alex Waldvogel.

Um 13.20 Uhr knarzt wieder das Funkgerät. Christoph 54 meldet sich an. Aktuelle Position: 3500 Fuß (1066 Meter) über Waldkirch. Kurs: Flugplatz Freiburg. Im System gemeldet sind drei Passagiere. „Kein Patient an Bord“, schlussfolgert Holton und gibt durch: kein gemeldeter Verkehr, Wind aus südlicher Richtung, 15 Knoten. Es ist nicht der letzte Einsatz für heute: Der nächste Flug führt die Notärzte direkt zum Helipad auf dem Freiburger Uniklinikum.

Im Hangar nebenan herrscht Hochbetrieb, ein gutes Dutzend Cessnas und Pipers warten auf ihren Check-up. „Alle 50 Stunden muss ein Flugzeug gewartet werden“, erklärt Julia Harter, Inhaberin der seit 1964 am Platz ansässigen Flugschule FFH Aviation Training. Rund 90.000 Euro kostet die zweijährige Ausbildung zum Berufspiloten.

Kritiker gab es immer

Die Nachfrage von Airlines sei ungebrochen, auch wenn etwa deutsche Verkehrsflughäfen im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt weniger Passagiere (155 Millionen) zählten als im Rekordjahr 2019 (227 Millionen). Gleichzeitig vermelden die beiden größten zivilen Hersteller Airbus und Boeing volle Auftragsbücher.

Harter konnte ein Flugzeug steuern, bevor sie ein Auto lenken durfte. Die Debatte ums Fliegen verfolgt sie genau. Kritiker habe es schon immer gegeben. „In Freiburg sowieso“, bedauert die 44-Jährige. Immer wieder wird der Freiburger Flugplatz für größere Bauvisionen ins Visier genommen.

1995 gipfelte der Streit in einem Bürger­entscheid: 71 Prozent votierten für den Verbleib, das Quorum von 30 Prozent wurde jedoch nicht erreicht. Der aktuelle Pachtvertrag für das rund 40 Hektar große Gelände mit dem Rathaus läuft zum 1. Januar 2032 aus. Harter betont: „Ich wüsste keinen Platz in der Region, der unsere Flugzeuge aufnehmen kann.“

Zuletzt knöpfte der SC Freiburg dem Flugplatz rund 20 Hektar in Form einer Gras­piste für sein neues Stadion ab. Seitdem die Arena bespielt wird, ist der Platz zwei Stunden vor und eine Stunde nach Spielen gesperrt. Mittlerweile haben sich die Flieger aber an ihre neuen Nachbarn gewöhnt. „Wir haben uns vom SC bedroht gefühlt. Nun können wir aber sagen, dass uns das Stadion nicht beeinträchtigt“, erklärt Flugleiter Waldvogel. Der Bundesligist wiederum schätze die Nähe zum Drehkreuz.

Europa-Park Stadium mit Flugzeug und Bus davor.

Leerfahrt: Der Bus ist aus Bochum angereist, Die Kicker kamen per Flugzeug.

Für 18.30 Uhr kündigt sich eine Maschine aus Düsseldorf an. Darin: die Profis des VFL Bochum. Der blaue Vereinsbus wartet bereits auf dem Vorfeld. Für die Dornier 328 gilt Kategorie 4 – höchste Brandschutzmaßnahmen: Der Tower wird von zwei Flugleitern besetzt, davor bringen zwei weitere Mitarbeiter das Feuerwehrfahrzeug in Stellung. „Im Ernstfall setzen wir einen Notruf ab und leisten Erstbrandbekämpfung. Innerhalb von zwei Minuten müssen wir an der Maschine sein“, erklärt Waldvogel.

Insgesamt 650 Euro zahlen die Westdeutschen für Landung und Sicherheitspaket. Die rund 14 Tonnen schwere und deutlich hörbare Propellermaschine mit 35 Plätzen landet mit Sondergenehmigung aus dem Regierungspräsidium auf dem eigentlich nur bis zu zehn Tonnen zugelassenen Freiburger Flugplatz. Es ist viel Wind um nichts, die Bochumer werden punktlos wieder nach Hause fliegen.

Eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang endet auch die Schicht mit eingeschränkter Sicht und Checkliste: Protokoll schreiben, Lichter, „Befeuerung“ löschen, Feuerwehrwagen kontrollieren, Kasse zählen. Zu Holtons Ärger sind einige Punkte auf dem laminierten Papier als besonders bedeutsam hervorgehoben. Er betont: „Beim Fliegen ist alles wichtig.“.

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