Sieger-Gen und Bauchgefühl: Läuferin Jolanda Kallabis knackt Rekorde Sport | 24.02.2023 | Till Neumann

Jolanda Kallabis beim Training Beim Training in Freiburg: Die erst 17-jährige Läuferin Jolanda Kallabis

Das Jahr 2022 war spektakulär: Die 17-jährige Freiburgerin Jolanda Kallabis wurde U18-Europa­meisterin und knackte einen Welt­rekord. Gerade wurde sie zu „Deutschlands Jugendleichtathletin des Jahres“ gekürt. chilli-Redakteur Till Neumann hat beim ersten Training der Saison in Freiburg vorbei­geschaut. Dabei verrieten Läuferin Jo­landa und ihre Mutter ein Erfolgsrezept.

„Lauf dich warm“

Kalt, grau, regnerisch. Das Wetter ist ungemütlich vor dem Freiburger Unistadion. Aber Coach Nina Rosenplänter und ihre Tochter Jolanda Kallabis wollen durchziehen an diesem Dienstagnachmittag. Es ist die letzte Einheit vor dem ersten Wettkampf am Samstag. „Lauf dich drei Runden warm“, sagt Rosenplänter zu ihrer Tochter. Etwas missmutig trabt Jolanda los.

Die zwei wirken unscheinbar auf dem großen Gelände. Doch das Duo hat die Leichtathletik-Welt 2022 durchgewirbelt: Im September rannte Jolanda in Trier die 2000 Meter Hindernis in 6:07,72 Minuten. So schnell wie keine andere U18-Läuferin der Welt bisher. Im Sommer wurde sie bei der U18-EM in Jerusalem Europameisterin über die gleiche Distanz. Nebensache wird da der knappe Sieg bei der Deutschen Meisterschaft über 800 Meter im Februar.

Mutter und Trainerin von  Jolanda Kallabis, Nina Rosenplänter

Mutter und Trainerin von Jolanda Kallabis: Nina Rosenplänter. Sie stoppt mit dem Handy die Zeit.

„Genau das, was ich brauche“

Die Warm-up-Runden sind geschafft. Jetzt geht es mit leichten Sprüngen weiter. „Hoch die Knie“, ruft Rosenplänter. Die Abiturientin mit den strohblonden Haaren zieht an. Wie ihre Beine heute seien? „Nicht so gut“, antwortet Jolanda. Trotz der nagelneuen Schuhe des Ausrüsters „On“, der sie neuerdings sponsert.

Zuletzt war das Duo in Spanien und Portugal. Das Schmuddelwetter hier ist umso unangenehmer. Doch den Methoden ihrer Mutter vertraut Jolanda blind: „Das Training passt immer, ich trainiere genau das, was ich brauche.“ Ihre 45 Jahre alte Mutter hat Sportwissenschaften studiert und sagt: „Vieles mache ich nach Bauchgefühl.“ Oft werde kurz vor knapp entschieden, was trainiert wird.

Eingespieltes Team: Jolanda Kallabis und ihre Mutter Nina Rosenplänter beim Training

„Mental total stark“

Der Erfolg ist eine Familienangelegenheit: Jolandas Vater Damian holte 1998 den EM-Titel über 3000 Meter Hindernis – und ist bis heute Rekordhalter. Auch Mutter Nina lief Wettkämpfe. So ist Jolanda auf Tartanbahnen groß geworden – mit Gewinner-Gen: „Sie ist mental total stark“, sagt Rosenplänter. In der Wettkampfsituation könne sie alles Gelernte abrufen. „Positive Nervosität“ nennt Jolanda ihr Kribbeln vor Wettkämpfen. Schon seit sie vier ist, kenne sie das Gefühl. „Dieses ‚gleich geht’s ab’ war schon immer in mir drin.“

2022 klappte so ziemlich alles. „Wir sind selbst überrascht“, sagen beide übereinstimmend. In diesem Jahr geht es im Sommer zur U20-EM erneut nach Jerusalem. Ob sie dort 800 oder 1500 Meter läuft, ist noch offen. „Wir schauen, wo liegen die Qualitäten und wo sind die besten Chancen“, sagt Jolanda. Auch die 2000 Meter Hürden reizen sie. Da fehlt ihr nur eine Sekunde zum U20-Weltrekord.

„Ein Überraschungsangriff“

Im Februar wird sie volljährig. Dann will sie „nebenher“ ihr Abitur an der Staudinger Gesamtschule schaffen. Und danach? „Ein Jahr Profisport, ich habe voll Bock drauf“, sagt Jolanda. Einen Plan B gibt’s nicht. Profisportlerin wollte sie schon immer werden.

Trainingsabschluss ist heute ein intensiver Tempolauf über 600 Meter. „Das wird ein Überraschungsangriff“, erklärt Rosenplänter. Die ersten 400 Meter soll Jolanda schnell angehen. Dann gibt die Trainerin ein Go für Vollgas.

Als die Athletin ins Ziel kommt, schnauft sie heftig – und ist happy. „Das war richtig geil, ich konnte zwei Gänge hochschalten.“ Auch die Mutter ist zufrieden. Ihre Tochter war so schnell wie lange nicht mehr. Die Konkurrenz darf sich warm anziehen – auch bei milderem Wetter.

Fotos: © Till Neumann

„Ich will eine Medaille“: Leichtathletik-Hoffnung Jolanda Kallabis aus Freiburg