„Vieles ist möglich“: Der Freiburger Radprofi Simon Geschke vor der Tour de France Sport | 11.07.2018 | Till Neumann

simon-geschke-2-©-Team-Sunweb_2

Geschichte wiederholt sich manchmal. Darauf darf Simon Geschke hoffen. Der 32-jährige Wahlfreiburger ist seit dem 7. Juli bei der Tour de France dabei. Vieles erinnert an sein großes Jahr 2015. Die Konstellationen sind jedoch komplex. Und ein Freispruch für den Tourfavoriten überschattet das härteste Radrennen der Welt.

Mit mehr als 50 Sachen über den Lenker fliegen. Das ist Simon Geschke Anfang März bei der Rundfahrt Tirreno Adriatico passiert. Ein Fahrer war vor ihm weggerutscht. „Das ging ziemlich schnell“, erinnert sich Geschke beim Telefoninterview aus dem Trainingslager in den französischen Alpen (La Plagne) Mitte Juni. Viel weiß er vom Sturz nicht mehr. Klar ist: Das Schlüsselbein war durch, die linke Seite geprellt.

Fünf Wochen nach der Operation in Freiburg saß der Vollbart-Mann wieder im Sattel. „Ich bin sehr gut im Rhythmus“, erzählt der Sohn des Hallen-Rennrad-Weltmeisters Hans-Jürgen Geschke. Abergläubige könnten im Sturz einen Wink mit dem Zaunpfahl sehen: Schon 2015 brach sich Geschke im März das Schlüsselbein. Beim selben Rennen.

Wenige Wochen später gewann er als Ausreißer sensationell eine Tour-de-France-Etappe durch die Alpen. Das Siegerfoto mit aufgerissenem Mund ging durch die Welt. Genau wie sein tränengetränktes Interview danach.

geschke-verletzt-privat-fb

Ausgebremst: Im März stürzte Simon Geschke und musste operiert werden. Wie schon vor drei Jahren.

„Jeder träumt ein bisschen vom Tour-­Etappensieg“, sagte er damals. Und versprach: Der Vollbart kommt ab, wenn er die Gesamtwertung gewinnt. Das war ein Scherz, der lässige Berliner ist schließlich Allrounder. Ein Edelhelfer, der die Großen glänzen lässt. In seinem Team „Sunweb“ ist das der Niederländer Tom Dumoulin. Der zweifache Weltmeister gewann 2017 den Giro d’Italia. In diesem Jahr wurde er Zweiter bei der Italienrundfahrt – und möchte auch bei der Tour angreifen.

Auch Michael Matthews zählt auf den Support von Geschke. Der Australier gewann 2017 das Grüne Tour-Trikot als bester Sprinter. Er will auch dieses Jahr aufs Podest rasen. Für Geschke heißt das Teamarbeit. Nur wenn die beiden Stars schwächeln, darf er sich alleine verausgaben: „Wenn ich grünes Licht bekomme, ist vieles möglich“, sagt Geschke, der sich gerne in den Dienst der Mannschaft stellt.

Wirbel um Tourchamp Froome

Bei aller Euphorie wirft die Tour aber erneut auch Doping-Schatten: Vorjahressieger Christopher Froome wurde 2017 positiv getestet: Sein Wert beim Asthmamittel Salbutamol war zweimal so hoch wie erlaubt. Kurz vor dem Tourstart überschlugen sich die Ereignisse: Erst wollte Tourchef Christian Prudhomme ihn ausschließen, dann sprach der Weltradsportverband (UCI) den Champion frei. Geschke macht der Fall ratlos: „Es ist seltsam, dass sich das so lange hingezogen hat.“ Die Tour schätzt Geschke als „sehr sauber“ ein. „Es ist viel passiert seit dem Fuentes-Skandal vor zehn Jahren.“ Andere Sportarten könnten sich von den Dopingkontrollen eine dicke Scheibe abschneiden.

Sein Vollbart wird jedoch nur selten kopiert: Nur wenige Fahrer tragen so etwas länger als zwei, drei Wochen, berichtet Geschke. Er selbst hat mittlerweile ein eigenes Bartöl am Start. Eine belgische Apothekerin hat das Rezept kreiert und ihn angesprochen. Mit dem Geschke Beardbalm unterstützen sie die Kampagne radsport.land für den Radsportnachwuchs.

Seinen Bart wird Geschke bei der Tour erneut zur Schau stellen – auch für die Tourdamen: Die hübschen Ladys sollen trotz der Sexismus-Debatte wieder dabei sein. „Ich hatte nie was gegen Podium-Girls“, sagt Geschke. Sie würden – soweit er weiß – gut verdienen und Spaß haben. Highlights gibt’s für ihn ohnehin andere: Das Schönste an der Tour sind für ihn Teamerfolge und die Ankunft in Paris – nach drei Wochen. Beim härtesten Radrennen der Welt.

Fotos: © Team Sunweb, privat