„Zurück in den Dschungel“: Diskriminierung im Fußball nimmt zu Sport | 07.01.2025 | Dorian Eckert

Fußballfeld

Die Diskriminierungsfälle im Amateurfußball nehmen zu. Das berichtet Philipp Martens vom Württembergischen Fußballverband (WFV). Davon kann auch der Freiburger Fußballer Souleymane Traoré berichten. Er hat heftige Verbalattacken und einen Spielabbruch erlebt. Der Verband versucht daher, mit mehreren Maßnahmen dagegenzusteuern.

„Nicht nur einmal“

Souleymane Traoré kam 2016 von Mali nach Deutschland. Der 25-Jährige ist Amateurkicker, spielt als Mittelstürmer und Flügelspieler bei Eintracht Freiburg. Beleidigungen erlebt der hauptberufliche Winzer immer wieder: „Diskriminierungserfahrungen beim Fußball habe ich schon gemacht. Nicht nur einmal.“ Er erzählt, in einem Fall habe seine Mannschaft das Fußballspiel abgebrochen. Die Zuschauer der gegnerischen Mannschaft hätten ihm gesagt, er solle „zurück in seinen Dschungel“.

„Wir sind alle Menschen“

Souleymane Traoré 

Betroffen: Fußballer Souleymane Traoré kennt Anfeindungen.

Traoré erzählt, man fühle sich „einfach schlecht“. Er sei nach den Beleidigungen der gegnerischen Fans nicht mehr in der Lage gewesen weiterzuspielen. „Gute Menschen würden so etwas nicht tun.“ Er wünscht sich, dass es keine weiteren Diskriminierungen geben wird, damit man „sich wieder gut fühlen kann“ und dass die Menschen respektvoll miteinander umgehen. Er betont: „Wir sind alle Menschen“.

Philipp Martens

Philipp Martens engagiert sich gegen solche Fälle.

Philipp Martens, hauptamtlicher Verbandsmitarbeiter vom württembergischen Fußballverband (WFV), setzt sich dafür ein, dass die Diskriminierung aufhört. Der 37-Jährige erzählt, dass es seit der Erfassung einer „qualitativen“ Gewaltpräventionsstatistik aus der Saison 2013/14 insgesamt 361 Diskriminierungsvorfälle in 828.341 Spielen mit vorliegendem Spielbericht gegeben hat, die verurteilt wurden. Das entspricht 0,04 Prozent der Spiele.

Wer eine Strafe erhält, kann die Teilnahme an einer Gewaltpräventionsmaßnahme verordnet bekommen. In letzter Instanz ist es möglich, einem Team oder einem Verein die Zulassung zum Spielbetrieb zu entziehen.

Martens berichtet außerdem, dass es seit der Saison 2020/21 150 Vorfälle in 266.521 Spielen gegeben hat, die bekannt sind und bearbeitet wurden. In 135 Fällen sei es zu Verurteilungen gekommen. Er vermutet allerdings, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist, da nicht alle Vorfälle konsequent gemeldet werden. Martens betont allerdings auch, bezogen auf die prozentualen Häufigkeiten: „Jeder Vorfall ist einer zu viel.“

Hass ist vielseitig

Die Diskriminierung finde in vielen verschiedenen Bereichen des Fußballs statt, so Martens. Mal werden Frauen diskriminiert, mal Schwarze, mal Menschen mit einer Behinderung oder Homosexuelle. Er erzählt außerdem, dass bei Diskriminierungsfällen meistens die Spieler*innen, aber auch die Schiedsrichter*innen von den Zuschauer*innen und Spieler*innen der gegnerischen Mannschaften diskriminiert werden.

Anlaufstelle eingerichtet

Martens berichtet, dass die Zahlen der Vorfälle seit der Pandemie tendenziell steigen. Er vermutet allerdings, dass dies nicht mit der Pandemie zusammenhängt, sondern damit, dass der WFV den Schieds- und Sportrichter*innen zu dem Zeitpunkt den Unterschied zwischen einer Beleidigung und einer Diskriminierung deutlicher gemacht hat. Außerdem wurde beim Verband eine Anlaufstelle eingerichtet. Martens vermutet, dass die Anzahl der Vorfälle aufgrund der Dunkelziffer weiter steigen wird. Er hofft allerdings, dass sie bald wieder sinken wird.

„Langfristiger Prozess“

Für Martens ist es wichtig, jeden Vorfall und jede Meldung ernst zu nehmen, konsequent zu verfolgen und aufzuarbeiten. Man solle zeigen, dass Diskriminierung nicht toleriert wird und Konsequenzen hat. Man müsse dafür genug Personen finden, die Betroffene unterstützen. Dafür seien auch die Anlaufstellen da. Zudem müsse man Fußballvereine auf ihre gesellschaftliche Verantwortung hinweisen, damit diese sich ihrer Aufgaben bewusst sind und in Diskriminierungsfällen eingreifen. Das zu ermöglichen sei allerdings ein „langfristiger Prozess“.

Martens wünscht sich, dass die Diskriminierung nicht als Problem, sondern als Aufgabe in unserer „zunehmend vielfältigen Gesellschaft“ gesehen wird. Das Problem betreffe nicht nur den Fußball, sondern unsere gesamte Gesellschaft. Der Fußball könne dazu allerdings einen Teil beitragen. Martens hofft außerdem, dass Vorfälle in Zukunft nicht einfach hingenommen, sondern den Anlaufstellen zur Aufarbeitung gemeldet werden. Ihm ist es wichtig, dass Vereine die Verurteilung und Aufarbeitung von Vorfällen weniger als Bestrafung und mehr als Unterstützung ansehen.

„Kopf hoch“

Der WFV stellt diese Anlaufstellen zur Verfügung und setzt Maßnahmen durch, die in ihrem Gewaltpräventionskonzept „Wir alle“ zusammengeführt sind. Der WFV kooperiert außerdem mit dem WLSB (Württembergischer Landessportbund) bei einem Projekt „Zusammenhalt im Sport“, wobei Fußballvereinen geholfen wird, Vorfälle aufzuarbeiten. Außerdem startet der WFV eine Kommission mit dem Titel „WFV für Fairness und Toleranz- gegen Gewalt“ und eine Banneraktion mit dem Namen „Wir alle. Gegen Gewalt und Diskriminierung“. Sie setzen sich dafür ein, alle Vorfälle zu bearbeiten, präventiv zu sensibilisieren und Maßnahmen umzusetzen, damit die Zahl an Vorfällen reduziert werden kann.

Das könnte auch Souleymane Traoré helfen, der mit der Situation dennoch recht gelassen umgeht. Er rät Menschen, die eine Diskriminierungserfahrung gemacht haben, Folgendes: „Kopf hoch, weitermachen, die Welt geht nicht unter.“

Info

Mehr Infos zur Gewaltprävention beim Württembergischen Fußballverband (WFV) mit Sitz in Stuttgart gibt es auf: wuerttfv.de/verband/gesellschaft/gewaltpraevention

Fotos: © freepik.com; privat; Württembergischer Fußballverband e.V.