Kampf um eine Festplatte: Studierende reichen Verfassungsklage ein Szene | 21.03.2019 | Till Neumann

Seit 17 Monaten kämpfen Vertreter der Freiburger Studierenden um eine konfiszierte Festplatte. Der Fall ist juristisch verworren und von historischem Ausmaß, betont ein Jurist. Beim Verfassungsschutz beißt man sich an der Verschlüsselung offenbar die Zähne aus.

Bundesweit machte Freiburg im August 2017 Schlagzeilen. Die Polizei durchsuchte Wohnungen und das Autonome Zentrum KTS. Hintergrund war das Verbot der Online-Plattform linksunten.indymedia. Dabei beschlagnahmten Beamte auch eine Festplatte der Freiburger Studierendenvertretung StuRa. Sie lag in einer Wohnung, in der ein StuRa-Mitarbeiter lebte, der in der Vergangenheit bei linksunten mitgewirkt haben soll.

Die Sache ist heikel: Auf der Festplatte befinden sich fast ein Terrabyte Daten – das gesamte Backup des StuRa-Servers. Informationen über rund 25.000 Studierende, viele Beschäftige der Uni sowie der komplette Mailverkehr des StuRa und Anwaltskorrespondenz. Nach eidesstattlichen Aussagen des Betroffenen jedoch keine Dateien, die einen Bezug zu linksunten haben.

Legen sich mit dem Verfassungschutz an: der Freiburger StuRa-­Vorsitzende Clemens Ernst und

Der Ärger beim StuRa war und ist groß. Die Behörden haben die Festplatte zwar zurückgegeben, davon jedoch Kopien angefertigt. Eine ist in Händen des Verfassungsschutzes, der seitdem versucht, die Verschlüsselung zu knacken. „Wir sind der Meinung, dass uns Unrecht getan wird“, sagt Clemens Ernst. Der 22-Jährige ist einer der Vorsitzenden des StuRa und absolut nicht einverstanden mit dem Vorgehen der Behörden: „Dass so eine Menge vertraulicher Daten komplett durchforstet werden soll mit so einer geringen Zielerwartung, ist schwierig.“

StuRa-Anwalt Udo Kauß geht noch weiter: „Das gab es noch nie, dass ein deutscher Geheimdienst auf eine so große Datenmenge einer Universität zugreifen will.“ Für ihn ist die Verhältnismäßigkeit in keinem Fall gegeben: „Sie können nicht einfach alles durchsuchen ohne konkrete Hinweise“, poltert Kauß. Nicht ausschließen zu können, dass etwas mit Bezug auf linksunten drauf sein könnte, sei zu wenig: „Dann könnte man ja gleich alle Datenträger dieser Welt durchsuchen.“

… Anwalt Udo Kauß.

Auch Kauß verweist auf die eidesstattliche Erklärung des betroffenen StuRa-Mitarbeiters: Dieser erklärte, das Backup des StuRa-Servers nicht mit anderen Daten gespickt zu haben. „Das war ein Datenfreak, er hatte noch 20 weitere Datenträger bei sich liegen“, sagt Kauß. Es gebe aber keinerlei Hinweise darauf, dass die Festplatte einen Bezug zu linksunten habe. Clemens Ernst unterstreicht das: linksunten werde vom StuRa weder ideell unterstützt noch gebe es eine Kooperation. „Es gibt da keine Verbindungen“, sagt der Jura-Student.

Dass die Daten in einer Privatwohnung lagen, sei grenz­wertig gewesen, sagt Kauß. Clemens Ernst kann das erklären: Beim StuRa an der Belfortstraße sei damals mehrfach eingebrochen worden. Daher habe man einen anderen Ort gesucht. Mittlerweile lagere man das Backup in einem Bankschließfach.

Juristisch zieht sich der Fall. Auf Bundesebene haben die Studierenden in zweiter Instanz verloren. Der StuRa hat dagegen im Januar Verfassungsbeschwerde erhoben. Das Landesverfahren liegt in zweiter Instanz beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. „Sie grübeln schon eine Weile, ich hoffe, dass sie klüger sind als Berlin und den Datenschutz nicht auf dem Alter geheimdienstlicher Pauschalverdächte opfern“, sagt Kauß. Er sieht gute Chancen, Recht zugesprochen zu bekommen. Klappe das nicht, ziehe man erneut vors Bundesverfassungsgericht. 

Fotos: © Till Neumann, privat