Muntermacher made in Freiburg: Kleine Kaffeeröster sagen Tchibo und Co. den Kampf an Szene | 20.08.2018 | Philip Thomas

Kaffee-Roesterei-Freiburg-Szene-chilli-Stadtmagazin-08

Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Deutschen. Besonders im Trend liegen ganze Bohnen aus lokalen Röstereien. Auch in Freiburg greifen immer mehr Feinschmecker zur Kaffeemühle statt ins Supermarktregal.

„Die Kaffeeszene ist explodiert“, sagt Thorsten Kessmann, Inhaber des Cafés 5 Senses Coffee, das selbst röstet. 200 Grad und 20 Minuten benötigt der 40-Jährige mit seiner 2-Kilo-­Maschine. In der Massenproduktion müssen zwei Minuten reichen. Außerdem wird den Bohnen mit weitaus höheren Temperaturen eingeheizt. „In der Industrie werden Bohnen regelrecht schockgeröstet“, sagt der Kaffee-Connaisseur. Dadurch würden Säuren schlecht abgebaut und das Geschmackserlebnis getrübt. Trotzdem freut er sich über die gestiegene Wertschätzung: „Kaffee war früher ein reiner Wachmacher, mittlerweile ist es ein Genussmittel.“

Jörg Volkmann, Gründer und Geschäftsführer der Rösterei Elephant Beans, erinnert sich noch an die Anfänge: „Wir haben das mitangestoßen. Heute surfen viele Startups die Welle hochwertiger Kaffees.“ Wie viele aktuell mit Kaffee zu tun haben, ist unklar. „Es gibt ungefähr 800 Röstereien in Deutschland“, schätzt Volkmann, „als wir 2008 angefangen haben, waren es vielleicht 200.“ In seiner Kaffeebar hat der 53-Jährige auch Koffeinkreationen wie Coldbrew oder Espresso Tonic. „Wir waren eine der ersten Röstereien, die so etwas probiert haben“, sagt er. „Das griff Starbucks dann auf.“ Tauschen möchte er nicht: „Starbucks und Tchibo haben sich der Profixmaximierung unterworfen“. Kein Wunder: Kaffee ist nach Rohöl die zweitmeist gehandelte Ware der Welt. 2016 wurden allein in Deutschland 345.000 Tonnen börsennotierte Bohnen abgesetzt.

Kaffeekenner: Nicki Fuisz, Jörg Volkmann (hinten) und Andrea Jauch (unten).

Auch Andrea Jauch gehört eine Rösterei in Freiburg. Sie ist seit sieben Jahren Inhaberin von Schwarzwild. Vor ihrer Kaffeekarriere war die 48-Jährige lange im Marketing. „Über Kaffee musste ich mich erst mal schlaumachen“, sagt sie. An der FH in Zürich hat sie einen Aufbaustudiengang gemacht und sich dann zur Coffeeologin weitergebildet.

Den Königsweg zum Kaffeekenner gebe es nicht. Auch weil in Deutschland staatliche Kaffee-Diplome fehlten. „Im Prinzip könnte morgen jeder eine Rösterei aufmachen und sich Röstmeister nennen. Das machen einige“, sagt die 48-Jährige. Unklarheit herrscht auch auf handwerklicher Ebene. Oft kämen Kunden in ihre Rösterei und hätten noch nie eine grüne, ungeröstete Bohne gesehen. „Manchmal fragen mich Kunden, ob unser Kaffee auch im Schwarzwald angebaut wird, weil wir Schwarzwild heißen“, lacht sie. 

Bio- und Fairtrade-Siegel stehen die drei Röster skeptisch gegenüber: „Die halten oft nicht das, was sie versprechen“, sagt Volkmann, „das sind reduzierte Wahrheiten.“ Auch auf Jauchs Kaffee prangern keine großen Embleme. „Solche Siegel sind gut gemeint, aber längst nicht jeder Bauer kann sich Bio-Sticker auch leisten, dabei arbeiten viele ohnehin seit Generationen rein biologisch.“ Kessmann bestätigt: „Der Prozess ist sehr bürokratisch.“

Die größte Herausforderung ist für Volkmann der Klimawandel: „Bis 2050 wird Arabica-Kaffee durch die Umweltschäden in den Anbaugebieten erst teurer werden und dann wohl verschwinden.“ Bis dahin solle die Wertschätzung für den Kaffee noch steigen und Kaffee so wahrgenommen werden wie Wein. „Da sind wir noch eine Generation hinterher“, sagt Volkmann, „aber wir arbeiten dran.“

Dieser Aufgabe hat sich auch Jauch verschrieben: „Wir Röster sehen uns als Voranbringer der Kaffeekultur und versuchen, die Leute von industriellen Röstern wegzubringen. Unsere Ware ist hochwertiger.“ Schwarzwild hat bereits den Sprung in die Supermarktregale neben den Industriekaffee geschafft und produziert aktuell 200.000 Tassen im Monat. „2012 ist Edeka auf mich zugekommen. Zuerst war ich mir unsicher, ob das läuft.“ Mittlerweile sind Jauchs Bohnen in 50 Geschäften zu finden.

Fotos: © pt