Transgender fordern Gleichberechtigung: Trans-all-Mitglied Walli Lang über alltägliche Diskriminierung STADTGEPLAUDER | 17.11.2020 | Philip Thomas

Walli Lang Nicht binär: Walli Lang aus Freiburg fordert Gleichberechtigung für Transgeschlechtliche.

Bei den meisten Menschen entspricht das Geschlecht, das spätestens bei der Geburt festgestellt wird, dem eigenen Verständnis. Transidente Menschen identifizieren sich indes nicht mit dem zugewiesenen Genus. Viele werden in Freiburg noch heute Opfer von Gängelung und Gewalt. Auch Gesetze sind nach wie vor diskriminierend.

„Die Welt ist geteilt in zwei Geschlechter“, sagt Walli Lang. Der 22-jährige Mensch wurde bei der Geburt als Mädchen identifiziert, passt aber nicht in die Geschlechterschubladen Mann oder Frau und verzichtet deswegen auf Pronomen wie „er“ oder „sie“. „Ich bin nicht-binär“, sagt Lang und definiert sich damit weder ausschließlich männlich noch weiblich. Transgeschlechtlichkeit sei bei Lang ein schleichender Prozess gewesen. Schon früh habe Lang gewusst, dass „irgendetwas anders ist, aber in Worte fassen konnte ich es erst vor wenigen Jahren.“

Beim Outing seien die Eltern erst mal schockiert gewesen. „Auch heute können sie das noch nicht ganz annehmen. Manchmal braucht das Zeit“, sagt Lang. Trans zu sein, sei nicht leicht: „Für viele ist das der Beginn eines langen Weges.“ Outing, Hormontherapien, Operationen. „Die Leute machen das nicht aus Jux und Tollerei, das ist sehr anstrengend.“ Auch deswegen sitzt Lang im Vorstand des Freiburger Vereins TransAll, der sich seit 2018 für geschlechtliche Selbstbestimmung einsetzt und Beratungsstellen sowie Stammtische anbietet.

Thema dort ist oft das Transsexuellengesetz (TSG). „Die Gesetzeslage in Deutschland ist schwierig“, sagt Lang. Der Erlass ist 40 Jahre alt und definiert „Transsexualismus“ ursprünglich als Krankheit. Das Papier war für zahlreiche transgeschlechtliche Menschen fatal: Der Bundesverband Trans* schätzt, dass bis zu einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2011 auf TSG-Basis in Deutschland mehr als 10.000 Zwangssterilisationen durchgeführt wurden.

Noch heute gilt nach Paragraphen, dass transgeschlechtliche Menschen hierzulande vor Psychologen und Richter treten müssen, um ihr Geschlecht auch offiziell ändern zu können. „Das ist ein Spießrutenlauf“, schimpft Lang. Der Gang durch die Instanzen kann auch eine Genitaluntersuchung bedeuten. Und die Zertifikate sind nicht kostenlos: „In der Regel darf man einen vierstelligen Betrag auf den Tisch legen.“

Lang und andere Mitglieder von Trans-All setzen deswegen große Hoffnung in einen im Juni von Grünen, FDP und Linken vorgebrachten Gesetzesentwurf, der das TSG aufheben und Geschlechts- sowie Namensänderungen im Standesamt ermöglichen soll. Es ist nicht die einzige überfällige Gesetzesnovellierung: 2018 strich die Weltgesundheitsorganisation Transgeschlechtlichkeit aus ihrem Katalog für psychische Krankheiten.

Wie es mit der gesellschaftlichen Akzeptanz im Breisgau aussieht? Erst Ende Juli suchte die Freiburger Polizei „einen auffälligen Mann in Frauenkleidern, der Kinder auf Spielplätzen beim Dietenbachpark fotografiert haben soll“. Bald stellte sich heraus: Bei dem vermeintlichen Fotografen handelte es sich um eine Transfrau, die ihr eigenes Kind knipste. Noch unter der entsprechenden Folgemeldung der Beamten finden sich zahlreiche transphobe Kommentare. „Sowas kommt von diesem Gendermist“, gehört noch zu den harmlosen Netz-Nachrichten.

»Oftmals kampf ohne Fäuste«

Die Diskriminierung hört am Router nicht auf. „Wir erleben so etwas täglich in Freiburg. In Supermärkten, auf Parkplätzen, beim Spazierengehen“, sagt Lang. Auch verbale Anfeindungen und sogar körperliche Angriffe auf transgeschlechtliche Menschen im Stadtgebiet seien keine Seltenheit. „Bei mir zu Hause saßen schon Verletzte“, berichtet Lang.

Normen nicht zu entsprechen, ist oftmals ein Kampf ohne Fäuste. Formulare ausfüllen, im Büro ohne Toilette auskommen, nachschminken, damit der Bart nicht gesehen wird – die Nöte sind vielfältig. Lang sagt: „Menschen sind eben unterschiedlich.“ Nicht jeder scheint das zu begreifen.

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