Rote Laterne bei den Radcrashs: Freiburg ist Fahrradunfallstadt Nummer eins STADTGEPLAUDER | 24.03.2021 | Liliane Herzberg

Fahrradunfall

Die Zahl der Velounfälle in Baden-Württemberg nimmt seit Jahren zu. In einem landesweiten Ranking stand Freiburg im ersten Halbjahr 2020 auf Platz eins. Grund dafür sollen vor allem der Zuwachs von ungeübten Fahrrad- und Pedelec-Lenkenden sowie waghalsige Fahrerei sein. Die Polizei setzt deshalb in Zukunft stärker auf Verkehrsüberwachung.

Im vergangenen Jahr sind in Freiburg vier Menschen beim Radfahren tödlich verunglückt, in ganz Südbaden waren es sieben. Das macht betroffen und unsicher. Auch bei allen nicht-tödlichen Unfällen sind die Zahlen des Freiburger Polizeipräsidiums im Jahr 2020 bedrückend: So verunglückten in Südbaden 1708 Biker·innen – das sind 4,3 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Außerdem 330 Pedelec-Fahrer·innen, damit rund 42 Prozent mehr. In der Green City verunfallten 728 Radelnde, das sind zwar 6,4 Prozent weniger als im Vorjahr, bei den E-Biker•innen aber stieg die Zahl um 23 Prozent auf 91 Unglücke. „Im Zehn-Jahres-Vergleich beobachten wir, dass die Unfälle bei den Fahrrädern schon seit längerer Zeit konsequent nach oben gehen“, erklärt Polizei-Verkehrsreferent Jerry Clark. Das liege vor allem am zunehmenden Radverkehr. Zudem gebe es keinen signifikanten Rückgang an Autos – mehr Verkehr, mehr Unfälle.

Wenn’s kracht und Radelnde Hauptverursacher·innen sind, liegt das laut Statistik – wenn sich die Ursache klar bestimmen lässt (was bei 298 Fällen nicht so ist) – meist an Alkohol (24 Fälle), nicht angepasster Geschwindigkeit (20) oder beim falschen Einfahren in den fließenden Verkehr (20). Bereits bei fünf Unfällen mit Verletzten in drei Jahren an einem Ort meldet das polizeiliche System einen Fehler, und das Garten- und Tiefbauamt (GuT) wird kontaktiert. Eine dieser Stellen ist die Einmündung Greiffeneggring auf die B31, sagt Clark. Dort gebe es sehr viele Unfälle mit Fahrradfahrenden, die häufig in Konflikt mit rechtsabbiegenden Autos geraten. „Die Stelle steht im Fokus und wurde der Stadt als Unfallhäufung gemeldet.“

Fahrradfahrer auf Fahrradweg

Lösungsvorschlag: Für die Sicherheit der Menschen, die mit dem Fahrrad unterwegs sind, soll die Infrastruktur noch stärker verbessert werden.

Im GuT zuständig für die Infrastruktur ist Georg Herffs, Leiter der Verkehrsplanung. Zufrieden ist er nicht: „Wir analysieren Unfallschwerpunkte und versuchen, dort gezielt Verbesserungen zu erreichen, und trotzdem kriegen wir die rote Laterne nicht los, wir sind seit Jahren eine Stadt mit sehr vielen Radunfällen.“ Dieses Jahr seien durch die Pandemie zwar Pendler weggefallen, dafür aber viele Freizeitradler hinzugekommen. Die seien unsicherer und verursachten eher mal einen Unfall, auch alleine, berichtet der Experte. Dass Pedelecs häufiger in der Statistik auftauchen, liege daran, dass sie mehr benutzt werden. „Außerdem fahren sie oft auch weitere Strecken, das heißt, sie haben eine höhere Verkehrsleistung und das spezifische Unfallrisiko ist damit größer.“

Herffs spürt oft eine Erwartungshaltung: Wenn er mehr machen würde, wäre auch das Fahrradfahren sicherer. Aber das sei schwierig, denn: „Am Ende des Tages kann die Infrastruktur auch nicht alles lösen.“ Deshalb appelliert er an die Bevölkerung, bewusster zu fahren: „Wenn man die Radfahrer in Freiburg beobachtet, frage ich mich schon oft, wo das persönliche Risikobewusstsein ist.“ In vielen Fällen sei es leider so, dass der Fahrradfahrer der Unfallverursacher ist.

Alkoholkonsum oft Unfallursache

Veränderung wünscht sich auch Frank Borsch, Pressesprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC in Freiburg: „Unsere Infrastruktur ist immer noch zu stark auf das Auto ausgerichtet, während es in der Stadt rasant an Wichtigkeit verliert. Entsprechend müssen wir den Raum neu aufteilen.“ Um die Radelnden in Zukunft noch besser zu schützen, wünscht er sich Radwege in ausreichender Breite, getrennt von Fußwegen und Fahrradstraßen. „Ganz wichtig sind aber auch Abbiegeassistenten bei Lkws“, fordert Borsch. „Der Laster, der beim Rechtsabbiegen ein Rad übersieht, das wird sonst immer wieder vorkommen, oft mit tödlichen Folgen.“ Hier könne man mit einfachen technischen Mitteln viele Leben retten.

Trotz hoher Unfallzahlen ist laut einer Studie des Bundesverkehrsministeriums der Anteil der zufriedenen Fahrradfahrer•innen in Freiburg hoch: Zwischen 70 und 90 Prozent – je nach Stadtteil – haben angegeben, sehr zufrieden oder zufrieden zu sein. Damit sie in Zukunft auch sicherer sind, will die Polizei neben Prävention verstärkt auf Verkehrsüberwachung setzen. „Also der Bereich, der wehtut, wie Kontrollen und Bußgelder“, sagt Polizeisprecher Clark. „Zum Beispiel bei Rot über die Ampel fahren, Handy benutzen und so weiter.“ Den Radelnden soll so geholfen werden: Das Gefahrenbewusstsein soll gestärkt werden. Auf beiden Seiten.

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